Frage an Dieter Wiefelspütz von Frank S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Wiefelspütz,
zunächst vielen Dank für Ihre Antwort zu meiner Frage vom 12.11. Leider gehen Sie dabei nur auf das Urteil des BVerfG ein, nach dem der staatliche Zugriff auf Verbindungsdaten einen konkreten Verdacht erfordere.
Das zweite Urteil, nach dem bereits das bloße Speichern der Daten auch bei den Unternehmen bereits einen Grundrechtseingriff darstellt, gehen Sie leider nicht ein. Aber auch dieser Eingriff muss verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Ist das der Fall, wenn anlasslos gespeichert werden muss?
Das Bundesverfassungericht in BVerfGE 100, 313 (366): "Eingriff ist daher schon die Erfassung selbst, insofern sie die Kommunikation für den Bundesnachrichtendienst verfügbar macht und die Basis des nachfolgenden Abgleichs mit den Suchbegriffen bildet. An einem Eingriff fehlt es nur, soweit Fernmeldevorgänge zwischen deutschen Anschlüssen ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, aber unmittelbar nach der Signalaufbereitung technisch wieder spurenlos ausgesondert werden."
Warum geht das deutsche Gesetz über die EG-Richtlinie zur VDS hinaus? Die EG-RL sieht eine Datenspeicherung nur „zum Zwecke der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten“ vor (Art. 1 RiL 2006/24/EG). In Deutschland sollen Zugriffe auf vorratsgespeicherte Verbindungsdaten bei jedem Verdacht einer „erheblichen“ oder einer „mittels Telekommunikation begangenen“ Straftat zulässig sein (§§ 100g StPO, 113b TKG), außerdem „zur Abwehr von erheblichen Gefahren“ und zur Sammlung von Erkenntnissen durch die Nachrichtendienste (§ 113b TKG).
Ist das kein Verstoß gegen zwingende Vorgaben der EG?
Was ist der Unterschied zwischen schweren und erheblichen Straftaten? Erfüllt "Abwehr erheblicher Gefahren" den Bestimmtheitsgrundsatz? Die Nachrichtendienste sollen auch Zugriff haben. Passt das zum o.g. Urteil?
Nach dem Urteil des EuGH über die Flugdaten ist auch klar, dass Art 95 EGV eine unzulässige Rechtsgrundlage ist (EuGH, Az. C-317/04 und C-318/04).
Sehr geehrter Herr Segtrop,
ich wäre auch dann für die Vorratsdatenspeicherung, wenn es keine europäische Richtlinie gäbe. Die Entscheidung BVerfGE 100, S. 313 ff. hat mit der Vorratsdatenspeicherung nichts zu tun. Der Staat hat keinen Zugriff auf die bei privaten Unternehmen aufbewahrten Verbindungsdaten, es sei denn, es sind die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugriff in einem konkreten Einzelfall gegeben. BVerGE 100, S. 313 (366) bezieht sich auf große Datenmengen, die der Nachrichtendienst (!) bereits hat.Sie verwechseln Birnen mit Äpfeln.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dieter Wiefelspütz