Frage an Damian Boeselager von Stefanie H. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Was halten Sie von der Idee, den EU-Haushalt deutlich zu erhöhen, nicht unbedingt durch direkte, höhere Beiträge der Nationalstaaten, aber durch neu eingeführte EU-Einnahmequellen à la Sánchez? Welche zukünftigen Einnahmequellen auf EU-Ebene könnten Sie sich vorstellen?
Sehr geehrte Frau H.,
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich bin in der Tat sehr für eine deutliche Erhöhung des EU Haushalts. Das war ich schon vor der COVID-19 Krise (zur Erinnerung: das Europäische Parlament fordert 1.3% des Bruttonationaleinkommens (BNE), aber der Rat hat sich bisher nicht einigen können, und unter Anderem die Bundesregierung hat 1% des BNEs gefordert). Die aktuelle Situation macht es umso mehr nötig, dass wir in Europa kollektiv, schnell und unter demokratischer Aufsicht Mittel für die gemeinsame Krisenbekämpfung aufbringen müssen. Dafür ist der EU Haushalt das beste Instrument.
Die von Ihnen angesprochenen neuen EU-Einnahmequellen unterstütze ich explizit sehr. Sie haben einerseits den Vorteil, dass größere Mittel bereitstehen würden ohne nationale Haushalte übermäßig zu belasten. Sie bringen vor allem aber den Vorteil, dass die nationale Logik der Haushaltsfinanzierung durchbrochen wird, nach der sehr viele Regierungen zuerst darauf schauen, wie viel sie für nationale Zwecke zurückbekommen - anstatt gemeinsam in europäische Lösungen und Projekte zu investieren. Am 23.4.2020 hat das Parlament dies einer Resolution, für die auch ich gestimmt habe, nochmal bekräftigt. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen für neue Eigenmittel: ich befürworte insbesondere die Ausweitung der Einnahmen aus dem Emissionshandel, der sogenannten Plastik-Abgabe, einer Besteuerung von Kerosin und eine einheitliche Untergrenze für die Unternehmenssteuer in der EU. Auch denke ich, dass eine Digitalsteuer für große digitalen Plattform-Unternehmen wie z.B. Google oder Amazon europaweit eingeführt werden sollte und über eine europaweite Finanztransaktionssteuer für professionelle Investoren nachgedacht werden sollte.
Langfristig vertrete ich die Meinung, dass die EU eine eigene Finanzbehörde (inklusive Finanzminister) braucht um beim Erheben dieser Eigenmittel nicht ausschließlich auf die Mitgliedstaaten angewiesen zu sein. Eine echte Fiskalunion braucht darüber hinaus die Möglichkeit, dass der EU-Haushalt zumindest teilweise über am Kapitalmarkt aufgenommene Schulden finanziert werden kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Damian Boeselager