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Daniela De Ridder
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Frage von Heinz E. •

Frage an Daniela De Ridder von Heinz E. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dr. De Ridder,

wie stehen Sie zum Thema: Bewertungsreserven in Lebensversicherungen.
Da meine Lebensversicherung in Kürze zur Auszahlung ansteht, würde mich Ihre
Meinung dazu sehr interessieren.

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Eilers

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Eilers,

vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de. Ich kann Ihre Gedanken zur Situation der Lebensversicherungen bzw. zur Bedeutung der Bewertungsreserven für Sie sehr gut verstehen. Das Thema birgt - gerade für die direkt Betroffenen wie Sie - eine erhebliche Komplexität. Ich habe daher meinen Kollegen Lothar Bindig gebeten, das Thema für Sie zu beleuchten. Lothar Bindig ist der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion und hat sich dankenswerter Weise sehr ausführlich mit dem Thema beschäftigt. Im folgenden seine Ausführungen, ich hoffe, Ihre Frage wird damit umfassend beantwortet. Ich wünsche Ihnen alles Gute.

Ihre Daniela De Ridder, MdB

Hier nun die Antwort vom Kollegen Bindig:

Um ein Gefühl für die finanzpolitische Dimension zu be­kommen: Die Kapitalanlagen aller deutschen Versicherer betragen 1.400 Mrd. Euro, also 1,4 Billionen Euro, das gesamte Sparvolumen aller privaten Haushalte liegt dagegen unter 200 Milliarden Euro.

Mir, ebenso wie der SPD-Bundestagsfraktion, ist es wich­tig, dass alle Versicherten auch in Zukunft auf die Sicher­heit und Rendite ihrer Vermögensanlage und Altersvorsorge vertrauen können. Das muss so gut wie möglich auch in einer anhaltenden Niedrigzinsphase gelten. Mit der gegen­wärtigen Situation konnte übrigens niemand rechnen. Eine so lange Niedrigzinsphase war nicht vorherzusehen und auch mit der gesetzlichen Regelung ab 2008 konnten die Ver­sicherten, die ihren Vertrag vor 2005 abgeschlossen hatten, nicht rechnen.

Gleichwohl müssen wir realisieren, dass lang andauernd niedrige Zinsen sowohl die Versicherungsgemeinschaft als auch die Versicherungsunternehmen belasten, jedenfalls belasten können. Jedoch allein auf die Bewertungsreserven und die damit ursächlich zusammen hängende Zinsent­wicklung zu schauen, würde sowohl die vollständige Analyse verhindern als auch den Lösungsraum deutlich verkleinern.

Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition wurde verein­bart, Maßnahmen zur Stabilisierung der deutschen Lebens­versicherer bzw. im Interesse der Lebensversicherten zu treffen. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag ein breites Maßnahmenbündel vorschlagen und einen Gesetzentwurf vorlegen. Wie von der SPD gefordert, soll dieses Gesamtkonzept Rücksicht auf die vielen Versicherten nehmen, die jahrelang jeden Monat in „ihre“ Versicherung eingezahlt haben. Technisch aus­gedrückt: wir wollen den Verbraucherschutz im Bereich der Lebensversicherung merklich verbessern.

Deshalb schlage ich Ihnen vor, den Gesetzentwurf abzu­warten und die hinter Ihren Überlegungen stehenden Fragen auf der Grundlage der später verfügbaren, konkreten Vorschläge zu besprechen. Dann könnten wir uns auch gern zu einem Gespräch treffen. Sie könnten sich aber auch auf der Website des Bundesfinanzministeriums informieren.

Sich auf der Grundlage einer teilweise aufputschend fal­schen Medienberichterstattung eine Meinung zu bilden, häufig ohne Quellenangabe, ist nicht sinnvoll. Hoffnungen und Befürchtungen sind mit Blick auf Problemlösungen oft schlechte Ratgeber.

Manchmal, aufgrund der erwähnten Zeitungsberichte oder Fernsehsendungen, vermuten Bürgerinnen oder Bürger, dass langjährig Versicherte, deren Verträge nun kurzfristig auslaufen, jetzt für die Fehler und Versäumnisse der Versicherungsbranche gerade stehen sollen.

Das wollen wir natürlich auch nicht. Allerdings ist es nicht klug, sondern zu einfach, eilfertig „einen Schuldigen“ festzulegen. Mein Brief ist so lang wie das Problem kompli­ziert ist. Und mein Brief ist lang. Dafür bitte ich um Ent­schuldigung. Da Sie sich früher zum Abschluss einer Lebensversicherung entschlossen haben, tragen Sie einer­seits die Solidargemeinschaft aller Versicherten mit, andererseits können Sie sich auf die Solidargemeinschaft Ihrer Versicherung stützen. Allein könnte keiner von uns das Versicherungsprinzip verwirklichen. Dieser Erkenntnis folgend, verwundert es nicht, dass es in Deutschland über 90 Millionen Lebensversicherungsverträge gibt.

Jedenfalls wollen wir bei allen Lösungsvorschlägen an erster Stelle die Versicherungsunternehmen an den Kosten einer Lösung beteiligen. Konzerngewinn und Dividenden­ausschüttung dürfen nicht steigen, während die Auszah­lungen an die Kunden unter Druck geraten. Die Solidarität, die wir zwischen den Versicherten erwarten dürfen, erwar­ten wir auch von den Versicherungsunternehmen, deren Existenz sie überhaupt erst ihren Kunden verdanken. Und ohne Kunden gingen auch die Aktionäre leer aus. Jedes Jahr. Dabei ist es sicher fair, die einzelnen Sparten getrennt zu betrachten und nicht Haftung, Risiko, Rücklagen etc. in der Lebensversicherung mit jenen in z.B. der Reiserück­trittsversicherung zu mischen.

Interessant ist, dass nicht alle Versicherer aufgrund ihrer Garantiezusagen Probleme haben. Einige Bürger meinen sogar, Ursache des Problems sei nicht die Niedrigzins­politik, sondern ehemalige Managementfehler bzw. eine falsche Unternehmensstrategie. Eine gute Idee, denn Unternehmen, die das Zinsänderungsrisiko durch eine entsprechende Kapitalanlagestrategie abgefedert haben, geraten aktuell nicht unter Druck.

Warum sprechen wir überhaupt vom „Problem“ durch Bewertungsreserven (BWR)?

Ursache für unser Problem ist, dass sich die Bewertungs­reserven deutlich erhöht haben, weil die Kurse, also der aktuelle Marktwert hochverzinster Anlagen der Versiche­rungen in der Niedrigzinsphase deutlich gestiegen sind. Ein Beispiel: Nehmen wir an, die Versicherung hat vor einigen Jahren für 100 Euro (Nennwert) Staatsanleihen gekauft und erhält jährlich 5 Prozent Zinsen. Diese Anleihe ist heute natürlich sehr begehrt und hat deshalb vielleicht einen Wert von 120 Euro. Denn wer gegenwärtig sein Geld anlegt, erhält unter einem Prozent Zinsen; also wäre es geschickter sich die alte Anleihe, wenn auch teurer als der Nennwert, zu beschaffen und damit seine Anlage zu 5 Prozent anzu­legen. Die Differenz zwischen dem aktuellen Wert und dem Nennwert von damals, ist praktisch eine stille Reserve. Diese stille Reserve löst sich mit der Endfälligkeit der Staatsanleihe wieder auf, denn das Papier wird dem Staat gegen die 100 Euro zurück gegeben. Der gleiche Effekt entsteht bei steigenden Zinsen, denn dann ist das Papier kaum noch begehrt, man kann sein Geld ja auch aktuell zu höheren Zinsen anlegen und braucht die alte Staatsanleihe nicht. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungs­wirtschaft (GDV) spricht deshalb von „bilanziellen Schein­gewinnen, deren Höhe lediglich von der Laune der Finanzmärkte abhängig ist.“[1]

In Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2005 müssen Versicherte angemessen an den Reserven der Konzerne beteiligt werden. Dieses Urteil wurde im Ver­sicherungsvertragsgesetz in 2007 umgesetzt[2]. Denn schließ­lich sollen die Versicherungskunden angemessen an den mit ihren Beiträgen aufgebauten Kapitalanlagen beteiligt werden, die oft noch beim Versicherer verbleiben, auch wenn der Kundenvertrag längst beendet ist. Seit 2008 müssen demnach ausscheidende Versicherungsnehmer zur Hälfte an den ihnen zugeordneten Bewertungsreserven beteiligt werden. Dies gilt für alle Anlageklassen, unab­hängig davon, ob sich das Zinsniveau in den verschiedenen Anlageklassen unterscheidet. Wir, also „der Gesetzgeber“, hatten damals mit einem solch langfristigen Zinstief nicht gerechnet. Ich vermute, auch die Kunden der Versiche­rungen konnten damit nicht rechnen. Der beschriebene Effekt wirkt nun so, dass ein Versicherungskunde in Zeiten historisch niedriger Zinsen eine Art Sonderausschüttung erhält, wenn sein Vertrag zufällig in einer solchen Phase niedriger Zinsen ausläuft[3]. Der GDV schreibt: „Etwa 5 % der jährlich ausscheidenden Kunden bekommen mitunter mehr an Bewertungsreserven als das, was die 95 % verbleibenden Versicherungsnehmer an laufenden Überschüssen erhalten.“

Die Fachbuchautorin Barbara Sternberger-Frey, die unter anderem für "Öko-Test", Verbraucherzentralen und Gewerk­schaften arbeitet, sieht das ganz anders. Sie schreibt: „Diese Behauptung stimmt nicht oder höchstens für Einzelfälle.“ Sie schreibt weiter:

„Ich habe in meiner Untersuchung für ÖKO-TEST vom Februar dieses Jahres gut zwei Drittel der in Deutschland ansässigen Lebensversicherungsunternehmen untersucht, darunter alle Marktführer, reine oder überwiegende Risiko­versicherer wurden dagegen aussortiert. Bei diesen Unter­nehmen machten die BWR Ende 2012 insgesamt einen Betrag von über 96 Mrd. Euro aus.

Geht man vereinfachend davon aus, dass den 5 % ausschei­denden Kunden auch etwa 5 Prozent dieser BWR zuzu­rechnen sind, wobei sie ja nur zur Hälfte daran beteiligt werden, dann mussten für auslaufende Verträge per Ende 2012 etwa 2,4 Mrd. Euro BWR ausgeschüttet werden.

Für laufende Ausschüttung und ablaufende Verträge in 2013 waren in den Bilanzen aber über 8 Mrd. Euro reser­viert. In dieser Position (festgelegte RfB) sind die auszu­schüttenden (Sockel-)Beteiligungen an der BWR bereits enthalten. Außerdem haben die Kunden 2,1 Mrd. Euro als Direktgutschrift bekommen, auch hier sind BWR enthalten (sofern Versicherer keine Sockelbeteiligung eingeführt haben). Macht insgesamt 10,1 Mrd. Euro Ausschüttung inkl. auszuzahlende BWR. Abzüglich der BWR (2,4 Mrd. Euro) verbleiben rund 7,7 Mrd. Euro für die laufende Ausschüttung an Kunden. Das bedeutet: die laufende Ausschüttung macht mehr als das Dreifache der BWR-Beteiligung aus!

Außerdem erhalten die ausscheidenden Kunden keinesfalls eine wirklich höhere „Auszahlung“, wie oft behauptet wird. Denn die BWR-Beteiligung wird seit 2008 durch die Kür­zung anderer Gewinnbausteine, insbesondere des Schluss­gewinns finanziert. Beispiel: Die Allianz hat bei vielen Tarifen 2008 einfach ein Drittel der bis dato angesammelten Schlussüberschüsse in „Sockelbeteiligung an den BWR“ umetikettiert (Beleg aus der Bilanz von damals liegt mir ebenso vor wie eine Bestätigung dieser Praxis aus einem Schreiben der Allianz an die BaFin!). Ähnlich haben es andere Versicherer gemacht. Im Schnitt wurden seinerzeit zwischen 30 und 40 Prozent der vorhandenen Schluss­gewinne für die neue Beteiligung an den BWR gekürzt.

Seither passen die Versicherer die Beteiligung am Schlussgewinn für ausscheidende Kunden Jahr für Jahr – je nach Höhe der BWR – weiter an, manche haben sie sogar ganz abgeschafft. Auch hier ein Beispiel: Die Debeka hat – zum Beispiel bei Tarifen, die bis 2000 abgeschlossen wurden - den Beteiligungssatz von rund 4 Promille der Versiche­rungssumme in 2006 mittlerweile auf knapp 0,7 Promille in 2013 gekürzt. Und dieser Wert gilt – bei Verträgen ab 1994 – dann auch noch für alle zurückliegenden Vertragsjahre, also ab Vertragsbeginn! Insofern bekommen Altkunden derzeit letztlich nur noch die laufende Überschussbeteili­gung plus BWR. Vom Schlussgewinn bleibt kaum noch etwas übrig.

Unterm Strich macht die Ausschüttung auf keinen Fall mehr aus als die Kunden ohne Beteiligung an den BWR erhalten hätten! Dieses Verfahren hat die Aktuarvereini­gung 2008 bereits angekündigt und seinerzeit unmiss­verständlich klargestellt, dass die neu eingeführte Beteili­gung an den BWR nicht zu einer erhöhten Ausschüttung führen wird – auch wenn das seinerzeit in den Kunden­informationen und jetzt in der Öffentlichkeit seitens der Branche immer wieder behauptet wird. Die Belege dafür liegen mir ebenfalls vor.“ Soweit das Zitat von Barbara Sternberger-Frey.

Nun könnte ein Versicherungsunternehmen die Bewer­tungsreserven auflösen, in dem die Staatsanleihen vorzeitig verkauft würden. Davon würden zwar kurzfristig alle Kunden profitieren, weil die Erträge dann zu 90 Prozent an die Kunden ausgeschüttet werden müssten. Gleichzeitig würde aber die Kapitalanlagerendite im Gesamtbestand aller Anlagen für die Zukunft vermindert und die Ver­sichertengemeinschaft würde sichere künftige Zinserträge verlieren. Was also kurzfristig helfen würde, drückt langfristig auf die Rendite. Theoretisch könnte auch die Risikotragfähigkeit der Versicherung leiden, weil quasi das Tafelsilber verkauft würde.

Schlüpfen wir einen Augenblick in die Gedankenwelt eines Versicherungsmanagers: Wenn ich schon die stillen Reserven, die ich vielleicht niemals realisieren kann, zur Hälfte an die Kunden geben muss, dann sollte ich doch wenigstens die stillen Lasten (in einer Niedrigzinsphase) gegenrechnen können. Stille Lasten entstehen durch langfristige Verpflichtungen gegenüber den Kunden, denn den Kunden ist der Garantiezins zu sichern (Sicherungs­bedarf). Wenn aber nun der Marktzins unter dem Garantie­zins liegt, muss die Versicherung in diesem Moment mehr auszahlen als sie erwirtschaften kann. Um das zu ermög­lichen, braucht sie den Sicherungsbedarf, eine stille Last. Dabei geht es hier nur um festverzinsliche Papiere – die Beteiligung an den Bewertungsreserven aus Aktien und Immobilien wären nicht betroffen.

Mit der Verrechnung von Bewertungsreserven (stille Reser­ve) mit Bewertungslücken (stille Lasten) würden sich die beiden Effekte niedriger Zinsen – Bewertungsreserve aus der Vergangenheit, Sicherungsbedarf in der Zukunft – teilweise kompensieren. So würden dann nur die Bewer­tungsreserven an die Kunden ausgeschüttet werden, die den Sicherungsbedarf übersteigen. Etwa fünf Prozent (Angabe GDV) der Versicherungs­nehmer, deren Verträge aktuell auslaufen, wären an den Bewertungsreserve geringer beteiligt als in den vergangenen Jahren vermutet oder sogar von den Versicherungen selbst erwartet. Soweit die Gedanken des Managers.

Durch die aktuelle Niedrigzinsphase steigt die Bewertung der Reserven an und alle Kunden, deren Verträge aktuell auslaufen, bekommen eine deutlich höhere Bewertungs­reserve ausgezahlt als zum Beispiel noch vor einigen Jahren erwartet. Die aktuell höhere Beteiligung vermindert nach Angaben der Versicherer angeblich jenes Vermögen, aus dem die (anderen) Versicherten künftig Leistungen erhalten sollen.

Diese eigentlich "zu hohe Auszahlung“[4] für die aktuell auszuzahlenden Versicherungs­nehmer schlägt sich künftig in "zu niedrigen" Auszah­lungen nieder. So die Aussagen des GDV in erster Näh­erung. Betrachtet man die Bewertungsreserven isoliert von den anderen Überschussbausteinen der Verträge, kann man das tatsächlich so sehen.

Sie trifft in der Praxis aber nicht zu, denn

1. müssen zur Beteiligung an den Bewertungsreserven keine Hochzinspapiere verkauft werden,

2. lässt sich die künftige Überschussbeteiligung nicht vernünftig abschätzen. Denn sie hängt nicht nur von der künftigen Kapitalmarktentwicklung ab (Zinsen können auch wieder steigen), sondern vor allem von der Ausschüttungspolitik der Versicherer. Solange diese ihre jährlich erwirtschafteten Verträge weiterhin eher auf die hohe Kante, sprich freie RfB und Schlussüberschussanteilsfonds, legen statt die Kunden unmittelbar durch Ausschüttung daran zu beteiligen, spielt die Kapitalmarktent­wicklung nur noch eine untergeordnete Rolle.

3. die Vermögensbasis für künftige Auszahlungen wird nicht durch die Beteiligung von Kunden ablaufender Verträge geschmälert. Mit deren Geld sind die Papiere erst erworben worden. Und infolge der nur 50%igen Beteiligung ausscheidender Kunden bleibt immer noch mehr Geld im Topf des Versicherers als wenn diese Verträge nicht abgeschlossen worden wären. Außerdem hat die Tarifgeneration ab 1994 (Deregulierung) die Kapitalanlagen erst aufgebaut, denn für sie gab es keinen Bestand und kein Kollektiv, in das sie eingetreten sind und von dem sie Papiere "geerbt“ hat, wobei die Teilkollektivierung der RfB durch das SEPA-BegleitG[5] zu berücksichtigen ist. Auch solche Verträge laufen aber gerade aus.

Es ist leicht zu sehen, dass es nicht genügt, nur die Bewertungsreserven zu betrachten, auch wenn die Versicherungsunternehmen uns gern auf diesen einen Aspekt reduzieren möchten. Doch die Überschussbetei­ligung von Lebens- und Rentenversicherungen setzen sich aus vielen verschiedenen Überschusstöpfen zusammen – laufender Überschuss, Schlussüberschuss und Beteiligung an den Bewertungsreserven. Darüber hinaus haben die Versicherer durchaus Möglichkeiten, Gewinne in einem Topf – wie bei den Bewertungsreserven - durch Kürzung der Beteiligung an anderen Töpfen, wie zum Beispiel beim Schlussüberschuss, auszugleichen. Außerdem müssen sie seit 2011 bereits eine Zinszusatzreserve bilden, um die versprochenen Garantieleistung auch in einer langan­dauernden Niedrigzinsphase erbringen zu können. Insofern gibt es hier schon Reservepolster, die ggf. auch ausreichen bzw. die Belastung abfedern. Das muss bei der Diskussion um die Bewertungsreserven angemessen berücksichtigt werden.

Die Regierung hatte schon im vergangenen Jahr einen Lösungsvorschlag erarbeitet - schwierig, weil die erwähnten Änderungen bei den Bewertungsreserven gegenüber den Versicherten zu großen Ungerechtigkeiten führen können. Dieses Vorhaben wurde durch den Bundesrat zunächst gestoppt.

Auch wir, die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion, haben dem Gesetzesentwurf damals nicht zustimmen können. Dies stand im Zusammenhang mit den aus unserer Sicht problematischen Regelungen – im Wesentlichen durch die Reduktion auf die Bewertungsreserven – und resultierte auch daraus, dass uns nicht ersichtlich war, warum eine Stabilisierung der Lebensversicherer aussch­ließlich durch eine Umschichtung unter den Versicherten­gruppen (Kunden) erreicht werden sollte. Wir wollten auch die Versicherungsunternehmen (z.B. mit ihren Gewinnen) und ihre Anteilseigner bzw. Aktionäre an den Kosten beteiligen...

Mitte Dezember letzten Jahres riefen die von der SPD geführten Länder den Vermittlungsausschuss an – er verständigte sich darauf, es bei den Ausschüttungen der Lebensversicherungen zunächst bei der alten Regelung zu belassen.

Die Versicherungsunternehmen führen an, dass Bewer­tungsreserven an sich nur scheinbare Gewinne seien, deren Auszahlung zulasten der restlichen Versicherten gehe. Auch unter Berücksichtigung einer weiteren Entwicklung der Zinsen und der Frage, ob diese weiterhin niedrig blei­ben, muss dennoch im Vordergrund stehen, dass Versiche­rungsunternehmen, die langfristige Verträge anbieten, sicherstellen, dass Versicherungsnehmer weiterhin auf die vereinbarte Rendite ihrer Vermögensanlage vertrauen können. Versicherungsunternehmen müssen dazu Kon­junkturzyklen in ihre Kalkulationen mit einbeziehen.

Inzwischen wird wieder an einer gesetzlichen Regelung gearbeitet. Leider gibt es noch keine Zeitpläne.

In der SPD-Fraktion sind wir sind jedenfalls nach wie vor der Ansicht, dass auch die Versicherungsunternehmen selbst zu einer Stabilisierung beitragen müssen. Deshalb wird an einer Lösung gearbeitet, die sich nicht nur auf die Bewertungsreserven bezieht, sondern auch eine Reihe weiterer versicherungsspezifischer Maßnahmen mitberücksichtigt:

• Kostenstruktur des Vertriebs – angemessene Provisionen

• Regulierung (bessere Transparenz) von Versicherungen - Aufbau und Verwendung der Schlussüberschüsse, der Zinszusatzreserve und der freien RfB (Rückstellung für Beitragsrückzahlung)

• Beteiligung der Eigentümer

• Bewertung bzw. Gewichtung der Anlageklassen

• Anpassung des Höchstrechnungszinses

• Ausschüttungssperren für Dividende

Mit Blick auf meine Vorbemerkungen in diesem Brief denke ich auch an weitere wichtige Elemente in der Bilanz, z.B. an

• die Schlussüberschüsse

• die Zinszusatzreserve

• die freie RfB (Rückstellung für Beitragsrückzahlung)

Die Versicherungen argumentieren, diese starken Bilanz­posten seien ohnehin schon vollständig für die Versicher­ten verplant und stünden zur Lösung gegenwärtiger Pro­bleme nicht zur Verfügung. Wie oben gezeigt, sollten diese Aussagen genauer überprüft werden. Dies ist ein guter Beleg für die Wichtigkeit, warum Versicherungen voll­ständig transparent werden sollten. Dann könnten Kunden und auch politische Gremien die Geschäftspolitik der Versicherungen und auch ihre Eigenkapitalbasis besser verstehen und beurteilen.

Durch die jetzt in Angriff genommene Lösung soll eine möglichst gerechte Auszahlung auch in Zukunft möglich sein. Hoffentlich finden wir auf der Grundlage des Gesetzentwurfs im Parlament eine gute und faire Lösung – auch für Sie. Ohne die erwähnten Bilanzpositionen in den Unternehmen zu vergessen, meine ich damit eine Lösung im Solidarsystem, weil sich die Summe aller individuellen Prognose- und Marktrisiken ungünstig entwickelt hat und sehr stark schwankt.

Hoffentlich können Sie erkennen, dass wir uns anstrengen, eine möglichst faire Lösung für alle Versicherten zu finden.

Falls Sie weitere Informationen benötigen, wäre es von Vorteil, wenn Sie Kontakt mit meinem SPD-Kollegen im Finanzausschuss, Manfred Zöllmer aufnehmen – er ist für diesen Bereich der Berichterstatter.

Mit freundlichen Grüßen,
Lothar Binding, MdB

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[1] Das gilt aber nicht nur für Kursgewinne bei Anleihen, sondern auch für Kursgewinne bei Aktien und sogar für Wertsteigerungen bei Immobilien, die keinesfalls dauerhaften Wert besitzen müssen. Im Übrigen hält kein professioneller Vermögensverwalter eine Festzinsanleihe bis zur Endfälligkeit, sondern ermittelt stets die optimale Haltedauer anhand der Duration. Duration definiert dabei jenen Zeitpunkt, bei dem die Endwert­schwankungen nicht mehr vom Zinsänderungsrisiko abhängen; „allgemein formuliert ist die Duration der gewichtete Mittelwert der Zeitpunkte, zu denen der Anleger Zahlungen aus einem Wertpapier erhält.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Duration).

[2] Hintergrund war, dass laut Bundesverfassungsgericht andernfalls die Eigentumsrechte der Versicherungskunden nicht hinreichend geschützt sind. Denn die Kapitalanlagen werden mit den Beiträgen der Kunden aufgebaut, bleiben aber oft noch im Portfolio der Gesellschaft, wenn der Vertrag des Kunden längst ausgelaufen ist. Mithilfe der Bewertungsreserven kann der Versicherer daher dafür sorgen, dass Erträge aus der Kapitalanlage in die Zukunft verlagert werden, ohne den Kunden angemessen zu beteiligen. Das gilt auch für Festverzinsliche Anleihen – Zerobonds seien hier als Beispiel genannt. (Bei Zerobonds gibt es keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Anleihe. Zinsen und Zinseszins werden erst am Ende der Laufzeit des Zerobonds – zeitgleich mit der Tilgung – komplett gezahlt).

[3] Das gilt aber nur insoweit wie die Bewertungsreserven wirklich als zusätzlicher Gewinnbaustein ausge­schüttet werden und sich die Ablaufleistung dadurch tatsächlich erhöht. In der Praxis wird die erhöhte Leistung bei den Bewertungsreserven dagegen durch Kürzung der Schlussüberschüsse „ausgeglichen“, so dass im Ergebnis kein Cent mehr ausgeschüttet wird.

[4] Die "zu hohe Auszahlung" ist eine Schutzbehauptung der Versicherungsbranche. Die Kunden bekommen in Wahrheit nicht "mehr" Geld – wegen der Verrechnung mit anderen Überschussbausteinen. Allerdings möchte die Branche die Bewertungsreserven gerne selbst nutzen. Laut einem Fachaufsatz der Aktuarvereinigung ist dies für Versicherer die preisgünstigste Möglichkeit, die Zinszusatzreserve zu finanzieren.

[5] SEPA - Single European Payment Area

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