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Daniel Gritz
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Frage von Nils K. •

Frage an Daniel Gritz von Nils K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Hallo Herr Gritz,
Ihre Beteuerung in ihrer letzten Beantwortung einer Frage zu den Kürzungen an den Hochschulen, Scholz und Stapelfeldt seien die "Studierenden sehr viel Wert", klingt wie die ständig vernommende Beteuerung der Senatorin, man wolle das ja alles gar nicht machen, das mit den Kürzungen, aber man hätte ja von diesem Haushalt nichts gewusst! Jetzt muss man mit den Regierenden also auch noch Mitleid haben, dass Sie sich nicht in der Lage sehen angebliche Sachzwänge zu hinterfragen!??
Zu den einzelnen formalen Umdeutelungen des jetzigen Senats zu den faktischen Kürzungsplänen möchte ich hier gar nichts sagen; dazu reicht eine Verdeutlichung der Lage der Hochschulen, wie sie sich über die letzten Jahre (eher Jahrzehnte) ergeben hat (siehe hierzu eine Übersicht unter: http://www.fsrk.de/artikel_245.html ).
Meine Fragen an Sie, Herr Gritz lauten:

Wenn am 22. Juni die Haushaltspläne ihres Senats in die Bürgerschaft eingebracht wurden, haben Sie dann persönlich auch nur einen Bruchteil des 3m hohen Stapels der Haushaltsbücher gelesen, beschweigedenn kritisch geprüft?

Was halten Sie vom Instrument der "Schuldenbremse", wie es von Scholz in den Himmel gelobt wird? Sehen Sie denn nicht, dass dies ein Instrument ist, den Sozialstaat (wie er übrigens im GG als Grundlage der BRD verankert ist) abzubauen, indem man "Haushaltskonsolidierung" zur Maxime erhebt, während "systemrelevante" Banken nur freiwillig Geld geben müssen um angerichteten Schaden zu beheben?

Sehen Sie in formalistisch-bürokratischen Euphemismen wie der "Steigerung der globalen Minderausgabe", die als faktische Haushaltskürzung die Hochschulen trifft, einen Weg, die angebliche Politikverdrossenheit zu bekämpfen?
Was halten Sie insgesamt von "Mehr Demokratie" als Leitspruch, wo doch gerade im Moment die Notwendigkeit der öffentlichen Diskussion darüber, was eine Gesellschaft (finanziell reich, wie in HH) will, notwendiger wäre denn je?

Ich danke für Ihre Antworten.
Freundliche Grüße
Nils K

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kellermann,

einige Ihrer Fragen sind rhetorisch und daher nicht zu beantworten. Wenn eine Mail GAR keine echte Frage enthält, "filtert" abgeordnetenwatch.de diese und fragt den Befragten fairer Weise, ob er die "Frage" trotzdem zulassen möchte. Ich beschränke mich hier auf die Beantwortung der nicht-rhetorischen Fragen:

Zunächst einmal beträgt der Stapel der Haushaltspläne keine drei Meter, wie sie behaupten. Aus den Erfahrungen der letzten 17 Jahre, die ich neben dem Studium und nebenberuflich als Mitarbeiter mehrerer Bürgerschaftsabgeordneter tätig war, kann ich Ihnen berichten, dass die Höhe von 57,8 Zentimetern in der Regel nicht überschritten wurde. Ich habe mir aber bereits einen Zollstock an die Wohnungstür gelegt und werde morgen noch einmal genau nachmessen. Sollte ich mit dem guten halben Meter spektakulär daneben liegen, werde ich mich sehr schämen und mich bei Ihnen noch mal melden. In der Sache hilft Ihnen diese Information allerdings nicht weiter.

Selbstverständlich aber befassen sich alle 121 Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft sehr intensiv mit den Haushaltsplänen. Da nehme ich alle meine Kolleginnen und Kollegen in Schutz. Wir beschäftigen uns noch die nächsten Wochen in allen Ausschüssen - nicht nur im Haushaltsausschuss - damit. Und jede und jeder Abgeordnete ist Mitglied mehrerer Ausschüsse. Bei mir sind es drei plus eine Stellvertretung im Sportausschuss, also eigentlich vier. Es ist also keinesfalls so, dass die Pläne nächsten Mittwoch eingebracht werden, und dann war es das.

Auch wenn Ihre Frage zur Schuldenbremse ebenfalls rhetorisch ist ("Sehen Sie denn nicht...?"), möchte ich Ihnen eines dazu sagen: Wir sind dazu nicht nur gesetzlich und moralisch verpflichtet, sondern auch finanzpolitisch, wenn wir auch nach 2020 handlungsfähig sein wollen. Luftbuchungen und immer neue Schulden führen dazu, dass die Zinslast immer erdrückender wird. Griechenland möchte ich hier gar nicht erwähnen. Das wäre zu sehr mit dem Holzhammer gehauen. Kein solides Unternehmen würde seinen Betriebs- und seinen Investitionshaushalt so führen, wie die Bundesländer und auch wir hier in Hamburg es in den letzten Jahren getan haben. Privatleute würden ebenfalls nicht so handeln.

Olaf Scholz und Peter Tschentscher sind angetreten, um Seriosität auch in die Hamburger Finanzpolitik zu bringen. Ich finde das gut. Dies wird natürlich hier und da schmerzhaft sein. Ungleich schmerzhafter wäre die Lage jedoch nach 2020 und zwar für alle und vor allem auch im sozialen Bereich, wenn wir jetzt nicht den Hebel umlegen würden. Wir betreiben die Schuldenbremse also nicht für die Banken, wie Sie schreiben, oder für das Großkapital sondern für die Hamburgerinnen und Hamburger.

Im übrigen ist es ja nicht so, dass wir allen Menschen was wegnehmen würden. Im Gegenteil: Wir sorgen für mehr soziale Gerechtigkeit. Denken Sie zum Beispiel mal an Eltern mit Kindern in Kitas aber auch an die Studierenden. Die Hamburger SPD schafft in dieser Legislaturperiode die Studiengebühren wieder ab, weil sie sozial ungerecht sind!

Was die Politikverdrossenheit angeht, glaube ich, Herr K., entsteht sie vor allem dann, wenn man den Leuten etwas verspricht und es dann nicht einhält. Das Schlimmste ist, wenn Politiker von vornherein wissen, dass sie das Versprochene nicht einhalten können und trotzdem so tun, als sei jeden Tag Weihnachten. Oftmals ist es ja sogar völlig durchschaubar, dass eine Partei etwas lediglich aus wahltaktischen Überlegungen verspricht. Und trotzdem werden diese Parteien immer wieder gewählt (allerdings bei kontinuierlicher Abnahme der Wahlbeteiligung). Auch mancher Bundeskanzler hat sich schon 16 Jahre im Amt gehalten...

Zur Politikverdrossenheit trägt auch bei, wenn man beobachtet, dass Parteien in der Opposition anders reden als gestern noch in Regierungsverantwortung und umgekehrt. Und von Show-Nummern, vom Mehr-Schein-als-Sein, vom Schmücken mit fremden Federn haben die Leute ebenfalls genug.

Was unsere Versprechungen betrifft: Olaf Scholz sagt immer (sinngemäß): "Das, was im Wahlprogramm steht, gilt. Und wir schaffen das, wenn wir alle fleißig mitarbeiten, auch umzusetzen!" Ich glaube ihm das. Übrigens ist die SPD 2011 in Hamburg unter anderem gewählt worden, weil wir versprochen haben, auch die Finanzen in dieser Stadt wieder in Ordnung zu bringen. Auch daran wollen wir uns halten!

Zu Ihrer Demokratie-Frage: Demokratie ist für mich die einzig akzeptable Herrschaftsform. Was kann es besseres geben? Demnach finde ich mehr Demokratie natürlich immer gut. Insofern engagieren Sie sich, Herr Kellermann! Werden Sie aktiv! Ich habe miterleben dürfen, wie sich zwei Straßenzüge in Hamburg so beharrlich und unermüdlich gegen den anfänglichen Widerstand der Politik für den Bau einer Lärmschutzwand engagiert haben, bis sie schließlich ihr Ziel erreicht haben. Und zwar nicht aggressiv mit destruktivem Gemecker und Beschimpfungen, sondern in immer neuen Gesprächsrunden mit Politikern auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene. Inhaltlich hervorragend vorbereitet immer mit den Gesprächspartnern auf Augenhöhe mit konstruktiven Vorschlägen und der Bereitschaft, mitanzupacken. Toll!

Ein anderer Weg ist ebenso möglich: Ich habe als Jugendlicher die Erfahrung gemacht, nur zu schimpfen im privaten Umfeld oder unter Gleichgesinnten bringt nichts. Wenn man was bewegen will, muss man Zeit investieren und aktiv werden. Das geht natürlich dort am erfolgreichsten, wo Entscheidungen gefällt werden. Also in der Politik. Und dann tritt man in eine Partei ein nicht wie in einen Fanclub, weil man die Partei ausschließlich toll findet, sondern weil man etwas bewegen möchte und vielleicht auch die eigene Partei mit verändern möchte.

Natürlich sollte man sich diejenige Partei wählen, die von ihrer Programmatik am meisten den eigenen Grundüberzeugungen entspricht. Ich weiß zwar auch, dass es Karrieristen gibt, die in eine beliebige Partei eintreten, nur weil diese gerade an der Regierung ist. Aber das ist eklig.

Die meisten Parteien in Hamburg sind ziemlich demokratisch. ;-) Für die SPD, wie ich sie kenne, kann ich jedenfalls sagen, sie ist es durch und durch. Nicht umsonst hat die SPD einen Bundeskanzler gestellt, der mehr Demokratie gewagt und auch umgesetzt hat. Denken Sie mal an die inneren Reformen der Regierung Brandt/Scheel, Herr Kellermann (vgl. Peter Borowsky, Sozialliberale Koalition und innere Reformen, Bundeszentrale für politische Bildung. Reihe ´Informationen zur politischen Bildung (Heft 258) oder hier: http://www.bpb.de/publikationen/01076900131314521849545168923836,3,0,Sozialliberale_Koalition_und_innere_Reformen.html )!

Insofern kann ich Sie nur herzlich einladen, mitzumischen, sich zu engagieren, Zeit zu investieren und etwas zu bewegen!

Viel Erfolg dabei und mit freundlichen Grüßen

Daniel Gritz