Frage an Danyal Bayaz von Heribert K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Bayaz,
Es geht mir nochmals um meine Frage vom 27. Oktober, die leider noch nicht von Ihnen oder Ihrem Büro beantwortet wurde. Ich bringe die Frage nochmals auf den Punkt:
Sollte es im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1992 (Steuerfreistellung des Existenzminimums) nicht so sein, dass eine Besteuerung des Mindestlohns unterbleibt und die erhobene Lohnsteuer stattdessen der Rentenversicherung zugeführt wird? Immerhin fallen ca. 1.000 Euro Lohnsteuer im Jahr auf den Mindestlohn in der Steuerklasse 1 an. Gebietet das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG, Art 1 GG) nicht gerade dem Gesetzgeber, dass jeder, der Mindestlohn bezieht, auch eine Mindestrente erhält, die ihn unabhängig von Sozialtransfers im Alter macht? Wenn dieses nicht gewährleistet ist - verstößt der Gesetzgeber dann nicht mit dem MiLoG gegen die Tarifautonomie? Mir ist bewusst, dass eine derartige Umstellung des Steuertarifs und der Rentenversicherung ein Mammutprojekt bedeutet- insbesondere Verteilung der Gemeinschaftsteuern und niedrigeres Steueraufkommen für die Bundesländer. Aber die Bundesländer, Bezirke und Kommunen werden doch umgekehrt durch so eine Maßnahme auch von Sozialtransfers entlastet. Die Zuführung der Steuer in die DRV ist für sich genommenen „haushaltsneutral“. Gebietet der Anspruch, „Volkspartei“ zu sein, nicht den Parteien, dass jeder, der zumindest den Mindeslohn bezieht, auch einen Anspruch auf eine (sozialtransfer-freie) Mindestrente hat? Gebietet dies nicht auch die Menschenwürde? Könnten die Grünen hier nicht eine „abstrakte Normenkontrollklage“ nach Art. 93 ABS. 1 Nr. 2, 2a, 76 ff BVerfGG in Erwägung ziehen?
Mit freundlichen Grüßen
H. K.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank nochmal für die Nachfrage. Ihre Frage beantworte ich wie die vorherige Frage folgend:
Ich kann Ihre Überlegungen gut nachvollziehen. Vorab möchte ich aber kurz erwähnen, dass Existenzminimum und Mindestlohn nicht deckungsgleich sind. Das Bundesverfassungsgericht sieht eine verpflichtende Steuerfreistellung des (halbwegs korrekt berechneten) Existenzminimums vor. Ein verfassungsrechtliches Gebot, den Mindestlohn steuerfrei zu stellen, gibt es nicht.
Ich befürworte mit meiner Fraktion die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags. Dadurch würden allen und insbesondere die Steuerpflichtigen entlastet, die weniger verdienen. Eine Anhebung um nur um 100 Euro kostet den staatlichen Haushalt übrigens etwa 700 Millionen Euro, weswegen eine massive Erhöhung auf den von Ihnen geschilderten Fall eines Mindestlohnbeziehers mit 40 Wochenstunden Arbeitszeit sehr teuer wäre. Hier müssen wir wohl mit kleineren Schritten vorangehen.
Und Sie haben Recht, grundsätzlich gebietet es das Gerechtigkeitsgefühl, dass alle Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, eine Rente bekommen, die sie unabhängig von Sozialtransfers macht. Dieses Ziel streben wir an. Allerdings ist es kein Verstoß gegen die Tarifautonomie, wenn die Rente unterhalb der Grundsicherung liegt. Meine Fraktion im Bundestag will eine Garantierente einführen, die in etwa einer Mindestrente entspricht. Sie würde sicherstellen, dass langjährig Versicherte im Alter nicht mehr auf Sozialtransfers angewiesen sind. Die Einführung einer steuerfinanzierten Garantierente hat für uns hohe Priorität. Wer 30 Versicherungsjahre hat, soll eine Garantierente in Höhe von 30 Entgeltpunkten bekommen. Das wären nach heutigem Stand 960 Euro. Dieser Betrag würde unbürokratisch über die Gesetzliche Rentenversicherung ausgezahlt. Das würde übrigens auch Menschen betreffen, die nur Teilzeit gearbeitet haben.
Auch bezüglich der Bürokratie haben Sie Recht. Es wäre gut, hier etwas einzusparen. Insgesamt ist es dabei aber leider so, dass die Fortschritte zum Abbau von Bürokratie marginal sind, egal ob es um Unternehmen oder eben Sozialtransfers geht. Insofern würde ich da nicht zu viel versprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Danyal Bayaz