Frage an Clemens Binninger von Chris K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Binninger,
der Bundestag wird demnächst voraussichtlich auf 700 Personen aufgebläht. Wieso benötigen wir soviele Abgeordnete? Insbesondere, dass da fast alle Gesetztesentwürfe in den Ministerien gestaltet werden und die Parteifunktionäre die meißte Macht ausüben.
Wieso brauchen wir dann 700 Abgeordnete und überpriviligierten Rentenversorgung? Die USA hat im Parlament 435 Abgeordnete die 322 Millionen repräsentieren. Wieso brauchen wir dann 700 Abgeordnete die 80 Millionen repräsentieren?
Ist das wieder ein Beispiel, wie eine kleine- und geschlossene Elite sich bereichert?
MfG
Sehr geehrter Herr Kornfeld,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zur Anzahl der Bundestagsabgeordneten, die ich gerne beantworte.
Bei der Bundestagswahl wird nach dem personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt. Die Mindestsitzzahl des Deutschen Bundestags beträgt 598 Sitze. Darunter sind 299 Abgeordnete, die in einem Wahlkreis direkt gewählt werden und eine ebenso große Anzahl an Abgeordneten, die über die sogenannten Landeslisten in den Deutschen Bundestag einziehen. Einen Vergleich der Parlamentsgröße mit dem Kongress in den Vereinigten Staaten rein aufgrund der Bevölkerungszahlen vorzunehmen, halte ich aufgrund der unterschiedlichen Grundvoraussetzungen wie z. B. dem unterschiedlichen Wahlrecht, nicht für tauglich. Für jedes Parlament muss die passende Anzahl der Sitze individuell anhand von mehreren Faktoren abgewogen werden.
Mit 598 Sitzen haben wir meines Erachtens für den Bundestag eine passende Größe gefunden. Es wäre bei einer geringeren Anzahl an Abgeordneten nicht mehr möglich, den persönlichen Bezug zu der Region, die ein direkt gewählter Parlamentarier vertritt, aufrecht zu erhalten, da sich die Wahlkreise - die heute teilweise schon mehrere Landkreise umfassen - weiter vergrößern würden.
Wenn eine Partei bei der Bundestagswahl in einem Bundesland mehr Direktmandate erhält, als ihr Sitze gemäß der Anzahl der Zweitstimmen zustehen, entstehen Überhangmandate. Durch diese wird sichergestellt, dass jeder direkt gewählte Abgeordnete in den Deutschen Bundestag einziehen kann. Seit der letzten Bundestagswahl 2013 werden solche Überhangmandate durch Ausgleichsmandate
vollständig ausgeglichen. Dabei wird die Gesamtzahl der Sitze so lange vergrößert, bis alle Überhangmandate ausgeglichen sind und so keine Partei einen relativen Vorteil erhält. Dies hat zwangsläufig eine Vergrößerung des Bundestags zur Folge.
Eine Vergrößerung des Bundestags auf eventuell über 700 Abgeordnete ist für die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sicher kein Gewinn. Zudem entstehen auch logistische Herausforderungen, denn für die Unterbringung der zusätzlichen Abgeordneten und deren Mitarbeiter werden u. a. zusätzliche Büroräume benötigt. Eine weitere Vergrößerung des Bundestags ist daher aus verschiedenen Gründen nicht wünschenswert, darüber besteht auch in allen Fraktionen Konsens.
Den Vorschlag des Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert, das Wahlrecht zu ändern, um eine Vergrößerung des Bundestags auszuschließen, habe ich - gemeinsam mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - unterstützt. Daher hat die CDU/CSU-Fraktion auch einen Vorschlag eingebracht, den Bundestag auf maximal 630 Sitze zu begrenzen und nicht alle entstehenden Überhangmandate auszugleichen. Dies ist unserer Ansicht nach fair und mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vereinbar.
Hierzu konnte allerdings mit den Fraktionen von SPD, Grüne und Linke keine Einigung erzielt werden. Daher wird sich der 19. Deutsche Bundestag in der kommenden Legislaturperiode mit Änderungen im Wahlrecht befassen müssen. Eine Wahlrechtsänderung jetzt noch im Schnellverfahren zu beschließen, hielte ich nicht für zielführend. Eine solche Änderung ist in der laufenden Legislaturperiode auch nicht mehr zu erwarten.
Es ist richtig, dass viele Gesetzesentwürfe von der Bundesregierung bzw. den Ministerien zur Beratung eingebracht werden. Dennoch findet die Beratung und Verabschiedung aller Gesetze auf Bundesebene im Deutschen Bundestag statt, der auf Bundesebene als Parlament das einzige gesetzgebende Organ ist. Nicht umsonst werden die Abgeordneten des Bundestages direkt gewählt. Zudem gibt es viele Gesetzesentwürfe, die von den Fraktionen vorgelegt werden und oft gibt es im Laufe des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens noch notwendige inhaltliche Änderungen, die vorgenommen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger