Frage an Daniela Wagner von Erika K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Wagner,
ich beziehe mich auf Ausschussdrucksache 17(4)636 – Beschäftigtendatenschutzgesetz.
Ist es richtig:
1. Dass mit § 32 Abs. 1 Satz 2 Arbeitgebern das Recht eingeräumt würde, nach laufenden Ermittlungsverfahren zu fragen?
Nach Rechtsprechung ist z. Zt. nur die Frage nach Vorstrafen zulässig.
2. Dass mit § 32 Abs. 6 Satz 2 Arbeitgebern das Recht eingeräumt würde, öffentlich zugängliche Daten über Beschäftigte zu erheben; zugleich die bisher nach § 33 Abs. 1 BDSG für derartige Datenerhebungen bestehende Informationspflicht entfallen soll?
Warum sollen Arbeitnehmer im Verhältnis zu Arbeitgebern damit schlechter gestellt werden als andere Betroffene?
3. Dass durch § 32 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich die Frage nach einer Behinderung zulässig sein und nur die Frage nach einer Schwerbehinderung durch § 32 Abs. 3 ausgeschlossen sein soll?
Im Ergebnis würde eine Diskriminierung behinderter Menschen möglich werden; zudem fehlt es beim Begriff „Behinderung“ im Unterschied zu der nach SGB IX festgestellten „Schwerbehinderung“ an präzisen Maßstäben.
4. Dass durch § 32c Abs. 2 Arbeitgebern die Möglichkeit eingeräumt würde, für die Planung von Versetzungen Persönlichkeitsprofile der Beschäftigten zu erstellen?
Was wäre dies anders als Vorratsdatenspeicherung auf betrieblicher Ebene?
5. Dass durch § 32c Abs. 3 Nr. 2 Arbeitgebern die Möglichkeit eingeräumt würde, ärztliche Untersuchungen durchführen zu können, wenn eine Versetzung geplant ist?
Wäre dies nicht die Lizenz für Arbeitgeber, eine Beförderung vom Gesundheitszustand abhängig zu machen?
6. Dass durch § 32d Abs. 3 Arbeitgebern eine Lizenz zur Kontrolle erteilt würde, wenn künftig anlasslose Screenings von E-Mails und Internetzugriffen durchgeführt werden können, um zu prüfen, ob es Straftaten aus dem Bereich der Untreue, Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit gegeben hat?
Damit würden Maßnahmen legalisiert, die in der Vergangenheit als Datenschutzskandale galten (z.B. bei der Bahn).
Sehr geehrte Frau Krapp,
ich bedanke mich für Ihre Fragen zum Beschäftigtendatenschutzgesetz, mit denen Sie mehrere wichtige Kritikpunkte ansprechen. Diese sind im Zusammenhang mit dem von der Koalition eingebrachten Gesetzentwurf durchaus berechtigt. Auch die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht die vorgeschlagene Gesetzesinitiative als sehr kritisch.
Der Datenschutz ist ein Bürgerrecht. Jedoch wurde noch nie so viel erfasst, gespeichert und weitergegeben, wie es im Moment in zahlreichen Firmen oder im Internet der Fall ist. Diese persönlichen Daten werden immer häufiger zur Erstellung der von Ihnen bereits erwähnten Profilerstellungen missbraucht.
Viele Datenschutzskandale sind bereits bekannt. Nach dem Willen der Koalition sollen solche Skandale in Zukunft allerdings nicht verhindert, sondern vielmehr sogar legalisiert werden. Demnach soll bereits der Verdacht einer vertraglichen Pflichtverletzung ausreichen, um die Beschäftigten von Privatdetektiven überwachen zu lassen. Desweiteren sollen Bewerberinnen und Bewerber zukünftig einwilligen, dass auf nicht öffentlich zugängliche Daten bei Dritten zugegriffen werden kann. Willkür durch Eignungstests wird weiter erlaubt. Genau diese Form von Datenstriptease entwertet angesichts der Machtverhältnisse jede Einwilligung. Sie steht auch im Widerspruch zu zentralen Vorgaben der EU-Datenschutzreform.
Wir Grüne wollen dem Missbrauch und dem unkontrolliertem Sammeln von persönlichen Daten einen Riegel vorschieben. Wir setzen uns dafür ein, dass Datenschutz als eigenes Grundrecht in das Grundgesetz mit aufgenommen wird, da es ein unveräußerliches Persönlichkeitsrecht jedes Einzelnen ist. Außerdem fordern wir durch eine gesetzliche Neuregelung der Verbraucherrechte und ein umfassendes Gesetz zur Stärkung des betrieblichen Datenschutzes den Schutz von Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmern vor Willkür. Weder im Internet noch am Arbeitsplatz dürfen private Daten ohne ersichtlichen Grund und vor allem ohne das Einverständnis der Betroffenen gesammelt werden.
Es ist die Aufgabe der Regierung, vor der Öffentlichkeit und vor dem Deutschen Bundestag ihren Gesetzentwurf zu erklären. Wir Grüne setzten uns mit unserem Gesetzentwurf allerdings für andere Lösungen ein: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/048/1704853.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Wagner