Frage an Clemens Binninger von Marc A. bezüglich Bundestag
Wie gedenkt ihre Partei die Einflussnahmemöglichkeiten des Bundesrats und damit die Anzahl der zustimmungspflichtigen Gesetze soweit zurückzudrängen, dass die parteipolitische Instrumentalisierung desselben und die daraus resultierende schon zig Jahre andauernde Blockade der jeweiligen Regierungspolitik endlich aufhört ??? ( diese Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass wir ja schon seit zwei Legislaturperioden eine " de facto" grosse Koalition haben )
Sehr geehrter Herr Ambrosch,
vielen Dank für Ihre Mail. Gerne bin ich bereit, Ihnen die Vorstellungen von CDU und CSU für eine notwendige und sinnvolle Föderalismusreform darzulegen. Zuvor möchte ich aber noch eine Bemerkung zu Ihrem Hinweis auf die „seit zig Jahren andauernde Blockade zwischen Bundestag und Bundesrat“ machen: Wenn der Bundesrat ein von der Mehrheit des Bundestages beschlossenes Gesetz ablehnt, kommt es zur Einsetzung eines
Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und Bundesrat. In der jetzigen Legislaturperiode des Bundestags scheiterte nur eines von 90 Gesetzen im Vermittlungsausschuss an der Union: Das Verfütterungsverbotsgesetz. Niemals zuvor in der Geschichte unseres Landes hat in dieser Konstellation zwischen Bundesrat und Bundestag die Mehrheit im Bundesrat mehr Gesetzen zugestimmt und konstruktiver mit der Bundesregierung zusammengearbeitet, als die Union unter dem Vorsitz von Angela Merkel.
Der Föderalismus in Deutschland hat sich grundsätzlich bewährt. Er verteilt die staatliche Macht und schafft zusätzliche Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung. Die mit dem Föderalismus gegebene Vielfalt ermöglicht den Wettbewerb um die jeweils besten Lösungen und die Berücksichtigung regionaler Eigenheiten.
Der Föderalismus in Deutschland ist aber inzwischen verkrustet Im Laufe der Jahrzehnte sind die föderalen Strukturen zu kompliziert geworden. Aus der ursprünglichen Idee, dass Bund und Länder je eigene, klar abgegrenzte Kompetenzen selbstständig wahrnehmen, ist inzwischen ein „Beteiligungsföderalismus“ geworden, der immer weniger eigene
Gestaltungsspielräume belässt, der die politischen Entscheidungsprozesse außerordentlich schwerfällig macht und der kaum erkennen lässt, wer auf welcher Ebene die politische Verantwortung für ein Gesetz trägt.
Verlierer dieser Entwicklung sind vor allem die Landesparlamente, die durch Vorgaben des Bundesgesetzgebers kaum noch über Möglichkeiten verfügen, in eigener Kompetenz Regelungen zu treffen, die eng an den Bedürfnissen und Möglichkeiten des Bundeslandes orientiert sind.
Verlierer sind aber auch die Bürger, die die politischen Verantwortlichkeiten nicht mehr klar zuordnen und ihre Wahlentscheidungen entsprechend treffen können. Dies befördert
Politikverdrossenheit.
Wir wollen deshalb die Zuständigkeiten von Bund und Ländern entflechten, es wird eine klare Kompetenz-Zuordnung vorgenommen. Alle Politikfelder mit regionalem Bezug sollen nach unserem Willen in die alleinige Regelungsgewalt der Länder fallen. Dies gilt insbesondere für die regionale Struktur- und Wirtschaftsförderung. Die Länder werden
auch voll verantwortlich für die Bildung und für ihren öffentlichen Dienst.
Wenn die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern neu abgegrenzt sind, kann der Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze im Bundesrat deutlich reduziert werden. Mischfinanzierungen bilden künftig die Ausnahme, nicht die Regel. Dabei wird sichergestellt, dass die Länder ihre Aufgaben solide finanzieren können.
Die mit einer solchen Föderalismusreform gewonnenen neuen Gestaltungsspielräume der Länder machen den Weg frei, für einen echten Wettbewerbsföderalismus. Die Länder können untereinander in einen fruchtbaren Wettbewerb um die besten politischen Lösungen eintreten.
Wir werden die Europatauglichkeit des Grundgesetzes verbessern. Dazu werden wir vor allem die Rahmengesetzgebung abschaffen bei gleichzeitigem Erhalt der derzeitigen Gestaltungsspielräume der Länder. Dann kann der Bund künftig EU-Recht „in einem Guss“ umsetzen.
Wir wollen erreichen, dass Bundestag und Bundesrat intensiver als bisher an der europäischen Rechtsetzung mitwirken können. Dabei geht es insbesondere um eine stärkere Durchsetzung des Prinzips der Solidarität, damit auch europäische Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen knappen Ausführungen einen Überblick über unsere Vorstellungen zur zukünftigen föderalen Struktur unseres Landes gegeben zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger