Frage an Daniela Ludwig von Henry B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Guten Abend Frau Ludwig,
Mich würde es interessieren, weshalb sie für eine Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt haben. Ich schließe aus, dass die Entscheidung ethischer Herkunft ist also würden mich rein rational die Argumente interessieren, die für Sie persönlich für diese Entscheidung sprechen. Ich hoffe sehr, sie können mir meine Frage beantworten - als treuer Wähler aus Rosenheim war ich zugegeben etwas schockiert als ich es erfahren habe. Ich hoffe die Entscheidung basiert auf persönlichen Argumenten und wurde nicht nur gefällt, um es symbolisch den Kollegen der CDU/CSU gleich zu tun. Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen.
MfG H. B.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Ferkelkastration. Dahingehend haben mich und meine Kolleginnen und Kollegen zahlreiche Zuschriften erreicht, deshalb darf ich an dieser Stelle klarstellen, dass auch für meine Fraktion und mich das im Grundgesetz verankerte Staatsziel Tierschutz ein hohes Gut ist. Deshalb fällt uns die Entscheidung, die Übergangsfrist um zwei Jahre zu verlängern, auch nicht leicht. Allerdings waren es gerade Gründe des Tierwohls, die uns dazu bewegen.
Warum hat sich der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD am 1. Oktober 2018 darauf geeinigt, die Übergangsfrist bis zum vollständigen Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration um zwei Jahre zu verlängern? Dies möchte ich Ihnen im Folgenden gerne erläutern: Männliche Ferkel werden kastriert, um den stark urinhaltigen Ebergeruch beim Fleisch mancher Tiere zu vermeiden. Nur so kann zudem das typische Verhalten von Ebern verhindert werden, welches zu erheblichen Verletzungen der Tiere untereinander führen kann. Das Tierschutzgesetz enthält für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen ein Betäubungsgebot, das derzeit bis zum 31. Dezember 2018 ausgesetzt ist. Danach wäre eine Ferkelkastration ohne Betäubung nicht mehr zulässig.
Welche Alternativen stehen gegenwärtig zur Verfügung? Es handelt sich derzeit um drei alternative Verfahren. Diese sind erstens die Durchführung des Eingriffs unter (Voll-)Narkose, zweitens die Impfung gegen Ebergeruch und drittens die Jungebermast. Alle drei Verfahren weisen Nachteile auf, die in den vergangenen fünf Jahren nicht ausgeräumt werden konnten.
Derzeit ist eine (Voll-)Narkose durch den Landwirt noch nicht möglich. Denn das dafür erforderliche Mittel namens Isofluran ist in Deutschland – anders als beispielsweise in der Schweiz – bisher noch nicht zugelassen. Und auch die entsprechende rechtliche Grundlage, damit ein Landwirt mittels Isofluran die Ferkel betäuben kann, ist derzeit noch nicht geschaffen. Lehrgänge für die Schulung der Landwirte und die notwendigen Narkosegeräte fehlen ebenfalls. Verbesserungsbedarf besteht auch bei der Verwendung, um die Anwender keinen gesundheitlichen Risiken auszusetzen.
Auch die Impfung bzw. die Ebermast stellen derzeit noch keine Alternativen dar. Denn bei beiden Methoden kommt es auch weiterhin zu Geruchsauffälligkeiten beim Schweinefleisch. Dieses Fleisch wird in Deutschland kaum gekauft. Der Lebensmitteleinzelhandel nimmt derzeit Eberfleisch und geimpfte Tiere nur in sehr geringen Mengen ab. Eine Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe ist damit derzeit unmöglich.
Was wäre die Folge? Gerade die kleinen Betriebe wären besonders betroffen. Denn diese müssten die erheblichen Mehrkosten gegenüber ihren ausländischen Nachbarn tragen. Diesen Konkurrenzkampf können die kleinen Betriebe nicht bestehen. Damit würde die Ferkelerzeugung ins Ausland abwandern, mit niedrigen Standards. Denn: Auf die Tierschutz-Standards im europäischen Ausland hat Deutschland keinen Einfluss, muss aber wegen des Europäischen Binnenmarkts die Einführung von Ferkeln aus anderen EU-Mitgliedstaaten dulden. Spanien, Polen, Dänemark und die Niederlande haben ihre Schweinebestände bereits aufgestockt und bieten ihre Tiere in Deutschland an.
Umfangreiche Tiertransporte von Ferkeln nach Deutschland wären die Folge. Dies wäre keinesfalls im Sinne des Staatsziels Tierschutz. Vielmehr würde mit millionenfachen Ferkeltransporten aus dem Ausland das genaue Gegenteil erreicht, wofür Sie sich einsetzen. Den Preis würden unsere Landwirte, die Tiere und wir alle als Verbraucher zahlen.
Die CDU/CSU-Fraktion setzt daher gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) alles daran, tierschutzgerechte Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu forcieren. Auf diesem Weg brauchen die Tierhalter in Deutschland aber unsere Unterstützung. Deshalb soll den Landwirten ermöglicht werden, die Betäubung durchzuführen. Dafür müssen die Landwirte dann einen Nachweis erbringen, dass sie sachkundig mit dem Betäubungsgerät und dem Medikament umgehen können. Hierzu benötigen wir aber noch Zeit, die wir mit einer Verlängerung der Übergangsfrist um zwei Jahre gewinnen können.
Ohne die am 29. November 2018 im Bundestag beschlossene und vom Bundesrat am 14. Dezember 2018 bestätigte Übergangslösung stünden viele der kleinen und mittleren Betriebe in Deutschland vor dem Aus. Diesen Strukturbruch müssen wir verhindern – für die kleinen und mittleren Höfe, die ländlichen Regionen, die Verbraucher und den Tierschutz. Ein Aus der Ferkelerzeugung in Deutschland wäre eine Steilvorlage für die Produktion in Ländern mit niedrigeren Standards. Die vereinbarte Übergangsfrist verschafft den Betrieben jetzt Luft zum Atmen. Klar ist aber auch: Alle Verantwortlichen müssen die nächsten beiden Jahre nutzen, um im Sinne des Tierwohls an praktikablen, wissenschaftlich fundierten und marktgängigen Alternativverfahren zu arbeiten. Hierfür müssen jetzt alle zuständigen Akteure eng zusammenwirken – ob in Politik, Wirtschaft, Verwaltung oder Wissenschaft. Dies ist sowohl im Sinne unseres Bekenntnisses zu einer zukunftsfähigen, flächendeckenden Landwirtschaft in Deutschland als auch im Sinne des Tierschutzes.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Ludwig