Frage an Daniela Wagner von Paul S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Hallo Frau Wagner,
ich schaute mir gerade an, wie Sie zum Thema "Bundeswehr im Ausland" stehen und da sah ich, dass Sie mehrmals für Einsätze oder Verlängerungen von Einsätzen der Bundeswehr stimmten.
Woran liegt es, dass die Grünen scheinbar ihren pazifistischen Grundgedanken verloren haben?
Muss ich nun die Linke wählen, wenn ich finde, dass Herr Gisi mit seiner Aussage "Jede Waffe findet ihren Krieg" Recht hat?
Oder wie können wir als Wähler noch signalisieren, dass wir diese Einsätze nicht unterstützen?
mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Saary,
ich bedanke mich für Ihre Frage über meine Haltung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr.
Ich stimme mit Ihnen nicht überein, dass die Grünen ihre pazifistische Haltung verloren haben. Vor allem der Krieg in Bosnien-Herzegowina und das Massaker in Srebrenica haben allerdings vielen vor Augen geführt, dass aus humanitären Gründen ein militärischer Einsatz in manchen Situationen leider unvermeidbar ist. Solche Katastrophen sollen möglichst früh verhindert werden, wozu auch so manche internationale Projekte beitragen. Die Deutsche Bundeswehr und Polizei können zur Stabilität in Krisenregionen beitragen und Bedingungen für dauerhaften Frieden schaffen.
In der nun fast vergangenen Legislaturperiode musste der Bundestag über die Verlängerung u.a. folgender Einsätze entscheiden: KFOR (Kosovo), UNIFIL (Libanon), ISAF (Afghanistan), UNAMID (Darfur) und UNMISS (Südsudan).
Vor allem der Afghanistan-Einsatz ist in der Öffentlichkeit sehr umstritten. Dennoch hat sich eine Handvoll grüner Abgeordnete für die Verlängerung des Einsatzes ausgesprochen. Wir haben die Bundesregierung wegen falscher Entscheidungen und Vorgehen im Rahmen des Einsatzes oft kritisiert und werden dies auch weiterhin tun. Dennoch sind wir der Auffassung, dass Afghanistan nach dem Abzug internationaler Truppen zum jetzigen Zeitpunkt in einen neuen, blutigen Bürgerkrieg fallen würde, was zur Destabilisierung der Region führen würde. Der zivile Aufbau in Afghanistan erfordert ein langfristiges Engagement der internationalen Gemeinschaft und verlässliche Zusagen für Hilfen und Unterstützungsleistungen auch über das Jahr 2014 hinaus. Unsere Gründe für die Zustimmung können Sie im Detail auch in der gemeinsamen Erklärung nachlesen: http://www.daniela-wagner.net/downloads/Abstimmungsbegruendung/120126_perkl_isaf.pdf
Kosovo und Südsudan sind zwei weitere Regionen, in denen die Gewalt sehr schnell wieder eskalieren könnte. Die UN- und NATO-Projekte in diesen Regionen verhindern den Ausbruch der Gewalt und tragen dazu bei, dass die jungen Staaten nach und nach selbständig die Staatsstrukturen und die Sicherheitsverantwortung übernehmen können. Diese internationalen Einsätze verhindern weitere militärische Auseinandersetzungen. Deswegen sind unter dem humanitären Gesichtspunkt solche Bundeswehreinsätze meiner Meinung nach sinnvoll.
Bei meinen Entscheidungen über die deutsche Beteiligung an Auslandseinsätzen stehen humanitäre und menschenrechtliche Aspekte im Vordergrund.
Es ist aus meiner Sicht nicht angemessen, besonders vor dem Hintergrund der Geschichte Deutschlands, uns in internationalen Konflikten komplett rauszuhalten und es nur Soldaten anderer Staaten zu überlassen, den Opfern schwerer Menschenrechtsverletzungen beiseite zu stehen. Aus meiner Sicht gibt es nicht nur eine Gesinnungs- , sondern auch Verantwortungsethik, die uns in extremen Situationen zum Handeln auffordert. Grundlage dafür sollte aber immer ein Mandat der internationalen Staatengemeinschaft sein. Im übrigen ist die Partei Bündnis 90/Die Grünen heute von Genocid Allert zur konsequentesten Partei gekürt worden, die sich für Menschenrechte einsetzt.
Eine wirtschaftliche Ausbeutung der Konflikte lehnen Bündnis 90/Die Grünen nach wie vor ab! Wir wollen deswegen eine restriktive Rüstungsexportpolitik durchsetzen. Laut Friedensforschungsinstitut SIPRI ist Deutschland nach den USA und Russland der weltweit drittgrößte Exporteur von Großwaffensystemen. 2011 gingen nur 32 Prozent der kommerziellen Kriegswaffenausfuhren an Bündnispartner und somit mehr als zwei Drittel an Drittstaaten wie Brunei, Singapur, Irak.
Unter Merkel haben somit die Rüstungsexporte in Krisenregionen drastisch zugenommen. Menschenrechte und Krisenprävention werden kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen der Rüstungskonzerne geopfert. Dabei gibt die Bundesregierung auch noch vor, durch mehr Waffenexporte mehr Stabilität und Sicherheit schaffen zu können. Laut Presseberichten beabsichtigt die Bundesregierung für die nächsten Jahre weitere Exporte, z.B. nach Saudi-Arabien oder Katar, obwohl diese Länder gravierende Menschenrechtsverletzungen begehen.
Dies wollen wir mit einem restriktiven und verbindlichen Rüstungsexportgesetz verhindern. Es kann desweiteren nicht sein, dass über bedeutsame Rüstungsexporte der geheim tagende Bundessicherheitsrat entscheidet und der Bundestag über Rüstungsgeschäfte aus der Presse erfährt.
Der Weg zum Frieden kann letztlich nur über Kompromisse gehen. Diese sind schwierig, brauchen Zeit, Geduld und Bereitschaft aller Beteiligten, die meist nicht sofort vorhanden ist.
Der Einsatz der Bundeswehr und der Polizei für Schulungszwecke kann zum Aufbau der notwendigen Strukturen beitragen, was vielerorts schon geschieht. Jeder weitere Einsatz muss aber weiterhin gründlich überprüft, erwogen und durchdiskutiert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Wagner