Frage an Clemens Binninger von Guido F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Binninger,
in Ihrer Antwort an H. N. wiesen Sie auf eine Studie schwedischer Wissenschaftler hin, die gezeigt haben soll, dass der in Cannabis enthaltene Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) die Nervenzellen im Belohnungszentrum des Gehirns dauerhaft verändert, was die Anfälligkeit für Opiate erhöht.
Diese Arbeit legt tatsächlich nahe, dass die Verabreichung von THC bei heranwachsenden Ratten zu entsprechenden Veränderungen führt. Vorausgesetzt, dieses Ergebnis ist überhaupt auf den Menschen übertragbar, warum würde dies die Strafverfolgung gegen erwachsene Cannabiskonsumenten rechtfertigen?
Angesichts der bekannten Schäden durch Alkohol müssten Sie konsequenterweise auch ein generelles Alkoholverbot fordern, um Kinder und Jugendliche zu schützen.
Da Sie dies ablehnen, könnten Sie dann bitte die Forschungsarbeiten nennen, welche belegen, dass Alkohol in den Hirnen Heranwachsender keinerlei Schäden verursacht?
Verschiedene Forschungsarbeiten kamen in der jüngeren Vergangenheit zu dem Ergebnis, dass Verbote und Strafandrohungen keinen Einfluss auf die Konsumverbreitung ausüben ( http://tinyurl.com/3pwvqck , http://tinyurl.com/4xraorp , http://tinyurl.com/WHO-WMHS , http://tinyurl.com/BF-GCCR ).
Wodurch schützt ein Cannabisverbot Heranwachsende, wenn es überhaupt nicht geeignet ist den Konsum insgesamt einzudämmen?
Bereits 1994 betonte das Bundesverfassungsgericht, der Gesetzgeber habe angesichts der "offenen kriminalpolitischen und wissenschaftlichen Diskussion über die vom Cannabiskonsum ausgehenden Gefahren und den richtigen Weg ihrer Bekämpfung (...) die Auswirkungen des geltenden Rechts unter Einschluss der Erfahrungen des Auslandes zu beobachten und zu überprüfen" ( http://tinyurl.com/3pvff6m ).
Wird die Bundesregierung I.E. dieser Vorgabe gerecht, wenn sie die Ergebnisse der erwähnten Studien zur Wirkung von Verboten und Strafandrohungen missachtet?
Freundliche Grüße
Guido Friedewald
Sehr geehrter Herr Friedewald,
ich habe schon mehrfach auf Fragen zur – offensichtlich auch von Ihnen geforderten – Legalisierung von Cannabis geantwortet. Ich habe mich mit dem Thema befasst und bin zu der Überzeugung gekommen, dass eine Legalisierung dieser Droge falsch wäre.
Die Schädlichkeit und die Suchtwirkung eines dauerhaften Cannabis-Konsums sind nachgewiesen, so dass ein Verbot gerechtfertigt ist. Die Tatsache, dass die Abhängigkeit von anderen Substanzen wie zum Beispiel Alkohol ebenfalls gesundheitliche Schäden verursachen kann, kann doch wahrlich kein Argument dafür sein, Cannabis zu legalisieren. Wenn bestimmte Untersuchungen zu dem Ergebnis kommen, dass Verbote im internationalen Vergleich wenig Einfluss auf Cannabis-Konsum haben, entbindet das den Staat nicht von seiner Schutzfunktion besonders gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden, sondern wirft eher die Frage auf, wie diese Funktion besser erfüllt werden kann. Das geschieht jedenfalls nicht, indem man Cannabis legalisiert. Und zuletzt: In der von Ihnen angesprochenen Entscheidung von 1994 hat das Bundesverfassungsgericht das Cannabis-Verbot als verfassungsgemäß anerkannt, was 2004 und 2005 übrigens bestätigt wurde. Die Tatsache, dass der Bundestag Cannabis nicht legalisiert, bedeutet nicht, dass er sich nicht mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu dem Thema befasst, sondern lediglich, dass er zu einem anderen Ergebnis kommt, als Sie es sich offensichtlich wünschen.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger