Frage an Clemens Binninger von Hans-Joachim D. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Binninger,
nach einer Studie der Uni Hohenheim ist die Sorge der Bürger bezüglich den Folgen der Schuldenkrise (Staaten und Banken) und der EURO-Rettungspolitik sehr groß. Sie fühlen sich von Politikern schlecht informiert. Dies entspricht voll und ganz auch meinem Eindruck. Das Thema wird im Wahlkampf totgeschwiegen - warum? Glaubt man, das interessiere die Bürger nicht, weil es zugegebenermaßen ein sehr komplexes Thema ist? Erst gestern wieder im ARD-Interwiew mit Angela Merkel: Kein Wort zur EURO-Krise und EURO-Rettungspolitik; Keine Frage (und Antwort) zur "Vision Europa".
Glauben auch Sie, daß der Höhepunkt der Krise überwunden ist?
Glauben auch Sie, daß die EURO-Rettungapolitik alternativlos ist bzw. welche Alternativen sehen und bevorzugen Sie?
Wie will man einen nach Meinung zahlreicher Ökonomen unumgänglichen Schuldenschnitt für (zunächst) Griechenland umgehen? Bitte um eine möglichst konkrete Antwort.
Wie ist Ihre Vorstellung von einem künftigen Europa?
Was sind Ihrer Meinung nach die nächsten notwendigen Schritte um dieser Vorstellung nahezukommen?
Mit freundlichem Gruß
Hans-Joachim Dilling
Sehr geehrter Herr Dilling,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Die Staatsschuldenkrise in Europa ist tatsächlich ein komplexes Thema. Genau deshalb informiert der Bundesfinanzminister auf seiner Internetseite (www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Europa/europa.html) tagesaktuell und ausführlich über die Staatsschuldenkrise und die aktuellen Entwicklungen.
Auch mir als direkt gewähltem Abgeordneten war es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis aus erster Hand zu informieren. Ich habe mich deshalb mit einem Offenen Brief (www.clemens-binninger.de/images/pdf/Offener_Brief_ESM.pdf) an die Bürgerinnen und Bürger gewandt und darin meine Überlegungen zur Staatsschuldenkriese sowie die Gründe für mein Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag ausführlich dargelegt.
Wir werden in einer globalisierten Welt nur dann eine Chance haben, wenn wir zusammenstehen und als Europa geschlossen auftreten. Es ist kein Naturgesetz, dass Deutschland immer eine der führenden Exportnationen bleiben wird. Allein die demographische Entwicklung wird uns noch vor große Herausforderungen stellen. Demgegenüber gibt es neue Akteure auf dem Weltmarkt, die in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung genommen haben und noch nehmen werden: China und Indien sowieso, aber auch Brasilien, Indonesien, Südkorea oder die Türkei.
Im Interesse unser aller Zukunft brauchen wir darum mehr Europa und nicht weniger. Mehr Europa heißt für mich aber nicht, dass Mitgliedsstaaten auf Reformen verzichten und auf Kosten anderer Eurostaaten leben können. Vielmehr brauchen wir ein verbindliches Regelwerk, an das auch Sanktionen geknüpft werden können (bis hin zur Abgabe von Souveränitätsrechten) und eine Form von Solidarität, bei der es keine Leistung ohne Gegenleistung gibt. Ein Schritt dorthin war der Fiskalvertrag, in dem sich alle Euro-Staaten verpflichtet haben, einheitliche und dauerhaft verbindliche Haushaltsregeln in ihre nationalen Rechtsordnungen aufzunehmen.
Die europäische Staatsschuldenkrise ist trotzdem nicht überwunden, sondern wird uns auch in den kommenden Jahren beschäftigen. Mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) haben wir aber ein taugliches Instrument geschaffen, um für zukünftige Entwicklungen gewappnet zu sein. Im Gegenzug muss Griechenland seine wirtschaftlichen Reformen fortsetzten, um mittel- und langfristig wieder international wettbewerbsfähig zu werden. Einen Schuldenschnitt für die öffentlichen Gläubiger Griechenlands hat Finanzminister Schäuble dagegen ausgeschlossen, ich teile seine Einschätzung.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger