Frage an Detlef Grumann von Udo K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Grumann
wie ich Ihrer Vita entnehmen konnte, haben Sie mit 44 Jahren von 2000-2003 in Hamburg noch einmal über einen sogenanten 3. Bildungsweg studiert. Halten Sie ein so spätes Studium noch für sinnvoll und bestehen diese Möglichkeiten heute auch noch?
a1) Gibt es für Sie bessere und gerechtere Lösungen um das Thema Harz 4?
Verbleibe mit freundlichen Grüssen
Udo Krüger
Sehr geehrter Herr Krüger,
Für ein Studium über den sogenannten 3. Bildungsweg ist neben einem Haupschulabschluss die bestandene Aufnahmeprüfung am Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg, der früheren HWP (Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik) notwendig. Voraussetzung für die Aufnahmeprüfung ist: eine abgeschlossene praktische Berufsausbildung oder eine mindestens vierjährige Berufstätigkeit oder eine mindestens vierjährige vergleichbare Tätigkeit, wobei diese in Familie oder Haushalt als vergleichbar anerkannt werden kann.
Die Aufnahmeprüfung ist unabhängig vom Lebensalter und kann dreimal wiederholt werden. (Information über das Studium ohne Abitur finden sie hier: www.wiso.uni-hamburg.de/index.php?id=33o ) Ein sehr guter Bekannter von mir hat 2010 die Aufnahmeprüfung mit 59 Jahren (nach längerer Arbeitslosigkeit) bestanden und wird, wenn es mit einem Studienplatz klappt, im April mit dem Studium beginnen. Ein solches späte Studium halte ich für eine sinnvolle alternativen Möglichkeit als der "übliche" Weg vieler und auch insbesondere älterer arbeitsloser Menschen, nämlich Harz 4, 1 € Job und Frühverrentung mit den entsprechenden Abschlägen oder Billigjob und Harz 4 Aufstocker.
Das Rentenerwerbsalter ist nunmehr von 65 auf 67 Jahren erhöht worden. Erste Stimmen fordern ja bereits, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre zu erhöhen und begründen das mit den demografischen Veränderungen (immer weniger Kinder, immer höheres Lebensalter) der Bevölkerung sowie die Gefahr fehlender Fachkräfte für die Unternehmen. Und verkennen dabei, dass ein Renteneintrittsalter von 65 Jahren in der Realität bereits heute von noch nicht einmal der Hälfte der Arbeitnehmer erreicht wird. Zum einen aus gesundheitlichen Gründen (Schonarbeitsplätze sind im Handwerk und der Industrie nicht zu finden), zum anderen wegen "Alters-bedingter-arbeitslosigkeit" ( nach Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit hat sich das Risiko stark erhöht, kurz vor Eintritt in den Ruhestand arbeitslos zu werden. So ist die Anzahl der Arbeitlosen in der Altersgruppe der 60-64jährigen von Oktober 2007 bis Oktober 2010 um ca. 400% gestiegen. Ich möchte hier nicht weiter über die Hintergründe einer Erhöhung des Renteneintrittsalters diskutieren, sondern zu Ihrer Ausgangsfrage zurückkehren, ob ein so spätes Studium noch sinnvoll ist. Wenn von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verlangt wird länger berufstätig zu bleiben, dann muss die Politik auch Vorraussetzungen schaffen, die ein längeres Verweilen in der Berufswelt ermöglichen. Dafür muss eine berufliche Veränderung beziehungsweise ein beruflicher Neuanfang möglich sein. Zum Beispiel aus einem körperlich anstrengenden Job über ein Studium in einen Beruf, der eben nicht körperlich so anstrengend ist. Hierbei kann sich berufliche Erfahrung auszahlen und mittels Studium zu ganz neuen Tätigkeiten führen. In diesem Sinne entwickelt der neu gegründete Verein für marktorientierte Berufsentwicklung, Mobe -Nord e.V. Lösungskonzeptionen für berufliche Weiterbildung.
Sie sehen, die Möglichkeit des 3. Bildungswegs besteht heute auch noch. Eine weitere Forderung in dem Zsammenhang ist die finanzielle Unterstützung durch Stipendien und Bafög für Studierende in einem älteren Lebenssemester. Ich würde mir wünschen, dass viele mit dem Wunsch einer beruflichen Veränderung von der Möglichkeit eines Studiums Gebrauch machen.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Grumann: Parteilos - Für eine faire Arbeitswelt