Frage an Clemens Binninger von Andreas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Binninger!
Sie schreiben auf ihrer Website < http://www.clemens-binninger.de/startseite/48-2011/367-bundestagswahlkreis-boeblingen-bleibt-unveraendert >:
"Das Wahlgesetz sieht hier vor, dass bei einer Abweichung von 15 Prozent über einen Neuzuschnitt gesprochen werden kann."
Ich lese im Wahlgesetz < http://www.gesetze-im-internet.de/bwahlg/__3.html >
"Die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises soll von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise nicht um mehr als 15 vom Hundert nach oben oder unten abweichen"
und schließe daraus, dass es schon sehr wichtige Gründe geben muss, wenn ein Wahlkreis stärker abweicht, während man über einen Neuzuschnitt auch schon zuvor sprechen kann. Welche Gründe können Sie dafür anführen, dass Böblingen mit mittlerweile +22,41% (Ende 2010) unverändert bleiben soll?
Manchmal wird die Wahlkreiskontinuität als Begründung angeführt, aber davon kann ich im Gesetz nichts finden. Der Landkreis Böblingen ist ohnehin schon geteilt, und wenn ein größerer Teil als bisher zum Nachbarwahlkreis käme (wie von der Wahlkreiskommission vorgeschlagen), hätten die Böblinger Gemeinden dort auch ein Gewicht, das nicht so leicht ignoriert werden kann.
Was passiert, wenn nach den Zahlen der Volkszählung, die Ende nächsten Jahres veröffentlicht werden sollen, die Abweichung mehr als +25% beträgt? Das ist doch noch im Bereich der Korrekturen, die man erwarten muss, oder nicht?
Welchen Sinn hat eigentlich die Wahlkreiskommission, wenn ihre Vorschläge bis auf unzweifelhaft Zwingendes andauernd ignoriert werden (nach Medienberichten ist das ja nicht nur in Böblingen so)? Könnte man da die Kosten nicht einsparen? Der Innenausschuss hat sich mit dem Bericht offenbar gar nicht befasst (jedenfalls hab ich es auf keiner Tagesordnung gefunden; Protokolle werden ja leider geheim gehalten); es schaut für mich so aus, als ob das die betroffenen Abgeordneten unter sich ausklüngeln und der Bundestag das dann einfach wieder durchwinkt.
Sehr geehrter Herr Schneider,
gerne antworte ich auf Ihren Beitrag.
§ 3 Abs. 1 Nr. 3 des Bundeswahlgesetzes lautet: „Die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises soll von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise nicht um mehr als 15 vom Hundert nach oben oder unten abweichen; beträgt die Abweichung mehr als 25 vom Hundert, ist eine Neuabgrenzung vorzunehmen.“ Ein Neuzuschnitt ist also erst dann zwingend, wenn die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises 25 Prozent von der Durchschnittsgröße abweicht. Liegt die Abweichung unter 25 Prozent, liegt es im Ermessen des Gesetzgebers, ob ein Wahlkreis neu abgegrenzt wird.
Federführend für das Bundeswahlgesetz ist der Innenausschuss des Bundestages. Dabei spielt der Bericht der Wahlkreiskommission als unabhängiges Beratungsorgan eine wichtige Rolle. Die Entscheidung über die Wahlkreiszuschnitte trifft aber nicht die Kommission, sondern die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, wobei – wie bei fast allen Gesetzen der Fall – auch hier die Details von Fachpolitkern federführend verhandelt werden, bevor der Gesetzentwurf letztendlich im Innenausschuss und im Plenum des Deutschen Bundestages beschlossen wird.
Dabei spielt der im Bundeswahlgesetz verankerte Grundsatz, dass die Grenzen der Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte bei der Wahlkreiseinteilung nach Möglichkeit eingehalten werden sollen ebenso eine Rolle wie das Prinzip der Wahlkreiskontinuität und die Wahrung regionaler Besonderheiten. Genau diese Aspekte sprechen gegen eine Veränderung des Wahlkreises Böblingen zur nächsten Bundestagswahl und für den Verbleib von Schönaich und Weil im Schönbuch im Wahlkreis. Das deckt sich meiner Erfahrung nach auch mit dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger, der Verwaltung und der Unternehmen in den betroffenen Gemeinden. Dies gilt umso mehr, als dass der Wahlkreis Böblingen zur Bundestagswahl 2005 neu zugeschnitten wurde.
Deshalb setze ich mich dafür ein, dass der Wahlkreis nicht verkleinert wird, solange nicht mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass er bei der Bundestagswahl 25 Prozent größer als der Durchschnittswahlkreis sein wird. Maßgeblich dafür ist der von Ihnen angesprochene Bericht der Wahlkreiskommission, der nach § 3 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes spätestens 15 Monate nach Beginn der Wahlperiode erstattet wird. Und in diesem Bericht wird festgestellt, dass der Wahlkreis Böblingen 22,3 Prozent größer ist als der Durchschnittswahlkreis.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger