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Corinna Rüffer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Dietmar K. •

Guten Tag Frau Rüffer, welche Massnahmen laufen aktuell zur Reduzierung der Zahl der Bundestagsabgeordneten auf die gesetzlich vorgeschriebene Zahl?

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Bündnis 90/Die Grünen

Vielen Dank für Ihre Frage und den daraus resultierenden Impuls.

Statt der gesetzlichen Mindestzahl von 598 Abgeordneten, sitzen derzeit 736 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Dies sorgt nicht nur für erhöhte Kosten für den Staatshaushalt und somit für alle Steuerzahlenden, sondern bringt mittlerweile den Plenarsaal in die Nähe seiner räumlichen Grenzen. Nach der VR China, haben wir das Zweitgrößte Parlament der Welt, was angesichts unserer Bevölkerungszahl völlig unangemessen ist.

Unser Wahlsystem, wie es seit Beginn der BRD angewendet wird, kennt Erst- und Zweitstimme. In diesem Wahlsystem hat die Erststimme Vorrang, da der/die Sieger*In im Wahlkreis, auf jeden Fall ins Parlament einzieht. Das „the winner takes it all“- Prinzip.

Seit Beginn der BRD hat sich unser Parteiensystem deutlich diversifiziert. Während früher 2 Volksparteien im Bundestag durch eine kleine Partei ergänzt wurden, sind heute 6 Parteien bzw. Fraktionen im Parlament vertreten. Während früher die Anzahl der Direktmandate (über Erststimme) einer Partei, auch nahe an dem Ergebnis der Zweitstimme war, divergieren Anzahl der Direktmandate und Ergebnis der Zweitstimme, heute völlig auseinander.

Beispiel BTW 2021: Während in Bayern die CSU 43 von 46 Wahlkreisen gewonnen hat, womit ihr automatisch 43 der 92 Sitze zustehen, kommt Sie beim Zweitstimmenergebnis auf 31,7%, wonach ihr 29 Sitze zustehen würde. Es kommt also zu 14 Überhangsmandaten, die wiederum ausgeglichen werden müssen. End-Ergebnis: Statt 92, sitzen derzeit 116 MdB aus Bayern im Bundestag. Das „the winner takes it all“- Prinzip in Kombination mit „schlechteren“ Zweitstimmenergebnissen, führt zu den Überhangs- und Ausgleichsmandaten, die unser Parlament derzeit aufblähen.

Es gab in den letzten Jahren einige Impulse, das Wahlrecht zu verändern, diese scheiterten jedoch immer an den Präferenzen der Parteien. Die eine Seite wollte auf keinen Fall die Erststimme/Direktmandate schwächen, die andere Seite, wollte das Prinzip des Ausgleichens beibehalten. Keine Seite wollte benachteiligt werden.

Wir wollen nun mit einer Wahlrechtsreform das jahrelange Ringen um eine wirksame Verkleinerung des Bundestages zu einem Ergebnis führen. Daher haben wir uns Anfang Juli in den Ampelfraktionen auf ein Eckpunktepapier geeinigt. Mit dem Vorschlag wäre gesichert, dass der Bundestag zur gesetzlichen Regelgröße von 598 Abgeordneten zurückkehren würde. Bundestagsgrößen wie zuletzt mit 736 Abgeordneten würden der Vergangenheit angehören.

Erreicht werden soll das Ziel von konstant 598 Abgeordneten mit der Einführung einer sogenannten Zweistimmendeckung. Die Zuteilung eines Wahlkreismandats an einen Kandidaten beziehungsweise eine Kandidatin mit den meisten Erststimmen erfolgt hiernach nur dann, wenn sein oder ihr Mandat durch das Ergebnis der Zweitstimmen der jeweiligen Partei gedeckt ist. Stehen einer Partei in einem Bundesland nach ihrem dortigen Zweitstimmenergebnis zum Beispiel nur fünf Mandate zu, haben Direktkandidat*innen dieser Partei jedoch in sechs Wahlkreisen dieses Bundeslandes die meisten Stimmen erzielt, kann die- beziehungsweise derjenige mit dem prozentual schwächsten Ergebnis sein Mandat nicht erringen. Das Entstehen von sogenannten Überhangmandaten wird somit von Anfang an ausgeschlossen – Ausgleichsmandate sind nicht mehr notwendig.

Wir wollen für alle Wahlkreise eine Vertretung im Deutschen Bundestag erreichen. Führt das Prinzip der Zweitstimmendeckung dazu, dass die nach den Erststimmen erstplatzierte Kandidatin oder der nach den Erststimmen erstplatzierte Kandidat kein Mandat erhalten kann, so muss die direkte Vertretung des Wahlkreises anderweitig sichergestellt werden. Derzeit gibt es hierfür den Vorschlag, ein „Zweit-Präferenz-System“ einzuführen, bei dem die Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit haben, bei der Wahl des Wahlkreiskandidaten eine zweite Präferenz (Ersatzstimme) abzugeben. Für den Fall, dass ein Wahlkreismandat mangels Zweitstimmendeckung nicht an den oder die Erstplatzierte zugeteilt werden kann, werden die Ersatzstimmen derjenigen Wählerinnen und Wähler, deren Erstpräferenz wegen mangelnder Zweitstimmendeckung des präferierten Kandidaten nicht berücksichtigt werden konnte, zu den Erstpräferenzen der anderen Wähler hinzugezählt. Das Wahlkreismandat erhält der Kandidat oder die Kandidatin, auf den oder die dann insgesamt die meisten Stimmen (Erstimmen und Ersatzstimmen) im Wahlkreis entfallen. Das System der personalisierten Verhältniswahl bleibt konsequent gewahrt.

Freundliche Grüße

Corinna Rüffer 

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