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Dieter Wiefelspütz
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Frage von Egon W. •

Frage an Dieter Wiefelspütz von Egon W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Abgeordenter Dr. Wiefelspütz,

mit Erstaunen habe ich Ihre Antwort an Tim Mutscher vom 26.3.2008 gelesen. Sie kennen in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte keinen einzigen Fall, in dem ein Parlament bewußt oder auch nur fahrlässig die Verfassung gebrochen hätte. Haben Sie die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes der letzten drei Wochen bezüglich - Online-Durchsuchung, Vorratsdaten-Speicherung und Kennzeichen-Erfassung - und lange davor das Luftsicherheitsgesetz vergessen? Oder muß man davon ausgehen, daß die Parlamentarier, die für diese Gesetze gestimmt haben, dies ohne Bewußtsein getan haben?

Anderen Fragenstellern zu diesen fragwürdigen Gesetzen, die vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurden, haben Sie bis heute nicht
geantwortet oder weil sie Sanktionen forderten mit "kompletter Unfug" oder "diese Frage beantworte ich nicht, Ihnen mangelt es an Respekt" kommentiert.

Hat Tucholsky doch recht, wenn er schreibt: Du gibst dich unparteilich
am Strafgesetzbuchband...
Du bist es nicht. Nur freilich:
Juristen sind gewandt.

Hochachtungsvoll !!!

Egon Wellhöfer (ein 1938er)

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wellhöfer,

ich wiederhole: Ich kenne in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte keinen einzigen Fall, in dem ein Parlament (Bund oder Land) bewußt oder zumindest fahrlässig unsere Verfassung gebrochen hätte. Daß ein Gericht eine staatliche Entscheidung aufhebt, gar ein Gesetz für nichtig erklärt, heißt nicht, daß mit Vorsatz oder fahrlässig die Verfassung verletzt worden wäre.

Ich war in einem anderen Leben selber Richter und habe immer wieder in Einzelfällen staatliche Entscheidungen aufgehoben. Ich hatte es dabei niemals mit Vorgängen zu tun, in denen bewußt oder fahrlässig unsere Verfassung verletzt worden wäre. Komplexe Rechtsfragen können sehr unterschiedlich beurteilt werden. In unserem Rechtsstaat ist geklärt, daß Gerichte in aller Regel das letzte Wort haben. Das heißt aber nicht, daß Gerichtsentscheidungen eine höhere Richtigkeit zukommt.

Übrigens: Selbstverständlich sind Parlamente an Gerichtsentscheidungen gebunden. Heilige Texte sind Gerichtsentscheidungen aber nicht, nicht einmal Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Sie und ich dürfen sogar anderer Meinung sein als das Bundesverfassungsgericht. Ist das nicht wunderbar.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dieter Wiefelspütz