Frage an Danyal Bayaz von Heribert K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Dr. Bayaz,
Hand aufs Herz - hätten Sie es gewusst? Mindestlohnbezieher in der Steuerklasse 1 bezahlen bei 40 Wochenstunden Arbeit ca. 90 Euro Lohn- und Kirchensteuer im Monat. Warum wird der Mindestlohn besteuert? Warum müssen Mindestlohnbezieher im Alter wieder Sozialtransfers (Rentenarmut) beantragen? Macht es nicht Sinn, die zwischen steuerlichem Grundfreibetrag und Mindestlohn-Brutto bestehende Differenz zugunsten der DRV zu verbeitragen - also den Lohnsteueranteil als Beitrag der DRV zuzuführen?
1. Im Falle der Verbeitragung benötigen Mindestlohnbezieher im Alter keine Sozialtransfers mehr.
2. Die Bürokratie würde so deutlich auf lokaler Ebene (Bezirk, Landkreise, Städte) abgebaut, weil die Transferquote sinkt.
3. Zukunftsangst würde den Mindeslohnbeziehern zumindest teilweise genommen (AFD-Thema)
4. Die Umschichtung der Steuern zugunsten der Beiträge ist „haushaltsneutral“, da Überschüsse der DRV/KV regelmässig dem erwirtschafteten Haushaltsüberschuss zugeordnet werden (Linke Tasche - rechte Tasche)
5. Der Bundeszuschuss zur DRV von ca. 100 Mrd. Euro könnte so evtl. entlastet werden.
Vielen Dank für Ihre Antwort
H. K.
Sehr geehrter Herr K.,
zunächst entschuldige ich mich für die späte Antwort, das tut mir leid. Ich kann Ihre Überlegungen gut nachvollziehen. Vorab möchte ich aber kurz erwähnen, dass Existenzminimum und Mindestlohn nicht deckungsgleich sind. Das Bundesverfassungsgericht sieht eine verpflichtende Steuerfreistellung des (halbwegs korrekt berechneten) Existenzminimums vor. Ein verfassungsrechtliches Gebot, den Mindestlohn steuerfrei zu stellen, gibt es nicht.
Ich befürworte mit meiner Fraktion die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags. Dadurch würden allen und insbesondere die Steuerpflichtigen entlastet, die weniger verdienen. Eine Anhebung um nur um 100 Euro kostet den staatlichen Haushalt übrigens etwa 700 Millionen Euro, weswegen eine massive Erhöhung auf den von Ihnen geschilderten Fall eines Mindestlohnbeziehers mit 40 Wochenstunden Arbeitszeit sehr teuer wäre. Hier müssen wir wohl mit kleineren Schritten vorangehen.
Und Sie haben Recht, grundsätzlich gebietet es das Gerechtigkeitsgefühl, dass alle Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, eine Rente bekommen, die sie unabhängig von Sozialtransfers macht. Dieses Ziel streben wir an. Allerdings ist es kein Verstoß gegen die Tarifautonomie, wenn die Rente unterhalb der Grundsicherung liegt. Meine Fraktion im Bundestag will eine Garantierente einführen, die in etwa einer Mindestrente entspricht. Sie würde sicherstellen, dass langjährig Versicherte im Alter nicht mehr auf Sozialtransfers angewiesen sind. Die Einführung einer steuerfinanzierten Garantierente hat für uns hohe Priorität. Wer 30 Versicherungsjahre hat, soll eine Garantierente in Höhe von 30 Entgeltpunkten bekommen. Das wären nach heutigem Stand 960 Euro. Dieser Betrag würde unbürokratisch über die Gesetzliche Rentenversicherung ausgezahlt. Das würde übrigens auch Menschen betreffen, die nur Teilzeit gearbeitet haben.
Auch bezüglich der Bürokratie haben Sie Recht. Es wäre gut, hier etwas einzusparen. Insgesamt ist es dabei aber leider so, dass die Fortschritte zum Abbau von Bürokratie marginal sind, egal ob es um Unternehmen oder eben Sozialtransfers geht. Insofern würde ich da nicht zu viel versprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Danyal Bayaz