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Dieter Wiefelspütz
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Frage von Kurt F. •

Frage an Dieter Wiefelspütz von Kurt F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Geehrter Herr Dr. Wiefelspütz,

Sie haben einem anderen Teilnehmer geantwortet:

"Die bundesdeutschen Parlamente halten sich an Recht und Gesetz. Das schließt freilich nicht aus, daß die Verfassungsgerichte von Bund und Ländern im Einzelfall anderer Meinung als das jeweilige Parlament sind."

a) Halten Sie so viele Urteile gegen Sicherheitsgesetze tatsächlich für bedauernswerte Einzelfälle oder muss man angesichts dieser regelrechten Serie nicht doch davon ausgehehen, dass der Gesetzgeber ein massives Problem mit der Einhaltung des Gesetzes, bzw. mit den Grundrechten der Bürger hat? Herr Bouffier bspw. sprach von einem Grundrechtseingriff "an der Bagatellgrenze", als er - freilich auf Landesebene - ein Gesetz vor dem Gericht verteidigte, welches ihm die massenhafte Erstellung von Bewegungsprofilen völlig unschuldiger und unverdächtiger Bürger gestattet hätte.

b) Das Urteil eines Gerichts nennt man Rechtsprechung. In einem Urteil wird i.d.R. festgestellt, ob der Beklagte sich an Recht und Gesetz gehalten, oder ob er dagegen verstossen hat. Finden Sie es angemessen, das Urteil des allerhöchsten Gerichts bloss als eine andere Meinung herabzuwürdigen? Immerhin wurde in den letzten Urteilen festgestellt, dass sich die bundesdeutschen Parlamente entgegen Ihrer Behauptung gerade nicht an Recht und Gesetz gehalten haben. Da Gerichtsurteile eigentlich auch Konsequenzen haben sollten, meine letzte Frage an Sie:

c) Da Sie die Sanktionierung einzelner Parlamentarier ausschliessen, stellt sich ensthaft die Frage, welche politischen Massnahmen Sie zu ergreifen bereit sind, damit künftig von vornherein rechtmässige Gesetze geschaffen werden. Das Vertrauen der Bevölkerung in den Schutz ihrer Grundrechte und das Vertauen in die Verfassugstreue der Regierung stehen auf dem Spiel.

Vorab vielen Dank

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Felgendreher,

nirgendwo hat der Schutz der Grundrechte einen so hohen Stellenwert wie in der Bundesrepublik Deutschland. Daran hat das Bundesverfassungsgericht seinen erheblichen Anteil. Freilich, das weltweit einzigartige Bundesverfassungsgericht ist ein Produkt bundesdeutscher Politik. Der Verfassungsgesetzgeber bzw. der Gesetzgeber hat dieses Gericht geschaffen. Es ist nicht vom Himmel gefallen. Auch die Richter dieses Gerichts werden von Politikern ausgewählt. Sie überschätzen das mit Recht hochangesehene Gericht und unterschätzen gleichzeitig die noch wichtigeren Volksvertretungen. An der Qualität unseres Landes hat das Bundesverfassungsgericht zweifellos einen wichtigen Anteil. Ungleich bedeutsamer ist der Anteil der deutschen Volksvertretungen.

Ich weiß als "Rechtswissenschaftler im Nebenamt" zu genau, daß man über komplexe Rechtsfragen sehr unterschiedlicher Meinung sein kann. Die kaum noch überschaubare rechtswissenschaftliche Literatur zeugt davon. Wir haben uns in Deutschland dafür entschieden, daß in juristischen Streitfragen das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort haben soll. Nicht weil das Gericht höhere Weisheiten zu verkünden hätte, sondern weil bei Streitfragen eine Institution das letzte Wort haben muß. Das ist in Deutschland das Bundesverfassungsgericht.

Andere Länder haben diese Frage übrigens durchaus anders entschieden und Verfassungsgerichte mit ungleich geringerer Bedeutung und Machtvollkommenheit geschaffen.

Das Verfassungsorgan Deutscher Bundestag ist an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Nicht, weil das Gericht das will, sondern weil der Gesetzgeber das gewollt und gesetzlich festgeschrieben hat.

Ich wiederhole: Ich kenne keinen einzigen Fall, in dem in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte ein deutsches Parlament das Grundgesetz vorsätzlich oder zumindest fahrlässig verletzt hätte. Ihre Behauptung, "das Vertrauen der Bevölkerung in den Schutz ihrer Grundrechte und das Vertauen in die Verfassugstreue der Regierung stehe auf dem Spiel", halte ich für abwegig.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dieter Wiefelspütz, MdB