Frage an Danyal Bayaz von Holger S. bezüglich Wirtschaft
Guten Morgen Herr Dr.Bayaz,
das "Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patenrecht" führt nach Expertenansichten (i.e. Prof. Römermann Berlin) faktisch zur Enteignung von Vermietern von Gewerbeimmobilien.
Wie haben Sie abgestimmt und wie ist Ihre Ansicht hierzu ? Danke.
Sehr geehrter Herr S.,
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat dem Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht zugestimmt. Die Koalition hat mit den Regelungen im Miet- und Pachtrecht eine Forderung aufgegriffen, die die Grüne Fraktion bereits im September im Bundestag eingebracht hatte (BT-Drs. 19/22898). Das Thema wurde somit schon längere Zeit im Bundestag debattiert. Dass die Grüne Forderung von der Koalition aufgegriffen wurde, begrüßen wir.
In unserem Antrag fordern wir, dass Fälle von Betriebsschließungen und Nutzungsbeschränkungen aufgrund behördlicher Allgemeinverfügungen zur COVID-19-Bekämpfung als schwerwiegende Veränderung, der die Vertragsgrundlagen bildenden Umstände im Sinne des § 313 Absatz 1 BGB definiert werden, sodass auf diese Weise klargestellt ist, dass im Falle des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen des § 313 BGB ein Anspruch auf Vertragsanpassung besteht. Darüber hinaus haben wir gefordert, dass Vermieterinnen, die ihre Immobilie mit einem Darlehen finanziert haben, im Fall der Vertragsanpassung das Recht haben, eine Anpassung der Darlehensverträge vorzunehmen. Diesen Vorschlag hat die Koalition jedoch nicht aufgegriffen.
§ 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches besagt, dass wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, die Anpassung des Vertrags verlangt werden kann, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Eine Mietminderung kann somit nur dann vorgenommen werden, wenn all diese Voraussetzungen vorliegen.
Die Frage, ob coronabedingte Beschränkungen eine schwerwiegende Veränderung der die Vertragsgrundlagen bildenden Umstände des § 313 BGB sind, wurde in der rechtswissenschaftlichen Literatur und Rechtsprechung seit Beginn der Pandemie diskutiert. Ein Zuwarten bis zu einer Klärung dieser Frage durch die Zivilgerichte wäre für viele Gewerbetreibende zu spät gekommen, weswegen die Klarstellung durch den Gesetzgeber für mehr Rechtssicherheit sorgt. Das Risiko von Corona für Einzelhandel und Gastronomie nicht allein auf die Gewerbetreibenden abzuwälzen, sondern zwischen den Vertragsparteien zu verteilen, ist fair und bietet beiden Vertragsparteien auch die Möglichkeit, trotz Einschränkungen weiter zusammen zu arbeiten.
Wir sehen in der Regelung keine Enteignung, auch keine Faktische – das hat Herr Prof. Dr. Römermann auch nicht in seinem Beitrag (NJW 2021, 265) so benannt – sondern vielmehr eine Klarstellung einer bereits bestehenden Regelung, die ermöglichen soll, dass ein sinnvoller Ausgleich geschaffen wird und dass durch das Risiko von Corona nicht eine Vertragspartei unbillig benachteiligt wird. Dies hält Herr Prof. Dr. Römermann ebenfalls in seinem Fazit fest: „Durch ein „Blitzgesetz“ zum Jahresende 2020 ist die Berufung von Mietern auf eine mit hoheitlichen Pandemiebekämpfungsmaßnahmen einhergehende Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB – namentlich gegenüber einer in Teilen verfehlten Instanzrechtsprechung – wesentlich erleichtert worden. Die Pandemierisiken können sinnvoll zwischen den Vertragsparteien verteilt werden, und zwar auch rückwirkend seit März 2020; vielfach wird eine Lastenteilung ein äquivalenzangemessenes Ergebnis darstellen.“
Mit besten Grüßen,
Danyal Bayaz