Frage an Clemens Binninger von Elfriede R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Binninger,
leben wir in einer Demokratie oder in einer Lobbyistendiktatur?
KOMMENTAR: Bespitzelung am Briefkasten - Auszug
28. Januar 2012 | 09:00 Uhr | Von Rainer Mohrmann
Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag
Offensichtlich völlig legal sammelt und verkauft die Deutsche Post Informationen über Bürger. Die Politik sieht zu und Datenschützer sind machtlos.
Wer mit Hilfe zielgruppenspezifischen Direktmarketings seine Produkte veräußern möchte, braucht sich nur an die Deutsche Post (Direkt) zu wenden.
Der Skandal, der sich aus den Erkenntnissen der Verbraucherschützer heute ergibt, ist ein politisch-intellektueller. Die Lobbyisten von Handel und Produktion haben die Politik zum willfährigen Gesellen der Datenvermittlung gemacht und die Datenschützer zur kraftlosen Marionette degradiert. Ansonsten ist es nicht erklärbar, warum die Unterbindung des Handels mit persönlichen Daten eine Bringschuld des Bürgers ist. Der Verbraucher müsste angesichts der Existenz von Verbraucherministerien und Datenschützern von der sicheren Konstellation ausgehen können, dass die Erlaubnis zum Datenhandel vielmehr für jeden einzelnen Fall eine Holschuld des Händlers ist. Nur, wenn der Verbraucher für die Weitergabe jeder einzelnen Information seine Erlaubnis erteilt hat, dürfte sie von privater Stelle weitergegebenen werden. Die Negativoption, dass ein ausbleibendes Verbot einer politisch oder gesetzlich nicht widersprochenen Genehmigung gleichkommt, ist eine Schurkerei, für die alle die Verantwortung tragen, die dieses Verfahren nicht unterbinden.
Haben Sie durch Ihr Abstimmungsverhalten dazu beigetragen, daß es dieses Verfahren gibt?
Mit freundlichen Grüßen
Elfriede Reth
Sehr geehrte Frau Reth,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.
Der Deutsche Bundestag hat die Vorgaben zum Adresshandel im Bundesdatenschutzgesetz zuletzt 2009 überarbeitet. Dabei haben wir den Datenschutz verschärft und den Adresshandel strengeren Regeln unterworfen.
Grundsätzlich ist Adresshandel heute nur zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt hat. Davon gibt es eine Ausnahme: Listenmäßig zusammengefasste Adressen von Angehörigen einer Personengruppe dürfen auch ohne Einwilligung genutzt werden. Beispielsweise darf ein Kinobetreiber, nachdem er eine Adressliste von einer Videothek erworben hat, die Kunden dieser Videothek (Personengruppe) anschreiben, um für eine Filmvorführung zu werben. In seinem Werbeschreiben muss er angeben, woher er die Adresse erhalten hat.
Welche Daten eine solche Adressliste umfassen darf, ist im Bundesdatenschutzgesetz präzise geregelt. Zu den Angehörigen einer Personengruppe dürfen nur Namen, Anschrift, Geburtsjahr, Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, Titel und akademischer Grad weitergegeben werden. Personenbezogene Daten etwa über Bankgeschäfte, Versicherungsverträge oder intimen Beziehungen sind dagegen nicht Bestandteil solcher Listen. Das wäre ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz.
Diese Regelung ist sinnvoll. Werbung kann so zielgerichtet denjenigen zugesandt werden, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch für die beworbenen Produkte interessieren. Postwurfsendungen an alle Einwohner einer Stadt oder Gemeinde werden so vermieden. Insgesamt verringert sich dadurch das Aufkommen von Werbung eher, als das es steigt. Ich habe deshalb der Novelle des Datenschutzgesetzes im Deutschen Bundestag zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger