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Clemens Binninger
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Frage von Horst M. •

Frage an Clemens Binninger von Horst M. bezüglich Bundestag

Guten Tag Herr Binninger,

meine Wahlentscheidung bei der letzten Bundestagswahl vor 3 Jahren machte ich damals vor allem an meiner Ablehnung der Person "Stoiber" als möglicher Kanzler fest - eine Meinung, welche durch die jüngsten Entwicklungen deutlich bestätigt wird... ;)

Bei der kommenden Wahl (bei der o.g. Problem zudem nicht mehr besteht) habe ich meine Entscheidungsprioritäten jedoch ein wenig anders gelagert. Nach meiner Überzeugung besteht das Hauptproblem der SPD in Berlin derzeit gar nicht so sehr darin, was sie inhaltlich wollen oder nicht wollen, sondern dass sie durch die Blockade der Unionsmehrheit im Bundesrat an vielen Stellen in Ihrer Handlungsfreiheit beschränkt ist.

Dabei mache ich dies der Union insofern nicht zum Vorwurf, als ich mir recht sicher bin, dass die SPD, wenn die Verhältnisse genau umgekehrt wären, auch nicht anders handeln würde. Das ist es halt eben, was eine Opposition tut... ;)

Als Konsequenz hieraus ist mein derzeitiger Gedankengang also der, dass ich mir für die nächsten 4 Jahre anschauen möchte, wie die Union das Ruder herumreißt, die das Problem der Bundesratsblockaden ja dann (zumindest auf absehbare Zeit erst einmal) nicht hätte.

Damit wäre ich dann bei meiner eigentlichen Frage angelangt: Wie stehen Sie zur - ja leider erst kürzlich gescheiterten - Reform des Föderalismus in unserem Land?

Lassen Sie mich zwei Punkte exemplarisch konkretisieren:

Da wäre zum einen das o.g. Problem mit dem Bundesrat. Natürlich sollen die Länder ihre Vertretung haben, aber m.E. ist das derzeitige System hoffnungslos ineffizient. Viele wichtige Entscheidungen müssen durch den Bundesrat, und kommen in der derzeitigen Konstellation eben nicht durch. Von den immensen Kosten, die z.T. redundante Ämter und Ministerien auf Bundes- und Länderebene verschlingen, ganz zu schweigen.

Sind Sie nicht auch der Ansicht, dass es besser wäre, wenn die Koalition, die von den Wählern den Auftrag zur Regierungsbildung bekommt, dann bitteschön auch wirklich eine Legislaturperiode lang Zeit und vor allem die Möglichkeit haben sollte, ihr "Ding" so durchzuziehen, wie sie es für richtig hält, ohne bei jedem zweiten wichtigen Thema auf die Mitarbeit des politischen Gegners angewiesen zu sein?

Und um gleich noch ein ganz konkretes Beispiel anzufügen, wo ich der Ansicht bin, dass der Länderförderalismus völlig fehl am Platz ist: Bildungspolitik. Wir haben derzeit die völlig bizzare Situation, dass in zwei von 16 Bundesländern eine abweichende Rechtschreibung gelehrt wird. Warum? Weil Bildung Ländersache ist. Mir ist durchaus klar, dass ich hier an heiligen Kühen herumwackle, und zwar heilige Kühe gerade für Sie als Lokalpolitiker. Und trotzdem: So etwas Grundlegendes wie Bildung gehört m.E. für einen Staat einheitlich reguliert - es kann doch nicht sein, dass an Schulen Unterschiedliches gelehrt wird, je nach dem, wo in Deutschland ich wohne.

Natürlich bin ich nicht für die Abschaffung der Länder (was ohnehin eine völlig utopische Idee wäre), allerdings fehlt mir - möglicherweise einfach aus meinem "Wohnverhalten" heraus - diese tiefe Verbundenheit mit ihren Regionen, die scheinbar viele unserer Landsleute haben. Ich habe mich z.B. noch nie selbst als "Württemberger" bezeichnet, obwohl ich hier geboren wurde. Ich bin halt entweder ein Stuttgarter, oder ein Deutscher. Aber ich fürchte, da stehe ich wohl relativ alleine da... :)

In Erwartung Ihrer Antworten verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen
Horst Meyer

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Meyer,

da Sie im Kern die gleiche Frage gestellt haben, wie bereits vor Ihnen Herr Ambrosch, bitte ich Sie um Verständnis, dass ich Ihnen auch die gleiche Antwort zum Thema Föderalismusreform gebe:

Eine Bemerkung vorab zu Ihrem Hinweis auf die von Ihnen sog. „Blockade der Unionsmehrheit im Bundesrat“: Wenn der Bundesrat ein von der Mehrheit des Bundestages beschlossenes Gesetz ablehnt, kommt es zur Einsetzung eines Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und Bundesrat. In der jetzigen Legislaturperiode des Bundestags scheiterte nur eines von 90 Gesetzen im Vermittlungsausschuss an der Union: Das Verfütterungsverbotsgesetz. Niemals zuvor in der Geschichte unseres Landes hat in dieser Konstellation zwischen Bundesrat und Bundestag die Mehrheit im Bundesrat mehr Gesetzen zugestimmt und konstruktiver mit der Bundesregierung zusammengearbeitet, als die Union unter dem Vorsitz von Angela Merkel.

Der Föderalismus in Deutschland hat sich grundsätzlich bewährt. Er verteilt die staatliche Macht und schafft zusätzliche Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung. Die mit dem Föderalismus gegebene Vielfalt ermöglicht den Wettbewerb um die jeweils besten Lösungen und die Berücksichtigung regionaler Eigenheiten.

Der Föderalismus in Deutschland ist aber inzwischen verkrustet Im Laufe der Jahrzehnte sind die föderalen Strukturen zu kompliziert geworden. Aus der ursprünglichen Idee, dass Bund und Länder je eigene, klar abgegrenzte Kompetenzen selbstständig wahrnehmen, ist inzwischen ein „Beteiligungsföderalismus“ geworden, der immer weniger eigene Gestaltungsspielräume belässt, der die politischen Entscheidungsprozesse außerordentlich schwerfällig macht und der kaum erkennen lässt, wer auf welcher Ebene die politische Verantwortung für ein Gesetz trägt.

Verlierer dieser Entwicklung sind vor allem die Landesparlamente, die durch Vorgaben des Bundesgesetzgebers kaum noch über Möglichkeiten verfügen, in eigener Kompetenz Regelungen zu treffen, die eng an den Bedürfnissen und Möglichkeiten des Bundeslandes orientiert sind.

Verlierer sind aber auch die Bürger, die die politischen Verantwortlichkeiten nicht mehr klar zuordnen und ihre Wahlentscheidungen entsprechend treffen können. Dies befördert Politikverdrossenheit.

Wir wollen deshalb die Zuständigkeiten von Bund und Ländern entflechten, es wird eine klare Kompetenz-Zuordnung vorgenommen. Alle Politikfelder mit regionalem Bezug sollen nach unserem Willen in die alleinige Regelungsgewalt der Länder fallen. Dies gilt insbesondere

für die regionale Struktur- und Wirtschaftsförderung. Die Länder werden auch voll verantwortlich für die Bildung und für ihren öffentlichen Dienst.

Wenn die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern neu abgegrenzt sind, kann der Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze im Bundesrat deutlich reduziert werden. Mischfinanzierungen bilden künftig die Ausnahme, nicht die Regel. Dabei wird sichergestellt, dass die Länder ihre Aufgaben solide finanzieren können.

Die mit einer solchen Föderalismusreform gewonnenen neuen Gestaltungsspielräume der Länder machen den Weg frei, für einen echten Wettbewerbsföderalismus. Die Länder können untereinander in einen fruchtbaren Wettbewerb um die besten politischen Lösungen eintreten.

Wir werden die Europatauglichkeit des Grundgesetzes verbessern. Dazu werden wir vor allem die Rahmengesetzgebung abschaffen bei gleichzeitigem Erhalt der derzeitigen Gestaltungsspielräume der Länder. Dann kann der Bund künftig EU-Recht „in einem Guss“ umsetzen.

Wir wollen erreichen, dass Bundestag und Bundesrat intensiver als bisher an der europäischen Rechtsetzung mitwirken können. Dabei geht es insbesondere um eine stärkere Durchsetzung des Prinzips der Solidarität, damit auch europäische Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen knappen Ausführungen einen Überblick über unsere Vorstellungen zur zukünftigen föderalen Struktur unseres Landes gegeben zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Clemens Binninger