Frage an Clemens Binninger von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Binninger,
es geht um den Verfassungsauftrag an den Bundestag zur Ablösung von Staatsleistungen an die Kirchen durch ein Rahmengesetz, das von den Ländern benötigt wird(Artikel 140 und 138 Grundgesetz).
Trifft es zu, dass noch kein Gesetz zu Artikel 138 Abs. 1 WRV ergangen ist und die herrschende Staatsrechtslehre dies nicht als verfassungswidrig ansieht? Begründung: "Selbstverständlich muss die Verfassung und müssen die Gesetze auch dort beachtet werden, wo sie keine Sanktion vorsehen. Im speziellen Fall des Artikel 138 Abs. 1 WRV wird das Fehlen einer Sanktion aber seit jeher als Anzeichen dafür gewertet, dass der Gesetzgeber in der Frage des Zeitpunkts ein politisches Ermessen habe".
http://www.abgeordnetenwatch.de/brigitte_zypries-650-5639--f117362.html#q117362
Bekanntlich sind Gesetzesauslegungen nur zulässig, wenn der Text nicht eindeutig ist.
Abgesehen davon: Warum sollte der Verfassungsgeber ein Interesse daran gehabt haben, dass die Verabschiedung des Rahmengesetzes auf den St.
Nimmerleinstag verschoben werden kann?
Wann ist nach Ihrer Auffassung ein angemessener Zeitraum für die Verabschiedung des Rahmengesetzes verstrichen? Können auch Landtagsfraktionen und sogar Landtagsabgeordnete mit einer Organklage erreichen, dass das Ausbleiben des Rahmengesetzes vom Bundesverfassungsgericht verhindert wird?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.
wie Ihnen meine Kollegin, die frühere Bundesministerin der Justiz Brigitte Zypries, bereits dargelegt hat, geht die herrschende Staatsrechtslehre davon aus, dass der Gesetzgeber bezüglich des Zeitpunkts der Einführung einer Regelung nach Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung politisches Ermessen hat. Das Fehlen einer Regelung wird nicht als verfassungswidrig angesehen. Ich teile diese Auffassung. Da eine solche Regelung in erster Linie die Länder betrifft, liegt es für mich als Mitglied des Bundestages nahe, deren Initiative im Bundesrat abzuwarten und nicht selbst tätig zu werden.
Es ist meines Erachtens auch weder politisch sinnvoll noch verfassungsrechtlich zwingend erforderlich, an der aktuellen Rechtslage zum jetzigen Zeitpunkt etwas zu ändern.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger