Frage an Damian Boeselager von Jens W. bezüglich Humanitäre Hilfe

Lieber Herr W.,

Meine erste Reise zu Beginn meines Mandats führte mich nach Lesbos, um zu
sehen, wie die Menschen an den EU-Grenzen aufgenommen werden und wie ihre
Fälle bearbeitet werden. Leider war die Situation schlimmer, als ich sie
mir vorgestellt hatte. Das Leid der vielen Menschen vor Ort war
unvorstellbar, die Lebensbedingungen unmenschlich und die Hindernisse, die
den Asylbewerbern in den Weg gelegt werden, nicht nachvollziehbar. Ich
schäme mich für die Unmenschlichkeit der EU in dieser Hinsicht. Nach meiner
Rückkehr habe ich im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten intensiv daran
gearbeitet, die Situation mit allen möglichen Mitteln zu verbessern: Briefe
an die Kommission und die Mitgliedstaaten, parlamentarische Anfragen,
Gesetzesvorlagen und Kampagnen.

Was die Gesetzgebung betrifft, so habe ich im Juni 2021 die Verhandlungen
über die EU-Asylagentur abgeschlossen. Die Verhandlungen dauerten sechs
Jahre, und mit der endgültigen Einigung wurde das derzeitige Europäische
Unterstützungsbüro für Asylfragen in eine vollwertige Agentur mit
erweitertem Mandat, Betrieb und technischer Unterstützung umgewandelt,
einschließlich Unterstützung bei Umsiedlungen und Neuansiedlungen. Trotz
einiger Unzulänglichkeiten im Dossier freue ich mich, dass eine vollwertige
europäische Agentur ihre Arbeit aufnehmen wird. Die Agentur wird auch eine
starke Grundrechtskomponente enthalten, insbesondere durch die Einsetzung
eines Grundrechtsbeauftragten und die Einführung eines
Beschwerdemechanismus für Menschenrechtsverletzungen. Außerdem wird es
einen neuartigen Überwachungsmechanismus geben, der sicherstellen soll,
dass die Mitgliedstaaten in Zukunft für Mängel in ihren Asyl- und
Aufnahmesystemen zur Rechenschaft gezogen werden. In den kommenden Monaten
werde ich an einem neuen Legislativvorschlag arbeiten, der sich mit
Krisensituationen und höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl befasst,
und ich hoffe, ihn so zu gestalten, dass er die Grundrechte von
Asylsuchenden und Flüchtlingen gewährleistet und die Kapazitäten der
Mitgliedstaaten zur Aufnahme, Unterbringung und Bearbeitung erhöht.

Schließlich habe ich eine Kampagne unter www.europewelcomes.org gestartet,
um die Willkommenskultur der EU für Flüchtlinge zu verdeutlichen. Hunderte
von Gemeinden (über 900!) sind bereit, in Lagern gestrandete, aus
unsicheren Ländern umgesiedelte und aus dem Meer gerettete Flüchtlinge
aufzunehmen. Die Kampagne ruft die Bürger auf, ihre Regierungen zu
mobilisieren und unter Druck zu setzen, damit sie mehr für Umsiedlungen und
Neuansiedlungen zusagen. Auf gesetzgeberischer Seite hoffe ich, diese
Kampagne nutzen zu können, um eine stärkere Rolle und ein größeres
Mitspracherecht der bereitwilligen Kommunen bei künftigen
Umsiedlungsprogrammen zu fordern.

Alles Gute
Damian Boeselager