Frage an Dieter Wiefelspütz von Christian P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Dr. Wiefelspütz,
als SPD-Mitglied beschäftige ich mich seit geraumer Zeit intensiv mit dieser Thematik.
In einer Demokratie ist Rechtsstaatlichkeit eines der höchsten Güter, die es zu schützen gilt.
Den demokratischen und vor allem funktionierenden Rechtsstaat insbesondere zeichnet aus, dass der Bürger das Recht hat, gegen staatliche, insbesondere exekutive, aber auch judikative Entscheidungen Rechtsmittel zur Prüfung einlegen zu können und diese vor einem ordentlichen Gericht auf Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen. Ich denke, dass hier ersteinmal grundlegende Einigkeit besteht.
Bei der Vorratsspeicherung ist nach meiner Ansicht die Rechtsstaatlichkeit nicht mehr gegeben, weil der Betroffene kein rechtsstaatliches Mittel hat, die Datenspeicherung selbst, wie auch insbesondere die Abfrage der Daten durch die Sicherheitsbehörden abwenden oder prüfen zu lassen. Er hat dieses Mittel nicht, da er nicht erfährt, dass seine Daten abgefragt wurden und wenn er es erfährt, dieses bereits geschehen ist und somit ein einzulegendes Rechtsmittel untauglich ist. Zwar könnte die Rechtswidrigkeit eventuell bestätigt werden, jedoch ist die Wirksamkeit des Rechtsmittels nicht gegeben, da die Daten bereits verwendet und ausgewertet wurden. Wie ist Ihre Position dazu?
Der bayrische Innenminister Herrmann sagte in einem Interview kurz vor dem Jahreswechsel, dass die Bevölkerung keine Angst vor der Vorratsdatenspeicherung haben müsste, da von dieser nur unter einer Promille Gebrauch gemacht würde. Das bedeutet de facto, dass diese weder notwendig, noch wirtschaftlich vertretbar ist. Gleiches gilt auch für die angestrebte Onlineüberwachung. Aufwand und Nutzen stehen in keinem akzeptablen Verhältnis.Wie ist Ihre Position dazu?
MfG Christian Praeger
Sehr geehrter Herr Praeger,
ich habe mich bei abgeordnetenwatch hundertfach (oder zweihundertfach?) zur Vorratsdatenspeicherung und zur Online-Durchsuchung geäußert. Ich bitte Sie, meine Stellungnahmen nachzulesen. Jetzt liegt ein bedeutsames Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung vor, das meine Rechtsauffassung nahezu exakt bestätigt. Ich kann nur dazu raten, dieses Urteil Satz für Satz zu lesen. Aber bitte nicht mit einem, sondern mit beiden Augen! Die entscheidenden Verkehrsdaten wurden auch früher - wenngleich unterschiedlich lang - aus Gründen der Rechnungslegung aufbewahrt und waren im Einzelfall beim Verdacht einer schweren Straftat und mit Richtervorbehalt zugänglich. Grundsätzlich hat sich daran nichts geändert. Der Aufbewahrungszeitraum ist freilich auf sechs Monate vereinheitlicht worden. Auch früher wurden mit Hilfe von Verkehrsdaten, wenn sie noch vorhanden waren, Straftaten aufgeklärt. Der Rechtsstaat ist wichtig. Nirgendwo hat er eine so hohe Qualität wie in Deutschland. Dabei bleibt es.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dieter Wiefelspütz