Frage an Dieter Wiefelspütz von Rainer H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Dr. Wiefelspütz,
Bezugnehmend auf die Frage von Herrn Grafflage und Ihrer Antwort vom 20.06.2007 stellen sich mir Fragen.
Juristendeutsch unterscheidet sich vom Alltagsdeutsch. Durch Gesetze, die in Juristendeutsch (salopp Beamtendeutsch) abgefasst sind wird aber in den Alltag vieler Menschen eingegriffen (oft in hohem Maße).
Der überwiegend größte Teil der Menschen in diesem Land kann mit Juristendeutsch nachweislich nichts anfangen, versteht es nicht, nur teilweise oder schwer.
Wie beurteilen Sie aus Ihrer Sicht das vermutliche Vorliegen einer Diskriminierung eines großen Teils der Bevölkerung, die die von Ihnen angeführte Amtssprache oder Juristendeutsch nicht versteht, obwohl alle Gesetze unseres Landes in dieser Sprachform abgefasst sind?
Zurückkommend auf Ihre Erwähnung des Wortes Einsatz möchte ich einwenden, dass nach allgemeinem Sprachverständnis des Wortes Einsatz, schon ein Einsatz der Bundeswehr vorlag.
Nun führen Sie an, dass das allgemeine Sprachverständnis nicht auf Gesetze, in diesem Fall das Wort Einsatz, anzuwenden wäre. Nur ist doch in der BRD Deutsch DIE Amtsprache und nicht Juristendeutsch. Wie erklären Sie sich die Diskrepanz zwischen allgemeinsprachlicher Bedeutung von Wörtern und der juristischen Auslegung von Wörtern und der Deutungshoheit von Juristen über diese Wörter, sollten diese in einem juristisch relevanten Zusammenhang auftreten? (siehe Diskriminierung)
Weiterhin bitte ich Sie, mir zu erklären, wo der Unterschied liegt, zwischen einem Tornado, der in Afghanistan Fotos zu Aufklärungszwecken macht und einem Tornado, der dieses in Deutschland tut. Für beide Handlungen sind nötig: "Einsatz"befehl für den Piloten für einen bestimmten Flug (auch Briefing genannt) und entsprechende Infrastruktur (muss auch Befehle bekommen um Einsatzfähigkeit herzustellen(Bodencrew etc)).
In Afghanistan wird dafür der Begriff Einsatz benutzt, in Deutschland aber darf das nicht sein? Vielen Dank für Ihre Antwort!
Mit freundl. Grüßen
Rainer Herrmann
Sehr geehrter Herr Herrmann,
als ich vor vielen Jahren in Bochum das Studium der Rechtswissenschaften aufnahm, habe ich nur Bahnhof verstanden. Im jugendlichen Wahn und vernarrt in deutsche Literatur, glaubte ich, meiner Muttersprache mächtig zu sein. Ich habe drei Semester benötigt, um mich in der Sprache der Juristen verständigen zu können. Den Sachverhalt, den ich andeute, werden Sie und ich nicht ändern können. Ich verstehe im Übrigen nicht die Sprache der Mediziner, Physiker etc. und häufig nicht den Text von Bedienungsanleitungen technischer Geräte.
Auslandseinsätze der Bundeswehr, zumal mit einem Mandat der Vereinten Nationen, sind rechtlich etwas ganz anderes als Inlandsverwendungen der Bundeswehr im Rahmen von Amtshilfe. Für die Einsätze in Afghanistan sind Art. 24 Abs. 2 GG und das Völkerrecht, für Flüge der Tornados im Inland im Rahmen von Amtshilfe ist Art. 35 Abs. 1 GG Rechtsgrundlage. Tiefflüge im Inland über Demonstranten halte ich freilich für verfassungswidrig. Aufnahmen aus großer Höhe halte ich für verfassungskonform, politisch aber für unklug.
Wenn Sie ganz viel Zeit haben, empfehle ich Ihnen zur vertiefenden Lektüre mein Buch "Das Parlamentsheer" aus dem Jahre 2005. Aber Vorsicht: das Buch ist harte Rechtswissenschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dieter Wiefelspütz