Frage an Clemens Binninger von Thomas B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Binninger,
die jetzt über die Medien bekannt gewordene Ausweitung des EU-Rettungsschirms für Griechenland wird uns von Regierungsseite als "alternativlos" dargestellt.
Als (Wahlkreis-)Bürger möchte ich Ihnen dazu einige Fragen stellen:
1. Die für die Weiterführung des griechischen Staatshaushalts auch aus dt. Steuerkassen bereitzustellenden Gelder werden etwas unscharf als "Finanzhilfen" bezeichnet. Welcher Anteil davon ist als - im Bedarfsfall einzulösende - Bürgschaft, was als rückzahlbares (mit welchen Sicherheiten unterlegtes?) Darlehen und was als "verlorener" Zuschuß zu sehen?
2. Ist geprüft worden, inwieweit die seinerzeit schon mit der ersten Rettungsschirm-Tranche aufgegebenen Auflagen (u.a. z.B. Aufbau einer effektiven Steuerverwaltung, Privatisierung von Staatseigentum) von der griechischen Adminstration angegangen bzw. schon umgesetzt wurden?
Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?
3. Können Sie eine Vorstellung davon vermitteln, wie die privaten Gläubiger (Banken, Versicherungen sonstige finanzwirtschaftliche Unternehmen) auf f r e i w i l l i g e r Basis dazu bewegt werden sollen, auf eigene Forderungen gegenüber dem griechischen Staat zu verzichten ?
4. Halten sie es mit den vorrangigen Pflichten einer deutschen Bundesregierung ( dem Wohl der eigenen Bevölkerung zu dienen....) für vereinbar, wenn finanzielle Verpflichtungen in Höhe eines halben Jahresetats des Bundes eingegangen werden, ohne daß die o.a. Fragen klar und unzweifelhaft beantwortet wurden und den Bürgern verständlich kommuniziert wurden?
5. Kann es über die Lösung der akuten GR/Euro-Krise hinaus ein "Weiter so" in Sachen EU-Erweiterung geben? Die jetzt in die EU und später auch in den Euro drängenden Staaten sind von ihrer wirtschaftlichen Verfassung, ihrer Rechtskultur und ihrem Bildungssystem so meilenweit von den "EU- Kernstaaten" entfernt, daß man sich nur neue Probleme und wenig erkennbare Chancen damit einhandelt.
Danke für Ihre Antwort!
MfG
Thomas Brenner
Sehr geehrter Herr Brenner,
vielen Dank für Ihre Fragen, auf die ich gerne eingehe.
Sie sprechen mit Ihren Fragen ein komplexes Thema an. Deshalb möchte ich zunächst einige Fakten darstellen: Die sogenannten Finanzhilfen für Griechenland wickelt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ab. Sie leiht sich am Kapitalmarkt Geld und stellt dieses Geld Griechenland als Kredit zur Verfügung. Der Bund garantiert der KfW, dass Griechenland die Kredite inklusive Zinsen zurückzahlen wird. Die Bundesrepublik Deutschland bürgt also für Griechenland. Bisher ist jedoch kein einziger Cent Steuergeld nach Griechenland geflossen. Die KfW hat mit den Zinseinnahmen dagegen Gewinne erwirtschaftet.
Die KfW zahlt das Geld seit 2010 in Teilbeträgen aus. Jede Teilauszahlung hängt von den Sparanstrengungen Griechenlands ab: Werden die Sparvorgaben nicht erfüllt, fließt kein weiteres Geld mehr. Die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds überwachen die Einhaltung der Sparziele und erstatten darüber Bericht. Dort ist u.a. nachzulesen, dass Griechenland die Steuern erhöht und Stellen im Staatsdienst abgebaut hat. Gleichwohl wird es eine gewisse Zeit brauchen, bevor solche Sparanstrengungen Früchte tragen. Wie einschneidend die Maßnahmen sind, zeigen die Proteste der Bevölkerung in diesen Tagen.
Wenn Griechenland seine Schulden nicht mehr bedienen könnte, wären die Folgen für alle Gläubiger fatal. Daher wollen auch private Gläubiger wie Banken und Versicherungen nicht, dass dieses Szenario eintritt. Sie sollten in ihrem eigenen Interesse dazu bereit sein, dafür einen gewissen Preis zu zahlen. Ein Vorbild hierfür ist die sogenannte Wiener Initiative. In Wien hatten sich Osteuropa-Investoren im Jahr 2009 bereit erklärt, Rückflüsse aus Staatsanleihen sofort wieder in neue Anleihen osteuropäischer Staaten zu investieren, um deren Refinanzierung zu sichern. Eine ähnliche Lösung könnte auch Griechenland helfen und ist durchaus realistisch.
Ihre kritische Haltung zur Erweiterung der Europäischen Union und der Euro-Zone teile ich. Griechenland war aus guten Gründen zunächst nicht Mitglied der Währungsunion. Das Land wurde erst nachträglich mit Unterstützung der rot-grünen Bundesregierung und gegen den Widerstand der CDU in die Euro-Zone aufgenommen. Der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Peter Hintze erklärte damals im Bundestag: „Die Aufnahme Griechenlands zum jetzigen Zeitpunkt wäre ein währungspolitisches Eigentor.“ Er sollte leider recht behalten.
Allerdings gilt es jetzt in die Zukunft zu blicken. Uns muss bewusst werden, dass Deutschland keine Insel ist, sondern mitten in Europa liegt. Unsere exportorientierten Unternehmen, unsere Banken und Versicherungen sind so eng mit der Wirtschaft der anderen EU-Staaten verknüpft, dass es uns nicht egal sein kann, was dort passiert. Eine Lösung der Probleme Griechenlands liegt in unserem Interesse und wird ohne unsere Hilfe kaum möglich sein. Man muss es so hart sagen: Entweder wir unterstützen Griechenland mit Finanzhilfen und gehen als Bürge ein finanzielles Risiko ein oder wir helfen Griechenland nicht und riskieren damit eine zweite Finanzmarktkrise mit steigender Arbeitslosigkeit, wirtschaftlicher Rezession und Bankenpleiten. Direkt oder indirekt wäre davon wohl jeder Deutsche negativ betroffen.
Bei all den Herausforderungen, vor denen wir stehen, sollten wir aber auch die Idee Europas nicht vergessen. Wir leben seit mehr als 60 Jahren in einem friedlichen Europa und sind den anderen EU-Staaten freundschaftlich verbunden. Das ist eine außerordentliche historische Leistung. Zugleich profitiert Deutschland wie kaum ein anderes Land in Europa vom gemeinsamen Binnenmarkt und der gemeinsamen Währung. Daraus erwächst uns Verantwortung, der wir gerecht werden müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger