Frage an Dieter Wiefelspütz von Erwin E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Wiefelspütz,
ich habe keinen Dr.-Titel und kann erkennen, ich lebe als deutsches Kriegskind nunmehr seit gut 59 Jahren in einem der sichersten Länder dieser Erde. Ich habe als Arbeitnehmer und Beamter mit meiner bescheidenen Leistung an diesem Aufbau mitwirken dürfen. In den ersten Nachkriegsjahren waren wir Bürger und alle Gesellschaftsschichten untereinander uns sehr nahe.Wir verstanden uns und unsere Sorgen auch ohne Worte.
All den Politikern und Führungskräften der damaligen Zeit noch heute ein herzliches Dankeschön.
Heute 59 Jahre danach prägen Arroganz und Ignoranz das breite Bild unserer Gesellschaft. Die Politik, das Management entfernt sich immer mehr von dem Bürger dieses Landes. Die Armut und Verdrossenheit breiter Schichten nimmt zu. Dieses Phänomen lässt sich nicht weg diskutieren. Wir entfernen uns voneinander! I Die gesellschaftlichen Werte die uns einmal prägten gehen langsam verloren. Wenn Sie mich einmal telefonisch kontaktieren, kann ich Ihnen etwas über die Spirale zum Hass erzählen. Vielleicht auch für Sie aufschlussreich.
Meine Frage bezüglich der Beiträge, die in vielen Fällen auch provozierend sind: Wann verstehen unsere studierten Führungskräfte in Politik und wirtschaftlichen Management, dass vielen Mitbürgern dass Wasser bis zum Halse steht und sie sich verraten fühlen? Ich persönlich wünschte mir eine Gesellschaft, die wie in den ersten Nachkriegsjahren zueinander steht!
Politiker die uns ermuntern mit ihnen den Weg in eine bessere Zukunft zu gehen.
Einfach ausgesprochen, denen man vertraut, zu denen man aufsieht und wo man Gehör findet.
Dann erübrigt sich auch jegliche Neiddiskussion über die Bezüge von Abgeordneten und Managern. Das "WIR - Gefühl " zählt!
Können Sie Ihr Wort geben, machen Sie mit?
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Evers
Sehr geehrter Herr Evers,
ich habe am 20. September 2002 meinen Doktortitel erworben, im Alter von 56 Jahren. Ich bin dadurch kein anderer Mensch geworden und bin sicherlich auch nicht klüger als Menschen ohne Doktortitel. Ich arbeite gerne wissenschaftlich, weil ich wissen möchte, worüber ich rede und entscheide. Ich veröffentliche rechtswissenschaftliche Aufsätze und Bücher. Die Themen, über die ich arbeite, haben durchweg mit meiner politischen Arbeit zu tun. Wer etwas gelernt hat, sollte sein Wissen weitergeben. Ich lehre deshalb seit einigen Jahren (ohne Honorar) Parlamentsrecht an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Heinrich Heine Universität Düsseldorf.
Sie rühmen die Nachkriegsjahre und kritisieren die Gegenwart. Sie schreiben:
"In den ersten Nachkriegsjahren waren wir Bürger und alle Gesellschaftsschichten untereinander uns sehr nahe.Wir verstanden uns und unsere Sorgen auch ohne Worte. All den Politikern und Führungskräften der damaligen Zeit noch heute ein herzliches Dankeschön."
Ich habe großen Respekt vor der Leistung des Wiederaufbaus nach dem Krieg. Eine besondere Leistung ist die Aufnahme und Integration von mehr als 12 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen. Das alles ist großartig und auch anrührend.
Gleichwohl blenden Sie sehr wichtige Umstände aus. Am Ende eines bestialischen Krieges mußte unser Land militärisch befreit werden. Die Regierung unseres Landes bestand nach der Machtergreifung der Nazis überwiegend aus Verbrechern. Massenmörder waren Bestandteil staatlicher Einrichtungen und Behörden. Unser Volk war am 8. Mai 1945 am Tiefpunkt seiner Geschichte angelangt. Die moralischen Verwüstungen haben unser Land über Jahrzehnte geprägt.
Was in den Jahren nach 1945 aus Not die Menschen zusammengeführt hat, hatte buchstäblich kriminelle Ursachen in den Jahren 1933 - 1945. Diese große Not und das große Elend, in die unser Volk sich gebracht hat, und die große Not und das große Elend, in die wir andere Völker gebracht haben, wünsche ich uns und anderen nicht wieder.
Gelegentlich wird die besondere Kameradschaft in den Schützengräben gerühmt. Das mag sogar zutreffen. In existenzieller Not rücken die Menschen zusammen. Gleichwohl wünsche ich uns allen keinen Krieg. Wenn es irgend geht, verzichte ich gerne auf diese Kameradschaft.
Ich halte es nicht für richtig, die Vergangenheit gegen die Gegewart auszuspielen. Schon gar nicht in Deutschland.
Deutschland im Mai 2008 nehme ich anders wahr als Sie. Wir leben in einer stabilen Demokratie in Frieden, Freiheit und Sicherheit. Unser Volk ist gebildet, tüchtig, fleißig und tolerant. Im internationalen Vergleich sind wir ein wohlhabendes, vielleicht sogar ein reiches Land. Unser Land wird in den Gemeinden, in unseren 16 Bundesländern und im Bund besser regiert als die meisten anderen Länder dieser Welt.
Ich reise heute abend dienstlich nach Paris. Unser Land wird besser regiert als Frankreich. In bin im Juni dienstlich in New York. Sie können ganz sicher sein, daß unser Land besser regiert wird als die USA. Daß das so ist, ist die Leistung unseres Volkes unter Einschluß der Menschen, die unser Land demokratisch regieren.
Sicherlich gibt es Versager in unseren Eliten. Ich hielte es aber für absolut ungerecht, unseren Eliten in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur generell Versagen vorzuwerfen.
Ich will die Probleme unseres Landes nicht kleinreden. Wir müssen vor allem im Bereich Bildung und Erziehung besser werden.
In der Woche nach Pfingsten mache ich seit einigen Jahren ein einwöchiges Praktikum in einem Altenpflegeheim. Ich habe in den vergangenen Tagen Frau Strüwer, eine erfahrene Pflegefachkraft, bei ihrer engagierten und kompetenten Arbeit in einem Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt in Hamm begleitet. Menschen wie Frau Strüwer sind die entscheidenden Leistungsträger in unserem Land. Mir ist nicht bange um unser Land, weil es solche Menschen gibt. Sie sind so selten nicht. Es gibt sie überall. Sogar in unseren Regierungen, in unseren Parlamenten, ja auch in den Vorstandsetagen unserer Aktiengesellschaften.
Selbstverständlich stehe ich Ihnen für ein Gespräch gerne zur Verfügung. Wenn Sie mein Büro in Berlin anrufen (030 22772127) werden wir einen Termin zumindest für ein Telefongespräch finden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dieter Wiefelspütz, MdB