Frage an Danyal Bayaz von Daniele D. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Hr. Bayaz,
im Zuge meiner Lehrerausbildung schreibe ich zur Zeit eine Hausarbeit zum Thema "Industrie 4.0- die digitale Fabrik".
In diese Arbeit möchte ich gerne eine aktuelle politische Sichtweise mit einbringen.
Da ich in Karlsdorf wohne, kam ich sofort auf Sie.
Es wäre nett, wenn Sie mir folgende Fragen beantworten könnten:
Warum ist Industrie 4.0 notwendig?
Was sind Chancen und eventuelle Risiken von Industrie 4.0?
Facharbeiter von morgen..Was muss sich in Schule/Ausbildung/Hochschule ändern, damit in Deutschland qualifiziertes Personal ausgebildet werden kann?
Über die Beantwortung der Fragen würde ich mich sehr freuen!
Danke im Voraus.
Mit freundlichem Gruß,
D. D. V.
Sehr geehrter Herr de Vincentiis,
Zu Ihrer ersten Frage: Warum ist Industrie 4.0 notwendig?
Europa hat die erste Halbzeit der Digitalisierung verschlafen. Von den 20 größten IT Konzernen weltweit kommt nur ein einziger Konzern aus Europa. Immerhin direkt aus unserer Nähe: die SAP aus Walldorf. In der zweiten Halbzeit geht es jetzt verstärkt um die Kombination von Hardware, wo wir mit dem Internet der Dinge sehr stark sind. Das ist eine große Chance für den Anlagen- und Maschinenbau, aber auch für die Chemie- und Autoindustrie bis hin zu vielen Zuliefer- und Handwerksbetrieben.
Zu ihrer zweiten Frage: Was sind Chancen und eventuelle Risiken von Industrie 4.0?
Die Chancen liegen darin, dass wir Wertschöpfung(sketten) in Deutschland erhalten sowie Technologien und Know How exportieren. Wir erhalten gleichzeitig aber auch Arbeitsplätze der Zukunft vor Ort oder bauen sie sogar aus. Eine Studie von BCG prognostiziert z.B. einen möglichen positiven Netto-Effekt an Arbeitsplätzen.
Weiteren Input finden Sie in der BCG Studie Industry 4.0 (PDF für volle Studie: https://www.bcgperspectives.com/content/articles/engineered_products_p
roject_business_industry_40_future_productivity_growth_manufacturing_i
ndustries/)
Die Risiken von Industrie 4.0 liegen darin, dass wir globale Trends verschlafen und reine Konsumenten von Automatisierung werden, dadurch Jobs verloren gehen und die Spaltung der Gesellschaft zunimmt. Um dem vorzubeugen, müssen wir massiv in Fort- und Weiterbildung investieren, was Sie ja in der nächsten Frage berechtigterweise ansprechen.
Zu Ihrer dritten Frage: Facharbeiter von morgen. Was muss sich in Schule/Ausbildung/Hochschule ändern, damit in Deutschland qualifiziertes Personal ausgebildet werden kann?
Das deutsche Duale Ausbildungsmodell ist einzigartig. Es ist aufgrund seiner hohen Qualität weltweit stark nachgefragt bzw. das Duale Ausbildungsmodell ist für viele andere Länder ein Vorbild. Aber beim Arbeitsmarkt der Zukunft werden sich die Jobanforderungen und Jobprofiele sehr verändern. Daher werden wir auch unsere Ausbildung weiter entwickeln müssen. Dazu gehört das lebenslange Lernen, also kontinuierliche Fortbildung und Qualifizierung, gerade in dynamischen Bereichen. Hier könnte der Staat für die Unternehmen unterstützend wirksam werden, wobei die Unternehmen das organisieren sollten. Des Weiteren gehört dazu die Weiterentwicklung von klassischen Ausbildungsinhalten hin zu stärkerer Kompetenzvermittlung, um flexibler auf Veränderungen reagieren zu können.
Wir alle werden in Zeiten von BigData und künstlicher Intelligenz vor neue Herausforderungen stehen und neue Rollen zugeschrieben bekommen. Damit wir diese ausfüllen können, hilft natürlich ein fundierter und souveräner Umgang mit IT und digitalen Kompetenzen. Aber auch klassische handwerkliche Kompetenzen werden weiterhin gefragt bleiben. Diese sollten bei der Vermittlung in der Ausbildung noch stärker flexibel gestaltet sein.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Danyal Bayaz