Frage an Dagmar Enkelmann von Jürgen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Enkelmann,
ich bin besorgt. Vielleicht können Sie aber helfen.
Wussten Sie, dass rund 6 Prozent der indischen Bevölkerung Christen sind und ihre Zahl wächst täglich um rund 22.000 Konvertiten. Doch wer als Christ auf dem Subkontinent lebt, hat es schwer. Nicht nur hinduistische Extremisten attackieren Christen und christliche Kirchen regelmäßig. Auch
der indische Staat diskriminiert die Minderheit, etwa durch sogenannte "Anti-Konversionsgesetze", die eine Geld- oder Gefängnistrafe für die Bekehrung zum Christentum androhen.
Deutschland hat tiefe Beziehungen zu Indien (Wirtschaft, Wissenschaft). Wie kann in diesem Rahmen auf eine Verbesserung der Lage der Christen in Indien hingewirkt werden? Was kann Ihre Fraktion dabei tun?
Ich danke Ihnen bereits jetzt für Ihren mutigen Einsatz.
Mit freundlichen Grüßen,
J. Saalfeld
Sehr geehrter Herr Saalfeld,
Ihre Anfrage wird in Kürze beantwortet werden.
Dr. Dagmar Enkelmann
Sehr geehrter Herr Saalfeld,
Außenpolitik ist zunächst vor allem Sache der Bundesregierung. Ich als Bundestagsabgeordnete habe auf diesem Feld - wie auch meine Fraktion DIE LINKE als Ganzes – einen sehr begrenzten Handlungsspielraum.
Um das von Ihnen angesprochene Problem anzugehen, sollte die Bundesregierung vor allem den mit der Republik Indien begonnenen Menschenrechts- und Rechtsstaatsdialog intensivieren.
Dabei verbietet sich - ausgehend von unserer unheilvollen Vergangenheit – jeder belehrende Ton. Bereits zwei Mal wurden Menschen, die sich einer bestimmten Religion zugehörig fühlen, im letzten Jahrhundert in Deutschland ausgegrenzt bzw. bis hin zu ihrer fast völligen Vernichtung verfolgt. Auch ist eine Integrationspolitik der Bundesregierung, die muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger quasi unter Generalverdacht stellt, keinesfalls vorbildlich.
Auch mit der Republik Indien ist der erwähnte Dialog auf gleicher Augenhöhe zu führen unter besonderer Beachtung der staatlichen Souveränität Indiens als Völkerrechtssubjekt. Unter diesen Voraussetzungen sind Angebote zum Aufbau eines effektiven Rechtsstaates, einer effizienten Verwaltung sowie eines umfassenden Bildungssystems denkbar. Gerade die mangelhafte Bildung in den ländlichen Gebieten Indiens ist ein Grund für die Übergriffe auf Christinnen und Christen.
Ohne das Problem relativieren zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass mehrere Quellen - u. a. „open doors“ - von einem Anteil von Christinnen und Christen von 2,3 Prozent an der indischen Bevölkerung ausgehen. Damit wird zumindest die Dimension der Gewalt fassbarer. Schließlich ist zu bemerken, dass das Problem einen starken sozialen Hintergrund hat. So finden die meisten Übergriffe wie angesprochen in ländlichen Gebieten Indiens statt, wo 16 Millionen der etwa 24 Millionen Christinnen und Christen des Landes leben. Diese Menschen gehören zum überwiegenden Teil zudem der Kaste der Dalit („Unberührbaren“) an, die keinerlei Rechte in Indien genießt.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Beziehungen zu Indien stehen auch die Bürgerinnen und Bürger der BRD selbst in der Pflicht. So sollten wir uns informieren, welche Waren in Indien auf welche Weise produziert werden und inwieweit das Verbot von Kinderarbeit beachtet und soziale Mindeststandards eingehalten werden.