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Clemens Binninger
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Frage von Günther B. •

Frage an Clemens Binninger von Günther B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Binninger,
in den letzten Wochen hat es mehrere Entscheidungen des BVG zur inneren Sicherheit gegeben - etwa zur Online-Durchsuchung, zur Kennzeichen-Erfassung oder zur Vorratsdatenspeicherung. Alle haben sie festgestellt, dass die betreffenden Regelungen mit dem Grundgesetz kollidieren oder wie Spiegel online vor kurzem getitelt hat: Karlsruhe bremst erneut den Schnüffelstaat.
Wie stehen Sie als Innenpolitiker zu diesen Urteilen? Viele Stimmen hatten doch schon im Vorfeld Kritik an diesen betreffenden Gesetzen geübt.
Freundliche Grüße
G. Bertram

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bertram,

vielen Dank für Ihre Frage zu den jüngsten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts im Bereich "Sicherheit". Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass die Antwort etwas ausführlicher ausfällt.

Mit Blick auf die drei von Ihnen angesprochenen Entscheidungen sind vorab zwei wesentliche Punkte zu unterstreichen: (1) Karlsruhe hat keine der Maßnahmen - Onlinedurchsuchung, Kennzeichenerfassung oder Vorratsdatenspeicherung - untersagt. Es wurden lediglich die Voraussetzungen, unter denen sie zum Einsatz kommen dürfen, präzisiert und einige Einzelaspekte konkretisiert. (2) Keine der Regelungen, gegen die vor dem Verfassungsgericht geklagt wurde, stammt aus dem Bundesinnenministerium. Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung, das die Vorratsdatenspeicherung regelt, wurde von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) auf den Weg gebracht. Das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz mit Regelungen zur sog. Onlinedurchsuchung stammt aus dem Haus von NRW-Innenminister Dr. Ingo Wolf (FDP). Die Gesetze zur automatischen Erfassung von Kfz-Kennzeichen aus Schleswig-Holstein und Hessen.

Gerne nehme ich auch zu den Entscheidungen im einzelnen Stellung.

- Onlinedurchsuchung/Urteil vom 27. Februar:
Grundsätzlich hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil die Verfassungsmäßigkeit des Ermittlungsinstruments "Onlinedurchsuchung" bestätigt. Die Entscheidung zur Online-Durchsuchung hilft uns, weil sie klare Vorgaben macht, die wir im Entwurf für das neue, sog. Bundeskriminalamtsgesetz berücksichtigen werden.

Karlsruhe hat unter anderem wichtige Aussagen darüber gemacht, wann die Onlinedurchsuchung eingesetzt werden darf. So wird sie nur zur Bewahrung eines überragend wichtigen Rechtsguts eingesetzt werden - also bei drohenden Gefahren für Leib, Leben und Freiheit oder den Bestand des Staates. Auch haben die Richter Verfahrenssicherungen vorgeschrieben. So müssen Onlinedurchsuchungen von einem Richter angeordnet werden und der Kernbereich privater Lebensgestaltung muss gewahrt bleiben (was der Entwurf aus dem Bundesinnenministerium bereits vorsah).

Das Urteil trifft auch eine klare Aussage darüber, dass die Online-Durchsuchung nicht nur zur Gefahrenabwehr, sondern auch zur Strafverfolgung eingesetzt werden darf.

- Kennzeichen-Erfassung/Urteil vom 11. März:
Auch hier hat das Verfassungsgericht die Maßnahme des Kennzeichen-Scannings grundsätzlich für rechtmäßig erklärt. Allerdings müssen zur Durchführung bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Das Urteil beruht im Wesentlichen auf der Argumentation, dass der Anlass und der Ermittlungszweck in den beiden Landesgesetzen nicht ausreichend definiert sind. Damit werden sie dem verfassungsmäßigen Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht gerecht, weil sie nach Ansicht der Richter im Zweifelsfall schwerwiegende Eingriffe das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zulassen.

Ich sehe das Urteil eher kritisch, weil es meiner Einschätzung nach hohe grundrechtliche Hürden für das sog. Kennzeichen-Scanning aufstellt. In der Praxis werden mit den angesprochenen Landesgesetzen Kennzeichen erfasst und mit der Fahndungsdatei abgeglichen, wird kein Treffer erzielt, so werden die erfassten Daten sofort wieder gelöscht! Dieses Vorgehen beanstandet das Urteil nicht und macht deutlich, dass hier kein Grundrechtseingriff vorliegt. Es sieht aber einen Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung gegeben, sobald ein erfasstes Kennzeichen im Speicher festgehalten wird und Grundlage für weitere Ermittlungen wird. Genau das ist allerdings das Ziel des Kennzeichen-Scannings, nämlich die Fahndung nach gestohlenen Fahrzeugen oder Fahrzeugen ohne Versicherungsschutz. Weshalb für jemanden, der mit einem gestohlenen Fahrzeug unterwegs ist, ein erhöhter Grundrechtsschutz gelten soll, leuchtet mir nicht ein. Hier überwiegt meiner Einschätzung nach der Schutz des Eigentums des rechtmäßigen Besitzers.

Damit das Kennzeichen-Scanning möglich ist, wird gesetzlich genau festgelegt werden müssen, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zweck Kennzeichen erfasst werden sollen. Eingriffsintensive Verwendungszwecke wie etwa eine polizeiliche Beobachtung werden nur in sehr begrenztem Rahmen möglich sein. Weniger eingriffsintensive Zwecke, wie die Fahndung nach gestohlenen Fahrzeugen werden mit einer entsprechend eng gefassten gesetzlichen Regelung möglich sein.

- Vorratsdatenspeicherung/Beschluss vom 11. März:
Zentral an diesem Beschluss ist aus meiner Sicht, dass der Hauptkritikpunkt der Beschwerdeführer, nämlich die Speicherung der Verbindungsdaten durch die Telekommunikationsunternehmen für 6 Monate, vom Gericht nicht beanstandet wurde. Deutschland wird damit auch weiterhin der EU-Vorgabe entsprechen, die eine Vorbehaltszeit zwischen 6 Monaten und 2 Jahren vorsieht. Lediglich die Frage, wann die gespeicherten Daten zur Strafverfolgung genutzt werden dürfen, wird in Zukunft möglicherweise stärker zu präzisieren sein.

Bis zur Entscheidung in der Hauptsache hat Karlsruhe aber auch hier das Gesetz zum größten Teil bestätigt. Ohne Einschränkung ist die Nutzung der gespeicherten Daten möglich, wenn es sich um die Verfolgung schwerer Straftaten nach §100 a StPO (wie z. B. Mord, Totschlag, Geldwäsche) handelt. Weiterhin dürfen gespeicherte Daten zur Strafverfolgung genutzt werden, wenn es sich um die Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder solcher, die mittels Telekommunikation begangen wurden, handelt und die Verkehrsdaten von den Unternehmen zu Abrechnungszwecken (und nicht aufgrund der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung) gespeichert wurden. Im Gegensatz zu schweren Straftaten, wurde die Nutzung der Daten bei "nur" erheblichen Straftaten und solchen, die mittels Telekommunikation begangen wurden, vom Gericht leicht eingeschränkt.

Gestatten Sie mir abschließend den Hinweis, dass Sie mich auch direkt per Mail unter clemens.binninger@bundestag.de erreichen können. Informationen über meine Arbeit finden Sie auf meiner Homepage (www.clemens-binninger.de). Dort finden Sie auch meine übrigen Kontaktdaten.

Mit freundlichen Grüßen

Clemens Binninger