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Clemens Binninger
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Frage von Christoph Große W. •

Frage an Clemens Binninger von Christoph Große W. bezüglich Recht

Hallo Herr Binninger,

wie hier bereits oft nachzulesen ist haben viele Bürger den Eindruck das die CDU mit ihrem gerade (leider nicht komplett) gekippten BKA Überwachungsgesetz einen Überwachungsstaat gründen möchte. Letztendlich habe ich auch den Eindruck, ich kann es sogar nachvollziehen das die Poltik in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Kontrolle über das Volk behalten will - ich kann es nur nachvollziehen aber ich unterstütze dies nicht.

Sie sind verständlichweise der Ansicht das dem nicht so ist. Alllerdigs stellt sich mir die blosse Frage warum man der Bunderegierung noch vertrauen sollte. Ein Aktuelles Beispiel sind die Nacktscanner an Flughäfen - hier wird zunächst behauptet, dass man so einen Unsinn nicht mitmachen möchte. Ein paar Tage später liesst man (z.B hier http://www.golem.de/0812/63862.html ) dass die Bundesregierung heimlich diese Geräte testet. Warum wohl ? Um sie danach natürlich nicht einzusetzen ? Ich denke nicht.

Ähnlich bei der Vorratsdatenspeicherung. Erst gegen terroristen. Als das dann emotional nicht ausgereicht hat gegen Kinderpornografie und dann gegen schwere Straftaten und wo sind wir jetzte ? Daten für die Musikindustrie die dann ganz normale Familienväter mit Klagen überzieht.

Internetseitensperren nur gegen Kinderpornographie ? Nein sicher nicht. Sicher ein gutes Argument um Filter einzurichten aber man möchte natürilch auch (ganz nebenbei) böse Glücksspielseiten gefiltert wissen weil die erwachsenen Bürger der BRD nicht entscheiden können was gut für sie ist bzw. man das Glücksspielmonopol aufrechterhalten will ( http://www.golem.de/0812/63870.html )

Jetzt erklären Sie mir bitte warum ich gerade beim BKA Gesetz welches es z:B ermöglicht Journalisten in Bäugehaft zu nehmen der Bundesregierung vertrauen sollte ? Bisher hab ich keinen Grund finden können. Ich denke den vielen Abgeordneten die gegen das Gesetz gestimmt haben ging es ähnlich.

Mit freundlichen Grüßen Christoph Große Wiesmann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Große Wiesmann,

auch wenn ich aus Ihrer Wortwahl nicht den Eindruck gewinnen kann, dass es Ihnen um eine sachliche Auseinandersetzung mit der Thematik geht, möchte ich doch versuchen, Ihnen meine Position deutlich zu machen.

In den letzten Jahren ist eine rasante Veränderung im Bereich der Kommunikations- und Informationstechnologie zu verzeichnen. Die Beschaffung von Informationen, das Versenden von Nachrichten und Kommunikation ist über Internet und Mobiltelefonie innerhalb kürzester Zeit von nahezu jedem Ort aus möglich. Das bringt im Alltag, im Arbeitsleben und in der Freizeit neue Möglichkeiten und Freiheiten mit sich, die vor zehn Jahren nicht einmal vorstellbar waren. Diese Möglichkeiten können aber genauso auch missbraucht werden. Es werden zum Beispiel Personen von Extremisten über das Internet angeworben und fanatisiert, es werden Bombenbauanleitungen elektronisch verschickt und Anschläge vorbereitet. Auch das wäre noch vor einigen Jahren in dieser Form nicht vorstellbar gewesen.

Ich denke, Sie stimmen mit mir darin überein, dass der Staat hier nicht wegsehen kann, sondern in der Pflicht ist, dieser Entwicklung auch bei der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr Rechnung zu tragen. Wichtig ist dabei, dass wir die Frage von Sicherheit und Freiheit bzw. den Schutz der Persönlichkeitsrechte sehr ernst nehmen. Genau das geschieht auch bei den von Ihnen angesprochenen Maßnahmen und Gesetzen.

Zum BKA-Gesetz:
Das sog. BKA-Gesetz sieht einen sehr begrenzten Einsatzbereich (nämlich die Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus) vor, bei dem der Einsatz einzelner Befugnisse an hohe rechtstaatliche Hürden gebunden ist. Fast alle im BKA-Gesetz enthaltenen Kompetenzen sind nicht neu, sondern stehen seit langem in den Polizeigesetzen der Bundesländer. Nicht zuletzt haben wir uns bei der Formulierung des BKA-Gesetzes an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Es geht darum, das BKA angesichts der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus so aufzustellen, dass es auch zukünftig in der Lage ist, Sicherheit zu gewährleisten und um nichts anderes. Ihre Skepsis ist meiner Ansicht nach völlig unangebracht.

Das zeigt sich auch am von Ihnen angesprochenen Thema Beugehaft. Auch hier lohnt es, die Regelungen etwas genauer zu betrachten. Die sog. Beugehaft/Ersatzzwangshaft hat per se nichts mit dem BKA-Gesetz zu tun und ist auch nicht neu, sondern ist im Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes und auch der Länder als sog. Zwangsmittel zur zwangsweisen Durchsetzung eines Verwaltungsaktes verankert. Die Beugehaft ist dabei die am weitesten gehende Maßnahme (neben anderen wie z. B. Zwangsgeld). Sie kann von einem Gericht angeordnet werden und gegen diese Anordnung sind wiederum Rechtsmittel gegeben.

Das BKA-Gesetz ist sich aber der besonderen beruflichen Funktion, die Journalisten erfüllen, durchaus bewusst und sieht daher in § 20u Abs. 2 eine besondere Prüfung des Einsatzes der Gefahrenabwehrbefugnisse im Zusammenhang mit Journalisten vor. Es ist "eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit unter Würdigung des öffentlichen Interesses an den von dieser Person wahrgenommenen Aufgaben und des Interesses an der Geheimhaltung der dieser Person anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen zu berücksichtigen. Soweit hiernach geboten, ist die Maßnahme zu unterlassen oder soweit dies nach Art der Maßnahme möglich ist, zu beschränken." Das gilt auch für die Auskunftspflicht von Journalisten. Nicht zuletzt diese Regelung macht deutlich, dass bei der Formulierung des BKA-Gesetzes sehr genau abgewogen wurde.

Zum Thema Body-Scanner:
Auch beim Thema Body-Scanner sollte man über die Fakten informiert sein, bevor man ein vorschnelles Urteil fällt. Die Bundesregierung hat im Oktober den Einsatz der heute bestehenden Body-Scanner-Technologie ausgeschlossen, weil damit die Persönlichkeitsrechte des Durchsuchten massiv verletzt werden. Daran hat sich nichts geändert. Das entbindet aber nicht davon, die Forschung bei den richtigen Technologien voranzutreiben. Die Millimeter- und Terahertz-Wellentechnologie, mit denen solche Scanner arbeiten, ist in der Lage, Waffen oder Sprengstoffe zu erkennen, die heute vom Sicherheitspersonal allenfalls durch Abtasten gefunden werden können. Body-Scanner können aber erst dann eingesetzt werden, wenn sie nicht zu einer Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte oder des Gesundheitsschutzes führen. Um das zu erreichen und etwa andere Darstellungsformen der Bilder zu entwickeln, sind Tests und Forschung notwendig. Vor diesem Hintergrund ist bereits seit Monaten öffentlich bekannt, dass die Bundespolizei ab Dezember Laborversuche mit dieser Technologie durchführt. Es handelt sich dabei aber eben nicht um sog. Realtests, die im Flughafenbetrieb stattfinden, wie wir es teilweise aus dem Ausland kennen. Von "heimlichen Tests" kann also nicht die Rede sein.

Zum Thema Telekommunikationsverkehrsdaten:
Es ist Ihnen sicher bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Eilentscheidung vom März 2008 die bestehende Regelung zur sog. Vorratsdatenspeicherung weitgehend bestätigt hat. Das Gericht lässt die Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten und Übermittlung der Daten durch die Telekommunikationsunternehmen an die Strafverfolgungsbehörden zu Strafverfolgungszwecken zu, sofern es sich dabei um schwere Straftaten nach § 100a StPO handelt. Darunter fallen unter anderem terroristische Straftaten und auch die Verbreitung von Kinderpornographie. Nicht im Strafrecht, sondern im Zivilrecht bewegt sich dagegen die Abfrage von Telekommunikationsdaten durch die Musikindustrie. Dem Urheberrecht geht es darum, geistiges Eigentum zu schützen, das z. B. durch die massenhafte illegale Verbreitung von Musikdateien im Internet massiv beeinträchtigt ist. Wie Sie sicher wissen, ist auch geistiges Eigentum vom Grundgesetz geschützt. Auch hier werden im Urheberrecht aber ganz bewusst enge Grenzen für die Herausgabe von Telekommunikationsdaten gesetzt. So dürfen Internet-Protokoll-Daten z. B. an die Musikindustrie nur nach Genehmigung durch einen unabhängigen Richter herausgegeben werden. Auch geschieht dies nur, wenn sich die Urheberrechtsverletzung im geschäftlichen Verkehr abspielt und es sich um eine erhebliche Rechtsverletzung handelt. Handelt es sich generell um einen einfach gelagerten Fall, der mit einer unerheblichen Rechtsverletzung verbunden ist, sind die Kosten für eine erstmalige Abmahnung auf 100 Euro begrenzt, damit eben nicht - wie Sie es formulieren - ganz einfache Familienväter mit Klagen überzogen werden.

Zur Sperrung von Internetseiten:
Die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten ist rechtlich, vor allem aber technisch nicht leicht umzusetzen. Ich denke, es besteht hier Einigkeit, dass möglichst schnell eine Regelung zur Sperrung solcher Seiten gefunden werden muss.

Diese Ausführungen zu den von Ihnen angesprochenen Beispielen zeigen, dass sich unter anderem mit der Entwicklung der Kommunikations- und Informationstechnologie neue Rahmenbedingungen ergeben, denen auch der Gesetzgeber Rechnung tragen muss. Das geschieht - wenn man sich die Mühe macht, die einzelnen Regelungen etwas genauer zu betrachten - in jedem Fall mit Augenmaß. Die teilweise sehr populistisch geführten Debatten zum Thema Überwachungsstaat sind der Sache nicht angemessen und verunsichern die Bürger mehr, als dass sie zur Aufklärung beitragen.

Mit freundlichen Grüßen

Clemens Binninger