Frage an Danial Ilkhanipour von Rudolf M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Ilkhanipour,
ich habe eine Frage zum Krieg in Afghanistan: Werden Sie im neugewählten Parlament für eine Fortsetzung dieses völkerrechtswidrigen Krieges stimmen, in dem bisher schon tausende von Zivilisten von den US-Soldaten und ihren Verbündeten ( u.a. Bundeswehr) getötet wurden, obwohl
- die Taliban uns nie angegriffen haben,
- die Taliban auch mit den abenteuerlichsten Verrenkungen nicht mit den Attentaten von New York in Verbindung gebracht werden können,
- die USA seit 6 Jahren den Verteidigungsfall reklamieren, ohne je von Afghanen angegeriffen worden zu sein,
- die Bundeswehr seit langem schon nichts mehr aufbaut,
- 50 Prozent der afghanischen Bevölkerung die jetzige Regierung für schlechter hält als die Taliban-Regierung,
- die Frauen und Mädchen auch nach dem russischen Einmarsch zur Schule gehen konnten (falls das ein Argument sein sollte),
- ein Religionswechsel dort immer noch mit dem Tode bedroht wird.
Es gibt noch viele andere Argumente gegen diesen unsinnigen Krieg. Die Freiheit Deutschlands wird dort nicht verteidigt, sie wird dort massiv gefährdet! Können Sie den Tod eines weiteren Soldaten / einer Soldatin verantworten
fragt R. Mannke
Sehr geehrter Herr Mannke,
vielen Dank für ihre Frage zum schwierigen Thema Afghanistan. Ich sehe die SPD als die Friedenspartei Deutschlands und bin der Auffassung, dass die Entsendung deutscher Soldatinnen und Soldaten in Krisengebiete wie Kosovo und jetzt Afghanistan eine Zäsur in der Geschichte Deutschlands bedeutet. Für mich ist aber auch weiterhin klar, dass militärische Maßnahmen immer nur ultima ratio sein dürfen und es keine Aufweichung des Völkerrechts geben darf. Dies hat schon Gerhard Schröder durch sein Nein zum Irak-Krieg gezeigt. Ich vertrete den Standpunkt, dass Soldatinnen und Soldaten auch zur Stabilisierung von Frieden nur eingesetzt werden dürfen, wenn die Mission durch ein völkerrechtlich bindendes Mandat der UN legitimiert ist und der Deutsche Bundestag dem zugestimmt hat. Der Fall Afghanistans ist jedoch nicht mit dem des Irak zu vergleichen, ich halte die Mission dort für unerlässlich und einen sofortigen Abzugs der Truppen für verfehlt.
Ich möchte die von Ihnen angesprochenen Punkte gerne aufgreifen und meine Sicht und die der SPD erläutern. In dem von ihnen angesprochenen Punkt hinsichtlich der Taliban, muss ich Ihnen widersprechen. Denn das Eingreifen der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan wurde 2001 notwendig, weil das Terrornetzwerk al-Qaida die Anschläge vom 11. September 2001 von Afghanistan aus geplant hatte und die Taliban sich weigerten, die Drahtzieher der Attentate auszuliefern. Aufgrund dessen intervenierte eine internationale Koalition unter Führung der Vereinigten Staaten in Afghanistan und stürzte das Taliban-Regime.
Auch Ihre Aussage, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Krieg handelt, kann ich nicht unterstützen. Die Mission in Afghanistan wurde bereits am 20. Dezember 2001 *auf Ersuchen der neuen afghanischen Regierung *durch die Resolution 1368 des UN-Sicherheitsrates legitimiert (und wird jedes Jahr erneut, zuletzt im September 2008 legitimiert) und zwei Tage später erteilte bereits der deutsche Bundestag das Mandat für die Beteiligung deutscher Soldatinnen und Soldaten am ISAF-Einsatz. Zudem gab es auch bereits im Jahr 2001 in Deutschland eine Konferenz zur politischen Neuordnung Afghanistans, seitdem engagiert sich Deutschland intensiv beim Wiederaufbau in Afghanistan *. Dadurch, dass die Mission in Afghanistan durch das UN und das Bundestagsmandat legitimiert ist, handelt es sich nicht um einen völkerrechtswidrigen Krieg.*
* *
Juristisch betrachtet befindet sich Deutschland sogar weder im Krieg noch in einem Verteidigungsfall nach dem Grundgesetz. Jedoch handelt es sich bei Afghanistan um eine solch unsichere und gefährliche Region, dass ich es für unverzichtbar halte, dass die Bundeswehr vor Ort ist und in diesen Krisengeschüttelten Region Wiederaufbauhilfe leistet, indem die die Stabilisierungs- und Absicherungsprozesse militärisch absichert. Die deutschen Soldatinnen beteiligen sich an dem ISAF-Einsatz, der als unverändertes Ziel hat Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit zu unterstützen, so dass die Menschen, die vor Ort um den Wiederaufbau bemüht sind, in einem sicheren Umfeld arbeiten. Somit nimmt die Bundeswehr eine überaus wichtige Aufgabe in Afghanistan war. Ganz aktuell kann ich anführen, dass die Bundeswehr es mit ermöglicht hat, dass die Wahlen stattfinden konnten. Dass überhaupt Wahlen in Afghanistan stattfinden ist ein Fortschritt. Derzeit nimmt die Bundeswehr die Aufgabe der Sicherung der Auszählung und die Klärung der gewaltsamen Zwischenfälle war. Dies ist unerlässlich, einerseits im Hinblick auf das Wahlergebnis und andererseits auch, weil die Taliban Drohungen gegen Wahlberechtigte und deren Familien ausgesprochen haben. Die Taliban sind noch immer ein Gefahrenherd in Afghanistan und es ist weiterhin Aufgabe der Bundeswehr diesen unter Kontrolle zu bringen. Gerade die vergangenen Wahlen zeigen doch, dass Afghanistan weiterhin die internationale Unterstützung benötigt um die innere und äußere Sicherheit zu schaffen und zu wahren.
Sie sprechen an, ob ich es mit meinem Gewissen vereinbaren kann wieder Soldatinnen und Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Natürlich ist es eine unglaublich schwere Entscheidung das Mandat zu verlängern und weitere Soldatinnen und Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Ich habe viel Respekt vor den Mitgliedern der Bundeswehr, die sich vor Ort für die Sicherheit einsetzen und bin der Meinung, dass wir ihnen für ihren Einsatz dankbar sein sollten. Da sich die SPD bewusst ist, wie schwierig es ist eine solche Entscheidung zu treffen, hat die SPD im Oktober 2006 eine „Task Force Afghanistan“ gegründet, die genau verfolgt was in Afghanistan geschieht, die Strategie überprüft und anpasst und ob ein Verbleib der Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan gerechtfertigt ist. Ich bin davon überzeugt, dass die Bundeswehr weiter ihren Beitrag zu einer friedlichen und freiheitlichen Entwicklung Afghanistans und seiner Menschen leisten wird.
Letztlich kann ich Ihnen sagen, dass ich eine Fortführung der ISAF-Mission für unerlässlich halte und deswegen eine Verlängerung des Mandats unterstützen werde. Ich bin sicher, dass Afghanistan nur ein politischer Neuanfang gelingen kann, wenn das ganze Land erfolgreich stabilisiert wird. Deutschland ist für den Erfolg dieser Mission mitverantwortlich, würden wir das Land jetzt sich selbst überlassen, würde das bisher Erreichte gefährdet werden und es wahrscheinlich zu Chaos oder Bürgerkrieg kommen und das Land wieder zu einem Rückzugsraum für Terroristen werden. Ein Scheitern der Mission hat nicht nur schlimme Folgen für die afghanische Bevölkerung, sondern auch Auswirkungen auf den Rest der Welt.
Ich hoffe Ihre Frage hinreichend beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Danial Ilkhanipour