Frage an Clemens Binninger von Ann-Cathrin F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Binninger,
ich habe eine Frage zur Unterstützung für Opfer der DDR-Diktatur: Der
Bundestag hat eine Rentenzahlung für die Opfer des SED-Regimes verabschiedet. Wer kann diese Rente überhaupt beziehen, nach welchen Kriterien wird hier beurteilt? Wie stehen Sie zu dieser Frage, angesichts der Schieflage in unserer Rentenkasse?
MfG
A-C. Furtwengler
Sehr geehrte Frau Furtwengler,
vielen Dank für Ihre Frage vom 27. März 2007. Gestatten Sie mir den Hinweis, dass Sie mich auch direkt per Mail unter clemens.binninger@bundestag.de erreichen können. Informationen über meine Arbeit finden Sie auf meiner Homepage ( www.clemens-binninger.de ), dort finden Sie auch meine übrigen Kontaktdaten.
Opfern der SED-Diktatur, die mindestens sechs Monate zu Unrecht inhaftiert worden sind, steht zukünftig eine monatliche Zahlung von 250 Euro zu. Bezieher der Opferrente kann nur sein, wer durch eine Entscheidung nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz rehabilitiert wurde. Da die Rehabilitierung Leistungen in Form von Haftentschädigung, rentenrechtlichen Nachteilsausgleich und Unterstützungsleitungen vorsehen, ist als Kriterium für die Opferrente die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Opfers maßgebend. Wirtschaftlich Bedürftiger ist der, dessen monatliches Einkommen derzeit 1.035 Euro (als Alleinstehender) und 1.380 Euro (als Verheirateter) nicht übersteigt. Übersteigt das ermittelte Einkommen die maßgebliche Einkommensgrenze um einen Betrag, der geringer ist als der Betrag der monatlichen Zuwendung, so erhält der Berechtigte die Zuwendung in Höhe des Differenzbetrages. Die Einkommensgrenzen orientieren sich an dem im Sozialhilferecht beschriebenen Leistungen. Insgesamt werden ca. 16.000 Opfer eine Rente erhalten.
Ich bin über diese Beschränk auf Bedürftige nicht sehr glücklich. In meinen Augen sollten Opfer der SED-Diktatur unabhängig von Ihrer heutigen Bedürftigkeit eine Pension erhalten, denn es geht um Menschen, die durch eine Diktatur bitteres Unrecht erfahren mussten. Ich halte daher auch den Begriff der „Opferrente“ für wenig glücklich und plädiere vielmehr für den Begriff der „Ehrenpension“. Deshalb besteht für mich auch kein Zusammenhang mit der gesetzlichen Rentenversicherung und deren finanzieller Schieflage. Der Begriff „Ehrenpension“ scheint mir allerdings nach heutigem Stand der koalitionsinternen Diskussion mit der SPD nicht durchsetzbar.
Wir sind verpflichtet, uns solidarisch gegenüber den Menschen zu verhalten, die unter dem SED-Regime besonders schwer gelitten haben. Diese Opferrente hat daher auch eine moralische Dimension. Sehr viele Opfer des SED-Unrechtsstaates haben schwere Beeinträchtigungen für ihre berufliche Laufbahn hinnehmen müssen. Viele sind an dem erlittenen Unrecht zerbrochen. Wer gegen die Diktatur aufbegehrte und dafür verurteilt wurde, hatte nach der Haft selten die Chance auf einen gut bezahlten Job, auf Weiterbildung und Beförderung. Viele blieben Hilfsarbeiter, wurden in Folge grauenvoller Haftbedingungen immer wieder krank und schließlich invalide. Sie leben heute von Renten auf Sozialhilfeniveau. Und sie haben in den letzten Jahren mit Verbitterung verfolgt, wie die Stützen des Regimes sich vor dem Bundesverfassungsgericht höhere Altersbezüge erstritten. Gerade in dieser Zeit, in der manche ehemaligen Stasi-Offiziere ganz unverblümt die eigene Vergangenheit verharmlosen und sich reinwaschen wollen, ist dies ein klares Zeichen gegen das Vergessen. Ich lehne einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung des DDR-Unrechts ab.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger MdB