Frage an Danial Ilkhanipour von Ralf Paul R. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau / Sehr geehrter Herr
mit einer Gruppe von Interessierten Wählerinnen und Wählern haben wir ein paar Fragen ausgearbeitet, auf die wir gerne persönliche Antworten der Direkt-Kandidatinnen und -Kandidaten haben möchten.
Wir werden Ihre Antworten in unserem kleinen Forum vortragen und diskutieren.
1.) "Als Bürger der Bundesrepublik Deutschland wünsche ich mir als, über Erststimme direkt in den Bundestag gewählten, Volksvertreter eine Person, die "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" ist (GG §38.1). Wie ernst nehmen Sie in Abstimmungsfragen, bei denen ein (wenn auch versteckter) Fraktionszwang angemahnt wird, die Verpflichtung, nur dem eigenen Gewissen und den Interessen der Wähler Ihres Erststimmen-Wahlkreises gemäß abzustimmen?"
2.) "Die gewaltigen Schuldsummen von Staat und Ländern sind für mich erschreckend und beängstigend.
Welche Lösungsvorschläge sehen Sie, dieses Schuldenfiasko systematisch in den Griff zu bekommen, ohne mit der Ausrede einer ´allgemeinen Haushalts-Notlage´ wichtige und gesellschaftlich unverzichtbare Leistungsbereiche mit Kürzungen oder Streichungen zu belasten?"
3.) "Der in Wahlkampfreden verwendete Arbeitsbegriff ist m.E. heute nicht mehr zeitgemäß, da er nur die herkömmlichen Arbeitsverhältnisse (sprich: Erwerbsarbeit) berücksichtigt. Wie stehen Sie persönlich zum tradierten Begriff ´Arbeit´? Werden Sie Sich persönlich als Volksvertreter für eine Neuausrichtung des Arbeitsbegriffes auf Themenwelten wie Familienarbeit, soziales Engagement, kulturelle Wertschaffung und Ähnliches unter Berücksichtigung einer angemessenen Entlohnung einsetzen? Wie ist Ihre Meinung zu dem Vorschlag eines allgemeinen ´Bürgergeldes´, bzw. einer ´Grundsicherung für Alle´?"
Wir danken für Ihre aufrichtigen Antworten.
i.A. Ralf Randau, Hamburg.
Sehr geehrter Herr Randau,
vielen Dank für Ihre Fragen. Ich freue mich, wenn sich engagierte BürgerInnen zusammenschließen und aktiv am politischen Geschehen teilnehmen. Das spricht für eine lebendige und vielseitige Demokratie.
1. Sie sprechen den so genannten Fraktionszwang an. Ich bin mir sicher, dass es einen solchen in der SPD-Bundestagsfraktion nicht gibt. Für mich ist die Weisungs- und Gewissensfreiheit jedes einzelnen Abgeordneten von hoher Bedeutung. In der SPD ist es üblich, dass wir zusammenkommen und Themen miteinander diskutieren. Hierbei werden Argumente und Positionen ausgetauscht und schließlich eine gemeinsame Position gefunden. Solange es sich nicht um eine Gewissensfrage handelt, wird der fraktionsintern getroffene Beschluss von allen Mitgliedern mitgetragen. Natürlich kann es vorkommen, dass man nicht immer die Mehrheitsmeinung der Fraktion vertritt, aber damit die Fraktion und damit auch das Parlament handlungsfähig bleiben, bedarf es bei bestimmten Fragen einer internen Abstimmung (Fraktionsdisziplin). Eine Fraktion stellt einen freiwilligen Zusammenschluss von Abgeordneten zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen und Ziele in einem Parlament dar. Somit haben die Mitglieder einer Fraktion sich über ihr gemeinsames Interesse zusammengefunden. Bei einer Fraktion handelt es sich somit nicht um eine Gruppe von Einzelinteressen. Jede und jeder kann sich jedoch einbringen und Teil der Meinungsfindung sein. Durch dieses gemeinsame Interesse werden die Entscheidungen von allen Mitgliedern respektiert und gleichzeitig eine auch für die Wähler nachvollziehbare SPD-Linie erkennbar gemacht.
2. Grundsätzlich halte ich einen ausgeglichenen Haushalt und den Schuldenabbau für erstrebenswert, damit unser Land handlungsfähig bleibt. Mit Peer Steinbrück als Bundesfinanzminister waren wir bereits auf einem guten Weg. Jedoch hat die weltweite Wirtschaftskrise dafür gesorgt, dass er zurzeit nicht fortgeführt werden kann. Aus Sicht der SPD sind die Schulden, die in dieser Ausnahmesituation zur Konjunkturstabilisierung aufgewendet werden, notwendig. Diese müssen jedoch in absehbarer Zeit wieder beglichen werden. Für die SPD und mich persönlich ist besonders wichtig, dass beim Abbau der Schulden die notwendigen Investitionen, vor allem in Bildung, Familien, Forschung, Infrastruktur, Kultur oder Sicherheit, nicht ausbleiben. Um den Haushalt erfolgreich zu konsolidieren bedarf es stabiler Einnahmen und Wirtschaftwachstum. Wir setzen auf ein solidarisches Steuersystem, bei dem die Gesamtsteuerlast gerecht, also nach Leistungskraft verteilt wird, so dass diejenigen, die durch hohe Einkommen und Vermögen Vorteile genießen, einen stärkeren Solidarbeitrag leisten. Dass der Starke mehr zahlt als der Schwache ist nicht nur sozial gerecht, sondern auch wirtschaftlich vernünftig. Kontraproduktiv wirken in der heutigen, durch die Krise beeinflussten Zeit, die Steuersenkungsversprechen von CDU/CSU und FDP. Um die Einnahmensituation zu verbessern hat die SPD in ihrem Regierungsprogramm beispielsweise festgeschrieben, dass der Spitzensteuersatz auf 47 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen von 125.000 Euro (Verheiratete 250.000 Euro) als „Bildungssoli“ angehoben wird, damit die Ausgaben für Bildung und Forschung bis 2015 auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden können. Zudem hat die SPD festgeschrieben, dass es eine konjunkturgerechte Schuldenregel bedarf, die das Defizit von Bund und Ländern begrenzt. Durch diese Regeln gibt es einen gewissen Spielraum, der je nach der wirtschaftlichen Lage des Landes angepasst werden kann.
3. Familienarbeit und soziales und gesellschaftliches Engagement sind für mich ein wichtiger Pfeiler unserer Gesellschaft, der nicht immer ausreichend Anerkennung findet. Ich setze mich dafür ein, dass sich dies ändert, halte jedoch eine Neuausrichtung des Arbeitsbegriffs nicht für den richtigen Weg. Unsere Gesellschaft ist und wird eine Arbeitsgesellschaft bleiben. In einer solchen Gesellschaft wird die Erwerbsarbeit maßgeblich über die gesellschaftliche Zugehörigkeit und die Lebens- und Beteiligungschancen der Menschen entscheiden. Ich halte eine Entkopplung von Erwerbsarbeit und Einkommen nicht für richtig und einen Ausstieg aus der Erwerbsarbeit für verfehlt. Auch deswegen stehe ich der Frage des Grundeinkommens differenziert gegenüber und glaube, dass dies gerade bei den Themen, die Sie ansprechen, nicht zielführend ist. Ich denke, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Spaltung der Gesellschaft über den Erwerbsstatus forcieren wird, auch wenn die Erwerbslosen mit einem ausreichend hohen Sozialeinkommen versorgt werden. Gerade weil ich keinen Ausstieg aus der Arbeitsgesellschaft anstrebe, sehe ich im bedingungslosen Grundeinkommen den falschen Weg. Zwar bietet es gegenüber ALG II gewisse Vorteile, da es nicht an Bedingungen geknüpft ist, jedoch wird ein solches Grundeinkommen die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit verlängern. Je länger jemand aus ihrem/seinem Beruf heraus ist und sich anderen Dingen widmet, desto schwieriger ist es wieder in diesen Beruf zurückzukehren. Das kann man heute schon bei Langzeitarbeitslosen erkennen, die selbst bei guter Qualifikation schwer in das Arbeitsleben zurückfinden. Die kann nicht im Interesse der Arbeitslosen bzw. der von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen liegt.
Ich persönlich befürchte zudem, dass das Grundeinkommen die Ungleichbehandlung der Geschlechter forciert. Indem jede und jeder ein Grundeinkommen erhält, könnten tradierte Rollenbilder wieder gestärkt werden. Ich befürchte, dass es zu der von der CSU gewünschten „Herd-Prämie“ kommen könnte. Durch diese rein monetäre Förderung bestünde keine Notwendigkeit für die Gesellschaft, ergänzende Einrichtungen für Familien zu schaffen oder die Familienaufgaben gerecht zwischen den Geschlechtern aufzuteilen. Die bestehende Geschlechterordnung würde also nicht weiter verändert werden, sondern ein „Rollback“ erfahren.
Ich denke, dass wir an dem tradierten Arbeitsbegriff festhalten, aber bürgerliches und soziales Engagement stärken, aufwerten und mehr anerkennen sollten.
Mit freundlichen Grüßen
Danial Ilkhanipour