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Dieter Wiefelspütz
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Frage von Winfried W. •

Frage an Dieter Wiefelspütz von Winfried W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Wiefelspütz,

Sie stimmen mittlerweile der heimlichen Online-Durchsuchung zu und wünschen sich gemäß Ihrem Intweview mit der TAZ, daß das BVerfG im anstehenden Urteil über das NRW-Gesetz das Recht auf informationelle Selbstbestimmung neu definiert. Nun frage ich Sie, wie diese Neudefinition aussehen soll. Denn bisher war ich der Meinung, daß der Begriff Selbstbestimmung zur Kategorie jener Begriffe gehört, die ihren Wortsinn verlieren, wenn man sie umdefiniert.

Nehmen wir als Beispiel den Begriff Freiheit. Wenn man sie auch nur ein bißchen einschränkt, ist sie schon keine mehr. Und jemand, der nicht über sich selbst bestimmen darf, genießt auch keine Selbstbestimmung. Deshalb betreiben Sie Euphemismus, wenn Sie von einer Neudefinition der informationellen Selbstbestimmung sprechen, denn die Einschränkung, die Ihnen offenbar vorschwebt, bedeutet in Wirklichkeit die Abschaffung dieses Rechts. Das betrachte ich im höchsten Maße als verfassungsfeindlich, denn immerhin hat das BVefG, also der oberste Hüter unserer Verfassung, dieses Recht, welches Sie nun offensbar als ärgerliches Hindernis betrachten, einst im Zuge richterlicher Rechtsfortbildung höchstselbst erschaffen. Und Sie stellen es nun in Frage.

Bisher glaubte ich, daß Frau Zypries tatsächlich nicht wußte, was das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist, als Sie in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte: "Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung heißt ja nur, dass Bürger darüber informiert werden müssen, wer was von ihnen speichert." Nach Ihrem Interview mit der TAZ, sehr geehrter Herr Wiefelspütz glaube ich aber beinahe, daß das eine geplante Vorlage für Sie war.

Meine Frage deshalb: Schwebt Ihnen als Neudefinition des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die etwas eigenwillige Interpretation unserer Justizministerin vor?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wacker,

wir sollten alle die Geduld haben, auf das Urteil zur Online-Durchsuchung von Festplatten zu warten. Ich rechne damit, daß das Gericht ein sehr wichtiges Grundsatzurteil fällen wird. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hat eine große Bedeutung. Als das Bundesverfassungsgericht dieses ungeschriebene Grundrecht entwickelte gab es noch kein Internet. Ich hoffe deshalb, daß das Gericht diese überragend wichtige neue Entwicklung aufnimmt und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung weiterentwickelt.

Die gesetzliche Zulassung der Online-Durchsuchung bedeutet keineswegs die Abschaffung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Oder meinen Sie ernsthaft, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung umfasse das Recht auf Kommunikation zu verbrecherischen Zwecken?

Ich stimme nicht "mittlerweile" der Online-Durchsuchung zu, wie Sie schreiben. Richtig ist: Ich befasse mich mit diesem Thema seit Dezember 2006. Seit dieser Zeit bin ich der Auffassung, daß die Online-Durchsuchung mit strengen rechtsstaatlichen Hürden erforderlich ist. Außerdem war und bin ich der Auffassung, daß es gegenwärtig in Deutschland keine ausreichende Rechtsgrundlage für Online-Durchsuchungen von Festplatten existiert. Für die Schaffung einer solchen Rechtsgrundlage setze ich mich freilich ein.

Sie schreiben: "Wenn man sie (die Freiheit) auch nur ein bißchen einschränkt, ist sie schon keine mehr." Glauben Sie das ernstlich? Jedes Freiheitsrecht des Grundgesetzes hat Schranken. In Freiheitsrechte kann man in der Regel aufgrund eines Gesetzes eingreifen. Oder meinen Sie, ein Verbrecher könnte sich auf die Freiheit berufen, ungehindert Verbrechen zu begehen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß das Ihre Auffassung ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dieter Wiefelspütz