Frage an Daniela Wagner von Marco K. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag,
die von den Grünen angepeilten neue Wohlstandskriterien im Gegensatz zum reinen BIP erinnern an die Ausführungen von Meinhard Miegel in seinem Buch "Exit - Wohlstand ohne Wachstum".
Wie realistisch ist es, diese Prinzipien zeitnah durchzusetzen?
Sprich 5-10 Jahre als Zeitraum.
Wollen die Grünen wirklich die Verantwortung übernehmen, dem Bürger das aufhörende materielle Wachstum beizubringen?
Wie kann die Abkehr vom materiellen Konsum massentauglich kommuniziert werden?
Danke :)
Sehr geehrter Herr Klein,
wir wollen eine zukunftsfähige, inklusive und gerechte Gesellschaft, die die ökologischen Grenzen unserer Erde anerkennt und berücksichtigt. Eine nachhaltige solidarische Wirtschaft, die neue Geschäftsfelder für Unternehmen und zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft, sowie VerbraucherInnen Möglichkeiten zu nachhaltigem Konsum eröffnet, ist das Leitbild unserer Politik.
Wir setzten uns also für eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft ein. Ein Paradigmenwechsel ist erforderlich, denn unser gegenwärtiges Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell ist nicht zukunftsfähig. Politik muss gestalten und Leitplanken setzen, innerhalb derer sich eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft entfaltet. Dies bedeutet unter anderem die Setzung fester Grenzen für den Ressourcenverbrauch und eine konsequente ökologische Steuer- und Finanzreform. Unser ökologischer Fußabdruck in Deutschland muss kleiner werden, dazu gehört auch ein Hinterfragen der eigenen Lebensumstände. Suffizienz ist eine „Politik des Genug“ - für alle. Für einige bedeutet dies ein Mehr an Dingen, für andere ein Weniger. Dies soll nicht Verzicht sein, sondern kann zum Beispiel auch Fleischkonsum in Maßen anstatt in Massen bedeuten. Ein Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit kann nur mit der Bevölkerung und nicht gegen sie umgesetzt werden. Es handelt sich nicht um ein „von oben“ diktiertes Programm. Es geht um unsere Zukunft und ein gutes Leben für alle. Es gibt bereits viele Menschen, die zeigen wie ein Leben ohne Wachstumszwang möglich sein kann, sie arbeiten in Gemeinschaftsgärten, nutzen Car Sharing oder organisieren sich in Baugemeinschaften.
Deutschland hat von seiner Vorreiterrolle im Umweltbereich nur profitiert. Gerade aufgrund von strengen Umweltauflagen in den 1980er und 1990er Jahren ist Deutschland in vielen Bereichen Vorreiter bei öko-effizienten Verfahren und Produkten. Schon heute haben deutsche Produkte auf diesem Weltmarkt einen Anteil von 15 Prozent (Green Tech Atlas 2012). Hunderttausende Arbeitsplätze sind in diesem Bereich entstanden.
Wir stehen für einen ökologisch-sozialen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft und haben ein konkretes Indikatorenmodell entwickelt, den Wohlstandskompass, der neben den ökonomischen Aspekten auch den ökologischen und sozialen Zustand unseres Landes abbildet. Der Wohlstandskompass ist einfach, klar kommunizierbar und ermöglicht es, auf einen Blick zu erkennen, wie es um Umwelt, Verteilungsgerechtigkeit und Lebensqualität steht. Durch eine subjektive Umfrage zur Lebensqualität bezieht er die Bevölkerung aktiv mit ein. Unsere Vision: nicht nur das BIP, sondern alle vier Indikatoren werden in den Medien regelmäßig berichtet und kommentiert. Stärkung der Nachhaltigkeitsstrategie: Mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie existiert schon ein Indikatorensatz, der mit Zielwerten hinterlegt und regelmäßig überprüft wird. Wir wollen die unter Rot-Grün etablierte nationale Nachhaltigkeitsstrategie und ihren Indikatorensatz stärken. Die Strategie muss verstärkt genutzt, regelmäßig überprüft und fortentwickelt werden.
Wir denken weiter und wollen auch die Wirtschaftspolitik an den Zielen der Nachhaltigkeit ausrichten. Dazu wollen wir ein neues Wohlstands- und Nachhaltigkeitsgesetz ausarbeiten, dass an die Stelle des überholten „Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes“ tritt. Ein Jahreswohlstandsbericht könnte den Jahreswirtschaftsbericht ablösen.
Wir haben in Deutschland die Technologien, das Wissen und die Fähigkeiten, die ein CO2 neutrales und ressourcenschonendes Wirtschaften möglich machen. In Materialkosteneinsparung, effizienten Produkten und Verfahren liegen enorme wirtschaftliche Chancen für Unternehmen und Potenzial für neue Arbeitsplätze. Diese Chancen sollten wir gezielt nutzen, durch ein innovatives Ordnungsrecht, die Abschaffung klima- und umweltschädlicher Subventionen, eine steuerliche Forschungsförderung, öffentliche Investitionen sowie Marktanreiz- und Forschungsprogramme.
Permanenten Innovationswettbewerb anstoßen: Dafür wollen wir dynamische Effizienzstandards, sogenannte „Top-Runner“ einführen. Das bedeutet, das beste derzeit am Markt befindliche Produkt (z.B. eine Waschmaschine mit niedrigem Wasserverbrauch oder ein stromsparender Fernseher) gibt den Standard vor, der von den Wettbewerbern innerhalb einer bestimmten Frist (z.B. fünf Jahren) erreicht werden muss.
In der Vergangenheit haben Effizienzmaßnahmen häufig nicht zum versprochenen Einspareffekt geführt. Der sogenannte Reboundeffekt macht Effizienzeinsparungen teilweise zu Nichte. Man fährt zum Beispiel spritsparender, dafür aber weitere Strecken; wohnt in energetisch sanierten Wohnungen, aber auf mehr Quadratmetern. Unser ökologischer Fußabdruck in Deutschland muss kleiner werden, dazu gehört auch ein Hinterfragen der eigenen Lebensumstände. Suffizienz ist eine „Politik des Genug“ - für alle. Für einige bedeutet dies ein Mehr an Dingen, für andere ein Weniger. Dies soll nicht Verzicht sein, sondern kann zum Beispiel auch Fleischkonsum in Maßen anstatt in Massen bedeuten. Was wir benötigen ist eine ideologiefreie Diskussion um eine „Politik der Ermöglichung“. Diese unterstützt den Wandel der Lebensstile und schafft Freiräume und Experimentierräume, um Ideen entwickeln zu können und soziale und kulturelle Innovationen umzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Wagner