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Dieter Wiefelspütz
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Frage von Daniel J. •

Frage an Dieter Wiefelspütz von Daniel J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Wiefelspütz,

wie nach dem G8-Gipfel ja nun immer offensichtlicher wird, wurde in nicht unerheblichen Maße die Bundeswehr in dessen Verlauf im Inneren eingesetzt (Tornados, Spähpanzer, ... ).
Welche Konsequenzen wird dieser klare Verfassungsbruch für die Verantwortlichen haben? Was tun Sie, um die Wiederholung eines solchen Verfassungsbruchs zu verhindern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen?

Mit freundlichem Gruß
Daniel Jänecke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Jänecke,

Sie wissen schon offenbar alles (Verfassungsbruch etc.). Ganz so einfach ist das freilich nicht. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern unterliegt dem Verfassungsvorbehalt des Art. 87 Abs. 2 GG. Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt. Der Verfassungsvorbehalt „garantiert“ nach bisherigem Verständnis die strikte Trennung zwischen äußerem militärischen und inneren polizeilichem Gewaltmonopol in der Bundesrepublik Deutschland und ist damit das Fundament der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland.Der Verfassungsvorbehalt des Art. 87 a Abs. 2 GG gilt jedoch ausschließlich für den „Einsatz“ der Streitkräfte. „Einsatz“ ist nicht jede Verwendung der Bundeswehr, insbesondere nicht nur die militärische Verwendung in Gestalt von Gefechts- und Kampfeinsätzen, sondern ihre Verwendung als Mittel der vollziehenden Gewalt. Auf die Bewaffnung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß die Streitkräfte hoheitlichen Zwang anwenden. Daraus folgt: nur dann, wenn die Bundeswehr hoheitlichen Zwang ausübt, ist sie durch die strengen Schranken der Art. 87 a Abs. 3 und 4 sowie Art. 35 Abs. 2 und 3 GG in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt.Auch die Streitkräfte der Bundeswehr sind zur Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG fähig und befugt.

Allerdings: „Einsatz“ der Streitkräfte und Amtshilfe der Streitkräfte für die Polizei nach Art. 35 Abs. 1 GG schließen sich aus. Art. 87 a Abs. 2 GG ist nämlich “lex specialis” zu Art. 35 Abs. 1 GG.Immer dann, aber auch nur wenn die Streitkräfte keinen hoheitlichen Zwang ausüben, können sie im Wege der Amtshilfe für die Polizei tätig werden. Hiernach sind Verwendungen, die nicht die Qualität eines Einsatzes haben, nach den allgemeinen Regeln für staatliches Handeln zulässig. Insbesondere können Verwendungen, die nicht Einsätze sind, grundsätzlich unbeschränkt im Wege der Amtshilfe in Betracht gezogen werden.Die Schwelle zum Einsatz i. S. des Art. 87 a Abs. 2 GG überschreiten zahlreiche Verwendungen der Bundeswehr im Inland nicht. Vor allem die Anwendung der technischen, wissenschaftlichen und logistischen Fähigkeiten der Bundeswehr in personeller wie sachlicher Hinsicht haben regelmäßig einen lediglich schlicht-hoheitlichen Charakter, entfalten keine Zwangswirkungen und unterliegen deshalb nicht dem limitierenden Verfassungsvorbehalt des Art. 87 a Abs. 2 GG.

Es kommen eine Vielzahl von Verwendungen der Bundeswehr in Betracht, die im Wege der Amtshilfe unbedenklich der Polizei bei ihrer Aufgabenwahrnehmung helfen können. Dabei handelt es sich nicht nur um Transportgerät nebst Besatzung (LKW, Schiffe, Hubschrauber, Flugzeuge), sondern auch um Ausrüstung und Liegenschaften, Krankenhäuser, Sanitätspersonal und -ausrüstung. Insbesondere können die technisch-wissenschaftlichen Fähigkeiten der Bundeswehr bei Bedarf in Anspruch genommen werden. Man denke an Sprengstoffexperten der Bundeswehr, Spezialisten gegen ABC-Anschläge und die Inanspruchnahme entsprechender technischer Geräte und Einrichtungen. Unbedenklich ist die Einbeziehung der Bundeswehr bei Suchaktionen, soweit von der Bundeswehr dabei kein hoheitlicher Zwang ausgeübt wird. Suchaktionen aus der Luft mit Wärmebildkameras sind nicht nur bei der Suche nach Opfern, sonder auch nach Tätern zulässig, denn beim Überfliegen des Bundesgebietes wird die Bundeswehr nur schlicht-hoheitlich tätig. Das gilt grundsätzlich auch für Aufklärungsflüge der Bundeswehr bei Großdemonstrationen.

Es ist eine ganz andere Frage, ob eine solche Verwendung angesichts der Ausrüstung der Landespolizeien und des Bundesgrenzschutzes erforderlich ist und ob die Nutzung militärischen Fluggeräts bei Demonstrationen einsatzpsychologisch klug ist.Es wird in den nächsten Tagen zu klären sein, wie die Bundeswehr tatsächlich im Zusammenhang mit dem G 8 Gipfel tätig war. Viele Verwendungen dürften rechtlich unproblematisch, andere rechtlich unproblematisch, aber politisch unklug gewesen sein.Von besonderer Bedeutung ist der Tiefflug eines Tornados über demonstrierenden Menschen und die Verwendung gepanzerter Fahrzeuge der Bundeswehr. Diese Verwendungen halte ich nicht nur für ausgesprochen unklug, sie könnten auch rechtswidrig sein. Für die exakte Prüfung benötige ich noch einige Tage.

Mit freundlichen Grüßen
Dr.. Dieter Wiefelspütz