Wie stehen Sie zum parteiübergreifenden Gruppenantrag zu Schwangerschaftsabbrüchen, und wie wollen Sie das Selbstbestimmungsrecht der Frauen wahren?
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass weder Sie noch ich jemals in die Situation kommen werden, eine solche Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch treffen zu müssen. Aus diesem Grund erscheint es mir besonders wichtig, in dieser sensiblen Angelegenheit mit größtem Respekt gegenüber den betroffenen Frauen und deren Entscheidungsfreiheit vorzugehen. Wir sollten uns bewusst sein, dass es hierbei um den weiblichen Körper und deren Selbstbestimmungsrecht geht, das aus meiner Sicht weder wir noch der Staat unverhältnismäßig einschränken sollten.
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Sehr geehrter Herr H.
vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie sich für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen noch in der laufenden Legislaturperiode einsetzen.
Als Mitglied der SPD-Fraktion im Bundestag teile ich Ihre Überzeugung. Schwangerschaftsabbrüche müssen außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden. Wir haben uns als Fraktion sehr klar für eine Stärkung des Selbstbestimmungsrechts, eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und eine bessere medizinische Versorgung von betroffenen Frauen ausgesprochen. Sowohl zur Unterstützung der selbstbestimmten Entscheidung der Frau als auch für den Schutz des ungeborenen Lebens gibt es wirksamere Maßnahmen als das Strafrecht. Dafür haben wir Leitplanken für ein alternatives Schutzkonzept erarbeitet, die Sie in unserem Positionspapier nachlesen können.
Wir sind – wie Sie – davon überzeugt, dass wir gesetzgeberisch handeln müssen. Die aktuelle Regelung berücksichtigt das Grundrecht von Frauen auf Selbstbestimmung nicht ausreichend. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Das Selbstbestimmungsrecht hat heute ein anderes Gewicht. Im europäischen Vergleich ist die Rechtslage in Deutschland mit am restriktivsten. Die strafrechtliche Regelung trägt außerdem zu einer unzureichenden Versorgungslage von ungewollt schwangeren Frauen in Deutschland bei. Teilweise müssen Frauen über 100 km bis zur nächsten Praxis zurücklegen oder sie wenden sich hilfesuchend an Kliniken im Ausland. Auch für einen wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens ist Kriminalisierung und Stigmatisierung nicht zielführend.
§ 218 StGB sollte in seiner jetzigen Form gestrichen werden. Stattdessen sollten klare Voraussetzungen für einen Schwangerschaftsabbruch jenseits des Strafrechts mit einer Frist, die vor der Überlebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Uterus mit gebührendem Abstand endet, geregelt werden. Die Beratungspflicht sollte durch ein Recht auf Beratung ersetzt werden. Ärztinnen und Ärzte sollen im Rahmen der medizinischen Aufklärung auf Beratungsangebote hinweisen. Schwangerschaftsabbrüche sollen als medizinischer Eingriff durch die Krankenkassen finanziert werden. Einen wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens können wir nicht durch Strafandrohung erreichen, sondern durch eine gute Unterstützung von ungewollt schwangeren Frauen und Familien durch verlässliche Kinderbetreuung und gute Familienpolitik.
Wir führen nun Gespräche, um möglichst noch in dieser Legislaturperiode eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu erreichen und eine Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag von der Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts zu überzeugen.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung und Ihr Engagement – es ist entscheidend, um die Debatte gemeinsam voranzubringen und eine gerechte Regelung zu schaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Schneider