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Frage von Peter Z. •

Frage an David Perteck von Peter Z. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Perteck,

nachdem meine letzte Frage nicht veröffentlicht, aber zur Kenntnisnahme an Sie weitergeleitet wurde, formuliere ich die Frage: Wie beurteilen Sie den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage?

Mit freundlichen Grüßen

Peter Zander

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Antwort von
ÖDP

Sehr geehrter Herr Zander,

Sie sprechen ein wichtiges außenpolitisches Thema an, welches mich bereits seit Jahren intensiv beschäftigt. Bereits in meiner früheren Partei Bündnis 90/Die Grünen habe ich erlebt, auf welch ungenügende und verantwortungslose Weise zumeist von den etablierten Parteien mit dem Afghanistaneinsatz der Bundeswehr umgegangen wird. Deshalb möchte ich Ihnen gerne folgendermaßen antworten.

Nachdem die damalige rot-grüne Bundesregierung im Kosovo-Krieg erstmals seit dem Nationalsozialismus wieder deutsche Soldaten in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg geführt hat, stellt der Afghanistankonflikt eine weitere tiefschwarze Stunde deutscher Militär- und Außenpolitik dar.

Seit nunmehr sechs Jahren beteiligt sich Deutschland an kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan, bei welchen nicht sinnvoll zwischen ISAF- und OEF-Einsatz zu unterscheiden ist. Vermeintliche humanitäre Hilfe, welche die Truppen beschützen sollen, geht dort nur äußerst schleppend und ungenügend voran. Die Militärkräfte verschiedener westlicher Nationen werden trotzt formaler Akzeptanz durch die Regierung von der afghanischen Bevölkerung zunehmend nicht als Friedenshelfer, sondern als feindliche Besatzer und Aggressoren wahrgenommen. Insbesondere die US-Angriffe mit vielen zivilen Opfern und aus deutsche Sicht der unsägliche Tornado-Einsatz zugunsten der Kriegs- und Waffenlobby treiben den terroristischen Kämpfern der Taliban immer mehr Anhänger unter der gesamten Bevölkerung zu. Die Mission aus Bündnistreue zu den USA nach den Anschlägen des 11. September 2001, die den weltweiten Krieg gegen den Terrorismus ausgerufen haben, ist deshalb äußerst fragwürdig. Deutschland wird meiner Ansicht nach keinesfalls "am Hindukusch verteidigt", wie es von dem ehemaligen SPD-Verteidigungsminister Peter Struck zur Rechtfertigung des Einsatzes zum vermeintlichen Schutz vor internationalem Terrorismus auch in Deutschland ebenfalls hieß.

In Afghanistan sind bereits zahlreiche deutsche Soldaten zu Tode gekommen und die Bundeswehr hat dort inzwischen viele Zivilisten getötet. Selbst der ehemalige CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe bezeichnet den Afghanistaneinsatz im Spiegel-Magazin zurecht als Desaster. Dort herrscht offensichtlich ein Krieg, der ähnlich wie einstmals der Vietnam-Krieg nicht zu gewinnen ist. Formal führt Deutschland dort keinen Krieg gegen ein anders Land, der Einsatz wird jedoch von allen Beteiligten als Krieg mit entsprechenden Kampfeinsätzen erfahren. Die Aussagen von CDU-Verteidugungsminister Jung, in Afghanistan herrsche kein Krieg, sind dehalb gelinde gesagt beschönigend und verfälschend.

Die bekanntlich mit der Waffenindustrie verschwisterte Bundesregierung verschleiert vor der deutschen Bevölkerung die völlig chaotischen und desaströsen Zustände in Afghanisten und nimmt dabei den Tod weiterer Soldaten und Zivilisten in Kauf für die Waffenlobby und zweifelhafte militärisch-nationale Territorial- und Machtinteressen unter dem Deckmantel vermeintlicher humanitärer Hilfe und internationaler Bündnistreue. Diese Lügen in Zeiten des Krieges glaubt der Bundesregierung jedoch inzwischen keiner mehr. Da die etablierten Parteien in dieser Frage jedoch weitgehend auf einer Linie liegen, werden die wiederholten Einsatzverlängerungen, Aufstockungen und Ausweitungen nicht einmal zum Wahlkampfthema gemacht. Dabei sind Aussagen wie diejenige von Verteidugungsminister Jung, die Bundeswehr müsse weitere fünf bis zehn Jahre in Afghanistan bleiben, zum jetzigen Zeitunkt völlig unverantwortlich und zeigen die eiseitige militärische Ausrichtung der Bundesregierung.

Die US-Behörden geben selbst an, dass die westlichen Truppen in Afghanistan ca. 800 Taliban-Krieger und über 500 unbeteiligte Zivilisten getötet haben. Ist es dabei etwa ein Zeichen einer Friedensmission, wenn beispielsweise US-Bomber bei einer offensichtlich friedlichen Hochzeitsgesellschaft rund 50 Frauen und Kinder töten? Und die Bundesregierung zahlt nach der Erschießung einer Mutter mit zwei Kindern in ihrem Wagen eine Summe von 20.000 Dollar in bar als Entschädigung an die Afghanen, um angedrohte Blutrache gegen die deutschen Soldaten und einen öffentlichen Leichenzug der zivilen Opfer zu vermeiden. Diese Beispiele zeigen unmissverständlich auf, dass die Afghanistan-Mission gescheitert ist und droht in einer Katastrophe zu enden. Die USA gestehen inzwischen selbst zu, dass dieser Krieg trotzt ihrer militärisch-technischen Überlegenheit durchaus verloren werden kann.

Außerdem blüht der kommerzielle und kriminelle Drogenanbau und Drogenhandel sein Jahren in Afghanistan, gegen welche die Bundeswehr nicht vorgehen darf. Bei einem politischen System der Korruption und der lokalen "Warlords" sind kaum vernünftigte Hilfsaktionen möglich. Und die deutschen Soldaten, von denen übrigens 80% niemals den Schutz ihrer Lager verlassen, sind mehr als genug damit beschäftigt, sich selbst gegen Anschläge zu schützen. Dass Präsident Karzai einen Drogen-Händler zum "Anti-Korruptions-Minister" ernannt hat, zeigt deutlich auf, dass keine sinvolle demokratische und zivile Entwicklung gefördert wird. Die Bundeswehrsoldaten, deren Anzahl immer weiter auf beinahe 5.000 Mann aufgestockt und deren Militärauftrag immer weiter ausgedehnt wird, sind deshalb in Afghanistan völlig fehl am Platze. Ebenso wie die oftmals ungeeigneten und äußerst teuren Militärfahrzeuge und Waffensysteme, unter denen die vieldiskutierten Tornados nur die Spitze des Eisberges bilden.

Unter den derzeitigen katastrophalen Bedingungen müsste die Bundeswehr also sofort aus Afghanistan abgezogen werden, was viele Menschen in Afghanistan ebenso wie zahlreiche Militärexperten und zurückgekehrte, oftmals schwer verwundete und traumatisierte Soldaten selbst bestätigen. Ein Abzug der deutschen Truppen würde weitern Schaden vermeiden, den das westliche Militär derzeit dort anrichtet. Ein wünschenswerter und von Politikern oftmals beschworener Strategiewechsel von militärischer Aggression und Chaos zu zivilem Wiederaufbau ist bisher nach sechs Jahren Bundeswehreinsatz in keiner Weise in Sicht. Würde es einen wirklichen Strategiewechsel geben, um Frieden in Afghanistan zu ermöglichen und die zivilen Strukturen des Landes in den nächsten Jahren wieder aufzubauen, dann könnten diese Aufgaben von UNO-Blauhelmen geschützt sowie von zivilen Hilfsorganisationen auch mit ziviler deutscher Unterstützung bewältigt werden. Infrastruktur, Polizeidienst und insbesondere Bildungs- und Gesundheitswesen müssten in Afghanistan endlich nachhaltig gefördert werden.

Die etablierten Parteien haben jedoch mit ihrer chaotischen und verantwortungslosen Afghanistanpolitik der letzten Jahre das Vertrauen der Bevölkerung unwiederbringlich zerstört. Ein Großteil der deutschen Bevölkerung, nämlich 2/3, lehnt den Afghanistankrieg aus den hier geschilderten Gründen ebenfalls ab und möchte, dass die Bundeswehr zurückbeordert wird. Mit diesem Krieg ist kein Frieden zu machen!

Mit freudlichen Grüßen,

Ihr David Perteck