Frage an Dieter Wiefelspütz von Fabian H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Wiefelspütz,
der Berliner Zeitung zufolge können Sie sich eine Ausweitung der aktuell diskutierten Internetsperren neben anderen kriminellen Angeboten auch für Seiten mit "verfassungsfeindlichen" Inhalten vorstellen. Da, wie Sie sicher wissen, "verfassungsfeindliche" Inhalte nicht automatisch kriminell sind und daher ihre Verbreitung zum Beispiel im Buchhandel nicht untersagt wird, stellt sich mir nun folgende Frage:
Waren in Ihrer Aussage tatsächlich wörtlich "verfassungsfeindliche" Inhalte (wie zum Beispiel rechts- und linksextremistische oder anarchistische Schriften, die etwa im Buchhandel legal erhältlich sind) gemeint, oder richtete sie sich nur gegen "kriminelle verfassungsfeindliche" Inhalte, die mit einem Verbreitungsverbot belegte Straftatbestände (wie zum Beispiel Volksverhetzung) erfüllen?
Mit freundlichem Gruß,
Fabian Hager
Sehr geehrter Herr Hager,
ich danke Ihnen für die Frage. Ich bin erst durch Sie auf den Bericht der Berliner Zeitung aufmerksam gemacht worden.
Der Bericht der Berliner Zeitung überrascht mich nicht nur. Ich halte den Artikel für eine bösartige Fälschung meiner Auffassungen. So etwas ist mir bislang nicht untergekommen. Der Bericht gibt an keiner Stelle meine Meinung wieder, schon gar nicht die Auffassung der SPD. Was die Berliner Zeitung mir in den Mund legt, ist nahezu komplett Schwachsinn. Keine Silbe ist von mir autorisiert. Ich werde mich baldmöglichst an die Chefredaktion der Berliner Zeitung zwecks Richtigstellung wenden. Zu dem groben politischen Unfug, den die Berliner Zeitung mir andichtet, bin ich nicht fähig.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dieter Wiefelspütz, MdB
Nachdem ich meinen Unmut über den Artikel der Berliner Zeitung vom 6. Juni 2009 ausgedrückt habe, will auch noch inhaltlich zu Ihrer Frage Stellung nehmen.
Selbstverständlich ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Straftaten, die im Internet begangen werden, sind Straftaten. Was denn sonst!
Verfassungsfeindliche Äußerungen sind freilich für sich genommen noch keine Straftaten. Gleiches gilt für extremistische Äußerungen. Es müssen immer konkrete Straftatbestände wie Volksverhetzung, Verleumdung oder Leugnung des Holocaust erfüllt worden sein, um gegen bestimmte Äußerungen im Internet vorgehen zu können.
Selbstverständlich darf man in unserem Land Gegner des Grundgesetzes sein und dies äußern, natürlich auch im Internet. Wer dies unterbinden will, übt Zensur. Zensur ist freilich verfassungswidrig. Ich bin strikt gegen jede Art der Zensur. Auch Gegner des Grundgesetzes, auch Extremisten sind Inhaber von Grundrechten.
Ich bin dafür, daß der neue, überaus bedeutsame Raum des Internet durch Aufnahme eines "Internet-Grundrechts" in das Grundgesetz besonders geschützt wird. Die Kommunikation der Bürger im Internet muß vor unzulässigen staatlichen Eingriffen geschützt werden. Auf gar keinen Fall darf Zensur stattfinden.
Ich befürworte das Sperren von Seiten mit kinderpornographischen Inhalten. Vorrang hat freilich die Verfolgung der Täter, die Kinder mißbrauchen. Die nächste Priorität hat die Herausnahme der entsprechenden strafbaren Inhalte aus dem Internet. Nachrangig bin ich für das Sperren der Seiten. Ich habe bei abgeordnetenwatch schon vor Wochen geäußert, daß das Stopp-Schild im Internet ausschließlich eine Sperr- und Warnfunktion haben sollte. Ich trete dafür, daß an der Stopp-Seite im Internet keine Daten für die Strafverfolgung gesammelt werden sollten.
Es gibt weder in der SPD noch bei mir Überlegungen, bei anderen Internet-Inhalten Stopp-Seiten einzuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dieter Wiefelspütz, MdB