Werden Sie dem Antrag 20/ 4886 der CDU/ CSU Fraktion zum Thema ME/ CFS zustimmen?
Sehr geehrter Herr Schneider
, ich gehöre zu den mindestens 500.000 an ME/ CFS Erkrankten Menschen in Deutschland.
Der zum Thema ME/ CFS gestellte Antrag 20/ 4886 wurde, wie sie sicher wissen, am 19.01.2023 im Bundestag diskutiert. Alle Fraktionen waren sich einig, dass dringend etwas passieren muss, um den Erkrankten zu helfen.
Ich würde gerne wissen, ob Sie persönlich dem Antrag zustimmen werden?
Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank und freundliche Grüße
Tanja S.
Danke für die Frage. Die Ampel-Koalition hat den Antrag abgelehnt, da Elemente aus dem Antrag bereits in der Umsetzung der Long-Covid-Strategie des Bundesgesundheitsministers enthalten sind.
Als SPD-Bundestagsfraktion wissen wir, welch langwierigen Leidensweg Menschen und ihre Angehörigen hinter sich haben, bis sie zu dieser niederschmetternden Diagnose gelangen. Sie können sich sicher sein, dass wir Ihre Sorgen und Anliegen sehr ernst nehmen. Das ist auch der Grund, warum die Bundesregierung – das Bundesministerien für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung & Forschung (BMBF) – bereits in enger Abstimmung mit uns im Parlament unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet hat.
Die Erforschung von ME/CFS ist derzeit leider noch unbefriedigend. Die konkreten Ursachen der Erkrankung sind weiter nicht im Detail bekannt, da es sich um ein sehr vielfältiges Krankheitsbild handelt. Grundlagenforschung ist daher das Gebot der Stunde, um Anhaltspunkte für die Entwicklung einheitlicher Diagnosekriterien und wirksamer Therapieansätze zu finden. Das BMBF fördert deshalb bereits die Etablierung der Nationalen Klinischen Studiengruppe „Post-Covid Syndrom und ME/CFS“ zur Durchführung von klinischen Phase II-Studien mit insgesamt zehn Millionen Euro bis Ende 2023. Hier sollen bereits zugelassene Medikamente identifiziert werden, die bei positiven Studienergebnissen schnell in die Versorgung gelangen können.
Das BMG wiederum fördert im Rahmen seiner Ressortforschung derzeit einen Verbund des Klinikums rechts der Isar der TU München und der Charité Berlin. Ziel ist der Aufbau eines altersübergreifenden klinischen Registers mit einer Biodatenbank. Die durch das Register gewonnenen Daten werden explizit auch Patientinnen und Patienten mit ME/CFS nach einer COVID-19-Infektion erfassen.
Die gemeinsamen Anstrengungen der Bundesregierung werden in einem beim BMG angesiedelten Arbeitsstab zwischen den beteiligten Ressorts fortlaufend koordiniert. In die Arbeit des Stabes fließen kontinuierlich auch Hinweise und Forschungsanstrengungen aus aller Welt mit ein. Darüber hinaus hat das BMG das Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bereits im März 2021 damit beauftragt, den aktuellen Wissenstand zu ME/CFS bis Juni 2023 systematisch aufzuarbeiten. Das IQWiG hat gemäß gesetzter Frist bereits am 15.05.2023 einen umfassenden vierteiligen Bericht vorgelegt. Darin wird ausführlich auf den Wissensstand zum Krankheitsbild sowie die Studienlage zu etablierten Therapieverfahren und deren Nutzen eingegangen. Der Bericht stellt fest, dass die Evidenzlage zur Behandlung von ME/CFS schwach und die Erkrankung insgesamt noch wenig verstanden ist. Dennoch wurden Empfehlungen zu notwendigen und weitergehenden Gesundheitsinformationen sowie Handlungsoptionen für die Gesundheitspolitik, Ärzteschaft und Wissenschaft formuliert. Gemeinsam mit der Bundesregierung sind wir nun mit der Auswertung dieser Informationen befasst.
Der Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, hat die Dringlichkeit verstärkter Anstrengungen in Sachen Long-Covid und ME/CFS öffentlichkeitswirksam wiederholt unterstrichen. Der Minister hat daraufhin am 12. Juli 2023 seine BMG-Initiative-Long-Covid vorgestellt. Sie besteht aus drei Teilen:
I. Webseite & Hotline des BMG für Betroffene
Es wurde eine Webseite https://www.bmg-longcovid.de/ des BMG eingerichtet. Sie richtet sich zunächst an Erkrankte aber auch an alle anderen vom Thema betroffenen Gruppen. Sie bietet Antworten zu vielfältigen Fragen und steht auch Angehörige sowie ärztlichem und wissenschaftlichem Personal zur Verfügung. Darüber hinaus wurde eine Long-COVID-Hotline des BMG eingerichtet, an die sich Betroffene direkt wenden können, die Hilfestellung bei der Suche nach passenden Beratungs- und Versorgungsangeboten bietet.
II. Verstärkte Versorgungsforschung
Trotz angespannter Haushaltslage wird das BMG mit einem Förderschwerpunkt zu Long-/Post-Covid die versorgungsnahe Forschung noch stärker in den Fokus rücken. Im Zentrum der Förderung werden Modellprojekte stehen, in denen innovative Versorgungsformen zur Behandlung von Long-/Post-COVID-Betroffenen entwickelt und erprobt werden. Darüber hinaus wird mit dem Förderschwerpunkt die Versorgungsforschung zu Long-/Post-COVID z.B. zu Fragen der Epidemiologie oder auch zur Inanspruchnahme von Versorgungsangeboten forciert.
III. Runder Tisch zu Long-/Post-COVID
Erstmals im September hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen vom Thema betroffenen Gruppen zu einem Runden Tisch eingeladen mit dem Ziel, die Situation der Long-COVID-Versorgung in Deutschland besser zu verstehen – und mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung zu diskutieren. Über die Ergebnisse dieses Austauschs und eine Video-Zusammenfassung finden Sie hier:
https://www.bmg-longcovid.de/diskurs/runder-tisch-long-covid/runder-tisch-september-2023
Nach Auswertung der Ergebnisse soll eine Folgeveranstaltung stattfinden.
Die Ampelkoalition hat sich außerdem in ihrem Koalitionsvertrag auf das Ziel der Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long-COVID und ME/CFS-Betroffene verständigt. Nun wird es darauf ankommen, diese Vereinbarung gemeinsam mit Ländern und Kassenärztlichen Vereinigungen auch umzusetzen. Hierzu laufen zwischen den beteiligten Ressorts der Bundesregierung bereits intensive Gespräche. Mit einer Umsetzung rechne ich derzeit in der zweiten Jahreshälfte 2024.
Selbsthilfevereinigungen und die Akteure des Gesundheitswesens sind aber ihrerseits bereits aktiv geworden und haben Anlaufstellen für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen identifiziert und veröffentlicht. Beispiele sind das Fatigue Centrum der Charité — Universitätsmedizin Berlin oder auch das Netz von Long-Covid-Ambulanzen. Um die Versorgungssituation zügig weiter zu verbessern, haben wir im Parlament bereits mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz im Dezember 2022 den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, gesetzlich damit beauftragt, bis zum 31. Dezember 2023 eine Richtlinie für eine berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung für Personen mit Long-/Post-COVID zu beschließen. Der G-BA kann dabei den Anwendungsbereich der Richtlinie auch auf die Versorgung von ähnlichen oder hiermit in Verbindung stehenden Krankheitsbildern erstrecken. Hierfür käme auch ME/CFS in Betracht.
Uns ist bewusst, dass trotz aller Anstrengungen die Forschungs- und Versorgungslage für die betroffenen Menschen und Ihre Angehörigen derzeit noch nicht zufriedenstellend ist. Darum werden wir nicht nachlassen, auf Ihr Anliegen auch weiterhin im Rahmen unsere Möglichkeiten bei Wissenschaft, Forschung und Ärzt:Innenverbänden hinzuweisen, Fortschritte anzumahnen und durch finanzielle Mittel zu unterstützen.