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Frage von Michael C. •

Frage an Clemens Binninger von Michael C. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Binniger,

bezugnehmend auf die aktuelle Entwicklung (u.a. Rücktritt von EZB-Chefvolkswirt Stark) und Ihre
Antwort auf die von Hr. T. B. am 21. Juni 2011 gestellte Frage zum Euro-Rettungsschirm habe ich folgende Fragen:

1. Ich stimme Ihnen zu, dass ein mehr als 60 Jahre lang friedliches Europa eine historische Leistung ist. Vermutlich sind wir uns einig, dass dies zukünftig auch so bleiben sollte. Wie passt zu dieser Absicht die sogenannte „Rettung“ der Griechen, wenn diese dazu in erheblichem Maß ihre Souveränität aufgeben müssen, um den Sparanforderungen der „Retter“ zu genügen?

2. Können Sie mir erklären, wie Griechenland (sollte es die Sparbeschlüsse umsetzen!) aus der Krise herauskommen kann? Diese Frage ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass die Erfahrung in Deutschland gezeigt hat, dass in solchen Krisen gerade der Staat seine Ausgaben erhöhen muss (siehe Umweltprämie etc.). Gilt nicht Gleiches auch für die Griechen?

3. Kanzlerin Merkel hat das Schicksal Europas mit dem Euro verknüpft. Teilen Sie diese Einschätzung? Halten Sie eine weitere freundschaftliche Entwicklung Europas für ausgeschlossen, wenn es neben den zahlreichen EU-Mitgliedsländern mit eigener Währung solche mit einem Süd- und einem Nord-Euro gäbe? (Dass der Nord-Euro dabei stark aufwerten würde ist klar; doch stellt sich umgekehrt die Frage, ob Deutschland auf Dauer mit einer positiven Handelsbilanz leben kann?)

4. Warum spielen erneut Banken und Versicherungen als Gläubiger eine so große Rolle? Wie wollen Sie verhindern, dass die Gesellschaft als Ganzes ein weiteres Mal (nach meiner Zählung dann das dritte Mal) in Haftung genommen wird? (Daran anschließen würde sich sicherlich die Frage, wie zukünftig die „private Säule“ der sozialen Absicherung gestaltet werden muss.)

5. Werden Sie selbst dem Europäischen Stabilitätsmechanismus Ende September zustimmen?

Vielen Dank vorab für Ihre Antworten.

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Sehr geehrter Herr Corban,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte. Herr T. hatte mir am 12. September über abgeordnetenwatch.de ebenfalls eine Frage zur Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes (EFSF) gestellt. Meine ausführliche Antwort auf seine Anfrage finden Sie auf abgeordnetenwatch.de ( http://www.abgeordnetenwatch.de/clemens_binninger-575-37484--f310439.html ).

Doch nun zu Ihren konkreten Fragen im Einzelnen:

1. Griechenland hat über Jahre hinweg über seine Verhältnisse gelebt. Das Land steckt nun in einer Staatsschuldenkrise. In dieser schwierigen Lage steht Deutschland als größte europäische Industrienation einerseits in der Pflicht, Griechenland zu helfen. Andererseits kann es nicht sein, dass Griechenland auf Reformen verzichtet und auf Kosten anderer Eurostaaten lebt. Deshalb brauchen wir eine Form von Solidarität, bei der es keine Leistung ohne Gegenleistung gibt. Dem wird auch in Griechenland niemand ernsthaft widersprechen wollen. Solidarität ist keine Einbahnstraße.

2. Auf Dauer kann kein Staat mehr ausgeben, als er einnimmt. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, dass Griechenland seinen Haushalt saniert. Dazu muss das Land Staatseigentum privatisieren, Steuern erhöhen und Ausgaben streichen. Folglich muss zukünftig die Privatwirtschaft vielen Menschen, die bisher im staatlichen oder staatsnahen Sektor beschäftigt waren, Perspektiven bieten. Dabei können wir helfen. Wirtschaftsminister Rösler hat bei seinem Besuch in dem Land in der vergangenen Woche den Vorschlag zur Gründung einer Förderbank unterstützt. Sie könnte beispielsweise mit umgewidmeten Geldern aus den Strukturhilfefonds der Europäischen Union den Menschen in Griechenland Perspektiven bieten. Allerdings muss dazu auch Griechenland einen Beitrag leisten, indem das Land Verwaltungsverfahren beschleunigt und mehr Rechtssicherheit schafft. Das wäre ein starkes Signal an Investoren.

3. Die Aussage von Bundeskanzlerin Angela macht über den Tag hinaus deutlich, dass wir in einer globalisierten Welt nur dann eine Chance haben werden, wenn wir zusammenstehen und als Europa geschlossen auftreten. Welche wirtschaftlichen Konsequenzen ein „Nord-Euro“ hätte, zeigen die aktuellen Probleme der Schweiz mit der Aufwertung des Franken. Es ist kein Naturgesetz, dass Deutschland immer eine der führenden Exportnationen bleiben wird. Neue Akteure auf dem Weltmarkt haben in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung genommen oder werden sie noch nehmen: China und Indien sowieso, aber auch Brasilien, Indonesien, Südkorea oder die Türkei. Demgegenüber wird uns die demographische Entwicklung noch vor große Herausforderungen stellen. Für eine alternde Gesellschaft ist es sinnvoll, durch Exportüberschüsse ein Guthaben im Ausland aufzubauen. Dieses Guthaben können wir abrufen, wenn aufgrund des demographischen Wandels der Anteil der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland abnimmt.

4. Wir haben aus der Finanzmarktkrise gelernt. Auf internationaler Ebene treiben wir die Einführung einer Finanztransaktionssteuer voran und setzen uns für die strengere Regulierung von Derivaten ein. Außerdem steht die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken zur Diskussion. Bei all diesen Punkten sind nationale Alleingänge nicht sinnvoll und die internationale Abstimmung benötigt – auch zu meinem Leidwesen – Zeit.

Wo nationale Regelungen sinnvoll sind, haben wir diese geschaffen. Damit Banken zukünftig nicht mehr die Allgemeinheit in Haftung nehmen können, haben wir eine Bankenabgabe eingeführt. Sie wurde erstmals zum 30. September 2011 erhoben. Die Gelder aus der Bankenabgabe speisen einen Restrukturierungsfonds, der zukünftig systemrelevante Banken retten wird. Allerdings wird dieser Fonds erst in einigen Jahren genügend Kapital angesammelt haben, um auch große Banken retten zu können. Um Spekulanten Einhalt zu gebieten, haben wir außerdem ungedeckte Leerverkäufe verboten.

Bildhaft gesprochen geht es in der Staatsschuldenkrise im Moment darum, das Feuer zu löschen. Die Verbesserung des Brandschutzes steht noch aus. Dazu brauchen wir zum Beispiel ein geordnetes Insolvenzverfahren für Staaten. Außerdem brauchen wir eine Umschuldungsklausel in Staatsschuldtiteln. Beides lässt sich allerdings nicht im Hauruckverfahren einführen.

5. Der Deutsche Bundestag hat Ende September über die Erweiterung des temporären Euro-Rettungsschirms (EFSF) abgestimmt. Ich habe dafür gestimmt. Mein Abstimmungsverhalten habe ich in meiner Antwort auf die Anfrage von Herrn T. ( http://www.abgeordnetenwatch.de/clemens_binninger-575-37484--f310439.html ) ausführlich begründet und erläutert. Die Entscheidung über einen permanenten Rettungsschirm, einen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), steht noch aus.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Clemens Binninger