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Frage von Regina Grimm, D. •

Frage an Cornelia Pieper von Regina Grimm, D. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Pieper, Ihrer Meinung, dass sich jeder nach seinen Möglichkeiten versichern sollte - angeblich bessere Alternative zur derzeitigen Pflicht- und Privatversicherung- möchte ich entschieden widersprechen. Wie soll sich ein Arbeitsloser, eine alleinstehende Mutter mit Kind, ein Rentner (ehemals DDR- Bürger) dann versichern??
Vielmehr ist eine Solidarität gefordert und auch z.B. Beiträge ,die sich z.B. nach dem Gewicht der Versicherten - gerade in einem Lebensalter zwischen 20 und 40.Lj- richtet.
Ich hoffe nur, dass die Vorstellungen zu diesem Land ,die von der FDP geäußert werden ,nie Wirklichkeit werden.
Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Dr. Grimm,

ich danke Ihnen herzlich für Ihre E-Mail zum Thema „Gesundheitssystem/ liberale Gesundheitsreform“. Sie haben geschrieben, nach unserem Modell, solle sich jeder nach seinen eigenen Möglichkeiten versichern. Richtiger wäre zu sagen, jeder soll sich nach seinen eigenen Bedürfnissen versichern können. Über unsere Vorstellungen in der Gesundheitspolitik existieren einige Vorurteile. Meistens gelten sie als „unsozial“ oder werden mit dem nichts sagenden und falsch verwendeten Begriff „neoliberal“ abgebügelt. Ich möchte Ihnen einmal sehr ausführlich darlegen, was unser Konzept ist. Gerade Sie als Ärztin haben sich sicherlich auch mit der letzten Gesundheitsreform der Bundesregierung beschäftigt.

Das liberale Gesundheitskonzept basiert auf folgenden Grundsätzen:
1 Eigenverantwortung für einen sorgsamen Umgang mit den knappen Ressourcen
2 Effizienz durch mehr Wettbewerb
3 Transparenz über Kostenerstattung
4 Zielgenaue Umverteilung über das Steuersystem
5 Nachhaltigkeit über Altersrückstellungen
6 Wahlfreiheit über die freie Tarifgestaltung
7 Konjunkturunabhängigkeit durch Prämien anstelle lohnbezogener Beiträge
8 Entkoppelung der Gesundheitsausgaben von den Lohnkosten für eine bessere Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft und damit mehr Arbeitsplätze

Weder die Bürgerversicherung von SPD und Grünen noch die Kopfpauschale von CDU/CSU sind geeignet, das absolut drängende Problem zu lösen, wie eine Absicherung im Krankheitsfall in einer alternden Gesellschaft auf zukunftssichere Füße gestellte, die Wachstumshemmung des Krankenversicherungsschutzes beseitigt werden kann und die Bürger mehr Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten erhalten können. Die Bürgerversicherung ist ein kollektivistischer Ansatz, der von der Idee getragen ist, dass Vater Staat besser weiß, was für die Menschen gut als die Menschen selbst. Sie will alle Versicherten in ein heute schon nicht mehr funktionierendes Zwangssystem pressen. Die Kopfpauschale der Union hat zwar den Vorteil, dass die Einkommensumverteilung nicht mehr im Krankenversicherungssystem stattfindet, sondern über das Steuersystem. Die Prämie als Durchschnittswert aller Gesundheitsausgaben einer Krankenkasse dividiert durch die Versicherten ist aber nach wie vor kein verlässlicher Indikator dafür, was der Krankenversicherungsschutz für den Einzelnen kostet. Eine klare Abkoppelung von Krankenversicherungsbeiträgen und Lohnbezug findet nicht statt. Ein einheitlicher Leistungskatalog mit einheitlichen Tarifen und einheitlicher Prämie führt zudem über kurz oder lang zu einer Einheitsversicherung, zumal die PKV gegen die künstlich zu gering gehaltene persönliche Gesundheitsprämie auf Dauer konkurrenzfähig sein wird.

Die FDP setzt auf echte Wahlfreiheit, Wettbewerb, Nachhaltigkeit und steuerfinanzierten Sozialausgleich für diejenigen, die sich den Krankenversicherungsschutz aus eigenen Kräften nicht leisten können.
Vorgesehen werden soll für jeden Bürger eine Pflicht zur Versicherung vor mit einer Beschränkung auf im Krankheitsfall unabdingbare Basisleistungen. Ziel liberaler Gesundheitspolitik ist dabei ein bezahlbarer Krankenversicherungsschutz für alle, der möglichst freiheitlich, effizient und wettbewerblich gestaltet sein soll. Eine privatwirtschaftliche Organisation des Krankenversicherungsschutzes mit Tarifvielfalt, Altersrückstellungen und sozialer Flankierung über Transfers im Rahmen des Bürgergeldes, bei der die Koppelung an das Arbeitsverhältnis aufgehoben und der heutige Arbeitgeberanteil zu einem normalen Teil des Lohns bzw. des Gehalts geworden ist, ist der beste Garant für ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen:

Die Tarifkalkulation erfolgt grundsätzlich nach versicherungstechnischen Kriterien:
1. mit Altersrückstellungen, damit die Finanzierung der Gesundheitskosten über den gesamten Lebenszeitraum hinweg gleichmäßig verteilt wird,
2. mit risikogerechten Beiträgen,
3. mit Versicherung von Neugeborenen unabhängig von ihrem Gesundheitszustand und ohne Risikozuschlägen entsprechend dem Versicherungsumfang der Regelleistungen und
4. ohne Kündigungsrecht der Versicherungsanbieter, um einen lebenslangen Versicherungsschutz zu garantieren.

Anders als im heutigen PKV-System muss jedoch ein Wechsel des Versicherungsunternehmens jederzeit möglich sein, ohne dass hieraus wegen der Altersrückstellungen unzumutbare Nachteile für den Versicherten entstehen.

Die Leistungsabrechnung erfolgt im Wege der Kostenerstattung. Kostenerstattung schafft Transparenz und erhöht das Kostenbewusstsein. Kostenbewusstsein ist die Grundvoraussetzung für einen verantwortungsbewussten Umgang mit knappen Ressourcen. Ärzte und Patienten müssen lernen, auch über die ökonomische Seite einer Behandlung zu reden. Wer den Behandlungsaufwand zunächst selbst bezahlen muss, wird eher ein Gefühl dafür entwickeln, dass ihn seine eigene Gesundheit auch finanziell etwas angeht.
Grundsätzlich zahlt jeder Bürger eine Prämie für seinen Versicherungsschutz. Wie hoch diese ist, hängt entscheidend vom gewählten Umfang des Versicherungsschutzes ab. Wer eine umfassende Versorgung möchte, muss mehr bezahlen. Auch Ehepartner müssen einen eigenen Beitrag bezahlen, sofern die finanzielle Leistungsfähigkeit das zulässt. Für Kinder übernimmt der Staat die Prämie, die damit solidarisch durch die Gemeinschaft der Steuerzahler finanziert wird.

Künftig müssen mehr alte Menschen versorgt werden, auf diese, angesichts der demografischen Entwicklung, Frage geben die anderen Parteien keine Antwort. Die FDP schafft mit ihrem Konzept, das die Bildung von Altersrückstellungen in einer kapital gedeckten Krankenversicherung vorsieht, die Voraussetzungen für eine gleichmäßigere Verteilung der höheren Gesundheitsausgaben im Alter auf die gesamte Lebenszeit ist. Fängt man jetzt mit der Bildung dieser Altersrückstellungen an, sind in einigen Jahren entsprechende Reserven vorhanden, die das Problem zumindest abmildern.

Es wird auf Dauer nur noch private Anbieter für die Absicherung des Krankheitsrisikos geben, die einer staatlich festgelegten Rahmenregelung unterliegen. Die heutigen GKV-Kassen erhalten die Möglichkeit sich umzuwandeln. Diese Versicherer werden untereinander im Wettbewerb stehen. Grundvoraussetzung dafür, dass die Versicherten davon profitieren könne, ist – anders als heute bei den privaten – die Ermöglichung eines Wechsels des Krankenversicherers ohne negative Auswirkungen wegen der Altersrückstellungen.
Das heutige umlagefinanzierte Krankenversicherungssystem birgt viele Ungerechtigkeiten in sich. So ist nicht einzusehen, warum ein Ehepaar mit einem Haushaltseinkommen von 6.000 Euro, das nur durch einen Partner erwirtschaftet wird, nur einen Krankenversicherungsbeitrag von 493,50 Euro bezahlen muss, ein Ehepaar, bei dem jeder Partner 3.000 Euro verdient, jedoch 840 Euro. Umverteilt wird nicht nach Bedürftigkeit, sodass z. B. ein Alleinverdiener mit einem Jahreseinkommen von über 200.000 Euro lediglich einen monatlichen Beitrag von knapp 500 Euro für sich und seine ganze Familie bezahlt. Ein System, das die Kosten für den Krankenversicherungsschutz und eventuell notwendige Transfers, die über das am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichteten Steuersystem finanziert werden, ist viel gerechter.

Der Leistungskatalog muss auf das beschränkt werden, was wirklich notwendig ist. Gegenüber dem heutigen Leistungskatalog können weite Teile des zahnärztlichen Bereichs herausgenommen werden. Insbesondere beim Zahnersatz handelt es sich um eine Leistung, die stark abhängig ist davon, wie viel der Einzelne für seine Zähne tut. Es ist zudem eine in gewissem Maße planbare Maßnahme, für die entsprechend angespart oder freiwillig abgesichert werden kann. Beim Krankengeld soll nur noch das Existenzminimum abgesichert und mit der Versicherung verbunden sein. Das wäre in etwa das Leistungspaket, das man als Basisversorgung gesetzlich vorschreiben würde. Hinzukommt, dass verstärkt mit Selbstbehalten gearbeitet werden soll, um für eine wirtschaftliche Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zu sorgen. Eigenbeteiligung ist eben nicht nur ein Finanzierungsinstrument, sondern auch ein Steuerungsinstrument.
Wettbewerb findet auf der Ebene der Versicherer über preisgünstige Prämien und bedarfsgerechte Tarife mit unterschiedlichen Leistungen statt, über unterschiedlich hohe Selbstbeteiligungen und Selbstbehalte sowie über Serviceleistungen. Grundvoraussetzung ist, dass Versicherte den Anbieter wechseln können, ohne auf ihre Altersrückstellungen komplett verzichten zu müssen, wie das heute der Fall ist.

Wettbewerb muss aber auch auf der Ebene der Leistungsanbieter stattfinden. Es muss eine Vielzahl vertraglicher Gestaltungen geben können, von integrierten Versorgungsnetzen oder –zentren, strukturierten Behandlungsprogrammen, von Qualifikationsanforderungen für spezielle Leistungen usw. Wichtig ist dabei, dass der Versicherte bzw. der Patient im Mittelpunkt steht und nicht der Versicherer. Der beste Wettbewerb findet immer noch über eine Abstimmung mit den Füßen statt. Wer mit seinem Arzt nicht zu frieden ist, wird sich einen anderen suchen und wird andere darüber informieren, ob ein Arzt gut ist oder nicht. Der Versicherte muss die Wahl haben. Es muss ihm grundsätzlich möglich sein, jeden Arzt im Rahmen der Kostenerstattung aufzusuchen, es sei denn, er würde freiwillig einen Tarif wählen, bei dem er sich auf spezielle Behandler einengen lässt.

Ich hoffe, Sie nun nicht mit Informationen überfrachtet zu haben, denke aber, dass es gut ist, auch einmal ausführlicher Stellung nehmen zu können, vor allem ausführlicher, als es in Fernsehsendungen möglich ist. Verständlicherweise ist dabei die Redezeit des einzelnen ja stark eingeschränkt.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Cornelia Pieper, MdB