Frage an Clemens Binninger von Johann B. bezüglich Recht
Sehr geehrter H. Binninger,
ich möchte Sie bitten, Ihr persönliches Urteil zu den Vorgängen am 30.9.2010 im Stuttgarter Schlossgarten hier kund zu tun.
Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie hier dazu persönlich Stellung nehmen würden. Ich wäre Ihnen auch sehr dankbar, mich nicht mit einem Verweis auf die offizielle Lesart der CDU zu verweisen.
Mit Freundlichen Grüßen
Johann Bucher
Sehr geehrter Herr Bucher,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Die Bilder von den Demonstrationen im Stuttgarter Schlossgarten am 30. September haben mich betroffen gemacht. Ich denke, alle sind sich einig, dass sich solche Bilder nicht wiederholen dürfen und dass es nicht zu einer weiteren Radikalisierung kommen darf.
Deshalb muss der Polizeieinsatz sorgfältig untersucht werden. Dabei muss man den nötigen Mut zur Objektivität und Ehrlichkeit haben und fragen, welche Ereignisse letztlich zu dem Wasserwerfereinsatz geführt haben, ohne dabei zu verallgemeinern oder vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Dies gilt ganz besonders angesichts der Tatsache, dass die Stuttgarter Polizei in den letzten Monaten bei vielen großen Einsätzen im Zusammenhang mit Stuttgart 21 gezeigt hat, dass sie die Einsätze deeskalierend bewältigt hat.
Dabei ist zu betonen, dass der ganz überwiegende Teil der Demonstranten ohne Zweifel friedlich gesinnt war und sich auch so verhalten hat. Wir müssen - mit Blick auf die Videos, die die Polizei gezeigt hat - aber ebenso feststellen, dass ein Teil der Demonstranten auch für zunehmende Aggression gesorgt hat. Es gab Sitzblockaden, es wurden Barrikaden gebaut, es wurden Gegenstände auf die Polizei geworfen und ein Polizeifahrzeug wurde besetzt. Polizeibeamte wurden von Demonstranten mit Pfefferspray angegangen. All das hat mit Demonstrationsfreiheit nichts zu tun. Und es war gerade auch diese Aggression, an deren Ende sich die Polizei in die Lage versetzt sah, diesen Einsatz nur noch mit unmittelbarem Zwang zu Ende zu bringen.
Die Politik ist nicht verantwortlich für den Ablauf eines Polizeieinsatzes. Die konkreten Entscheidungen wurden und werden in solchen Fällen grundsätzlich und allein von der Polizei vor Ort getroffen. Das hat der Einsatzleiter Polizeipräsident Stumpf auch nochmals bestätigt und deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen aus 20 Jahren aktivem Polizeidienst (der gerade in den 80er Jahren von einer Fülle von Demonstrationen geprägt war).
Die Politik ist aber verantwortlich dafür, dass es nicht zu einer erneuten Deeskalation des Konflikts kommt und dass in der weiteren Debatte der richtige Ton getroffen wird. Nur so wird es möglich sein, dass sich Projektbefürworter und Projektgegner treffen und über gemeinsame Lösungen sprechen. An dieser Aufgabe haben sich alle Seiten zu beteiligen. Deshalb ist es gut, dass Landesregierung und Bahn auf die Stuttgart 21-Gegner zugehen und mit Heiner Geißler einen Vermittler eingesetzt haben.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger