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Frage von Otto R. •

Frage an Clemens Binninger von Otto R. bezüglich Finanzen

Der Bundefinanzminister läßt durch seinen Mitarbeiter im Lande verkünden, daß der deutsche Steuerzahler nicht nur ein drittes mal Geld an Griechenland geben solle sondern gleichzeitig auch noch auf die vereinbarte Rückzahlung bisheriger Geldgaben verzichten möge. Das entspricht einem Schuldenschnitt, den es doch nicht geben sollte. Nichts anderes ist es, wenn mit noch weniger Zins zurückgezahlt wird und die Rückzahlung so weit in die Zukunft hinein verschoben wird, daß das Geld dann nichts mehr wert ist, weil die Inflation es aufgefressen hat.

Diesen Schuldenschnitt – eine Forderung des IWF – wird der Gouverneursrat bzw. das Direktorium des ESM im Herbst beschließen.

Könnte beides zusammen für Sie ein Grund sein, am Mittwoch den 19. August 2015 mit nein zu stimmen?

Es grüßt Rudolf Gerhard

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Gerhard,
sehr geehrter Herr Rosenbaum,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Staatsschuldenkrise in Griechenland. Ich habe am heutigen Mittwoch im Deutschen Bundestag dem dritten Hilfspaket für Griechenland zugestimmt. Diese Entscheidung möchte ich im Folgenden begründen:

Die griechische Regierung hat einen weiten Weg zurückgelegt. Ausgehend von einer Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit hat sie sich nun zum Grundprinzip der Konditionalität bekannt. Voraussetzung für die Auszahlung der Hilfsgelder sind also weiterhin Reformen, die auf eine Überwindung der Hilfsbedürftigkeit zielen. Dass es sich dabei nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt, wurde unter Beweis gestellt: Das Parlament hat bereits weitreichende Änderungen bei der Mehrwertsteuer, der Rente, der Unabhängigkeit der Statistikbehörde sowie der Zivilprozessordnung beschlossen. Zudem hat das Parlament umfassenden Sozialreformen zugestimmt, die weit über das hinausgehen, was beispielsweise Deutschland vor einigen Jahren mit der Agenda 2010 auf den Weg brachte.

Bei aller berechtigten Kritik am früheren Verhalten der griechischen Regierung, wäre es falsch, diese Reform- und Kompromissbereitschaft jetzt nicht anzuerkennen. Denn verantwortungsvolle Politik darf sich nicht an Emotionen orientieren, sondern muss den sachlichen Kompromiss suchen. Dazu gehört auch, den eigenen Standpunkt immer wieder zu hinterfragen und nicht dogmatisch an bestimmten Positionen festzuhalten.
Die Verhandlungen über das dritte Hilfspaket in Brüssel waren nicht einfach, aber haben in meinen Augen zu einem sinnvollen Kompromiss geführt: Hilfsgelder werden nur Zug um Zug ausbezahlt, wenn die vereinbarten Reformen tatsächlich umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang müssen wir auch bedenken, dass weder Deutschland noch irgendein anderes Land in Brüssel seine Verhandlungsposition alleine durchsetzen kann. Vielmehr sind für jedwede Entscheidung einstimmige Beschlüsse aller Euro-Staaten notwendig. Dies gilt auch für einen kontrollierten Grexit, den man zwar als Option nicht aus dem Blick verlieren darf, der aber ohne Zustimmung aller - einschließlich Griechenlands - nicht möglich ist.

Die Alternative zu dem nun beschlossenen dritten Hilfspaket wäre ein unkontrollierter Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone gewesen. Dadurch wären weder die Schulden getilgt noch die strukturellen Probleme des Landes gelöst worden, aber Griechenland wäre ins Chaos gestürzt. Die Berichte nach den Bankenschließungen haben uns eine Vorahnung von solchen Entwicklungen gegeben. Die Folge wären mit hoher Wahrscheinlichkeit enorme Kosten für humanitäre Hilfe über viele Jahre hinweg, ohne dass sich in dem Land irgendetwas zum Besseren gewendet hätte. Eine solche Situation in einem Land an der Außengrenze der Europäischen Union würde deren Stabilität und damit sowohl unsere außenpolitische Handlungsfähigkeit als auch unsere Sicherheitsinteressen schwer beschädigen. Wir stehen in Europa vor Herausforderungen, die wir nur gemeinsam lösen können. Dabei denke ich an die Bedrohung durch die Terrorgruppe ISIS, den militärischen Konflikt in der Ukraine und die Flüchtlingskrise. Risse im europäischen Gefüge oder gar eine Spaltung Europas können wir uns vor diesem Hintergrund nicht leisten und es liegt deshalb auch in unserem eigenen Interesse, Griechenland zu helfen.

Gegner des dritten Hilfspakets haben immer wieder darauf verwiesen, dass die zukünftigen Generationen dadurch erheblich belastet werden. Dieses Argument ist nicht falsch, gilt aber letztendlich für jede Entscheidung.

Noch wichtiger ist aber ein anderer Umstand: Das zusammenwachsende Europa ist seit mehr als 50 Jahren Garant für Frieden, Freiheit und Sicherheit auf unserem Kontinent. Angesichts der vielen militärischen Konflikte und Bedrohungen im Rest der Welt ist das keine Selbstverständlichkeit. Mit einem unkontrollierten Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone, könnte eine Entwicklung eingeleitet werden, an deren Ende zuerst das Auseinanderbrechen der gemeinsamen Währung und dann der Europäischen Union stehen könnte. Das zu verhindern, ist es wert, nach dem ersten und dem zweiten Hilfspaket auch noch ein drittes Hilfspaket zu verabschieden. Denn was wir künftigen Generationen vor allem anderen hinterlassen sollten, ist ein Kontinent auf dem Frieden, Freiheit und Sicherheit herrschen. Und deshalb habe ich dem dritten Hilfspaket für Griechenland zugestimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Clemens Binninger