Frage an Clemens Binninger von Jascha O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Binninger,
mein Name ist Jascha Otte. Ich besuche zur Zeit die 12. Klasse der Fachoberschule Wirtschaft in der Berufsbildende Schulen in Osterholz-Scharmbeck. Im Rahmen des Politik Unterrichts, diskutieren wir wie jede Woche über ein bestimmtes Thema.
Nach reichlicher Recherche ist mir aufgefallen, dass sich die CDU/CSU immer weiter zur Mitte orientiert und somit einen Linkstrend hat. Daher hat Herr Friedrich-Wilhelm Siebeke ein Manifest gegen Linkstrend herausgebracht, dass schon mehr als 2000 Bürger, Wähler und CDU-Mitglieder unterschrieben haben. Darum ist meine Frage: Warum hat die CDU/CSU sich immerweiter zur Mitte orientiert? Was halten Sie von dieser Aktion von dem Herrn Siebeke?
Über eine Stellungnahme von Ihnen würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Jascha Otte
Sehr geehrter Herr Otte,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Zuerst einmal: CDU wie auch CSU sind und waren immer Parteien der Mitte, deren Politik vom christlichen Menschenbild geprägt ist. Insofern ist die Orientierung in der politischen Mitte des Parteienspektrums keine neue Entwicklung. Abgesehen davon halte ich die zwar anschauliche, aber doch sehr stark vereinfachende Aufteilung des politischen Spektrums in Links-Mitte-Rechts nicht immer für angemessen, wenn es darum geht, die Realität zu beschreiben.
Realitäten verändern sich und damit auch die Anforderungen an die Politik. Es gehört daher zu den zentralen Aufgaben von Parteien, ihre Programmatik und Politik im Angesicht sich verändernder Realitäten zu diskutieren. Dass hier keine Partei und auch nicht die Unionsparteien statisch über Jahrzehnte dieselbe Position einnehmen, sondern sich (auch im Rahmen von Regierungsbeteiligungen) verändern und modernisieren, liegt auf der Hand. Auch CDU und CSU befinden sich vor diesem Hintergrund in einem Modernisierungsprozess. Ich möchte das an drei Beispielen in aller Kürze verdeutlichen.
(1) Energiepolitik: Kaum jemand würde bestreiten, dass angesichts der Endlichkeit fossiler Energieträger und der Klimaveränderung erneuerbare Energien gefördert werden müssen. Natürlich steht auch die Union hinter der Förderung erneuerbarer Energien. Allerdings muss aus unserer Sicht eine Überförderung vermieden werden. Deshalb senken wir in den nächsten Monaten etwa die Einspeisevergütung für Photovoltaik-Anlagen. Gleichzeitig halten wir an der Kernenergie als Brückentechnologie fest.
(2) Familienpolitik: Kaum jemand würde bestreiten, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf heute für viele Menschen große Bedeutung hat. Die Union hat vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren den Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten unterstützt. Gleichzeitig sagen wir aber auch: Familien entscheiden selbst, wie sie ihre Kinder erziehen. Der Staat hat hier keine Vorgaben zu machen. Deshalb schaffen wir Wahlmöglichkeiten. Es werden Gelder in den Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten investiert, gleichzeitig wollen wir ab 2013 ein Betreuungsgeld für Familien einführen, die ihre Kinder zu Hause betreuen.
(3) Mindestlöhne: Kaum jemand würde bestreiten, dass eine Vollzeitbeschäftigung ausreichen sollte, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Forderungen nach flächendeckenden, branchenübergreifenden Mindestlöhnen lehnt die Union allerdings ab, weil viele Betriebe bei entsprechend hohen Mindestlöhnen in ihrer Existenz bedroht wären. Wir betonen die Bedeutung der Tarifautonomie und haben daher Möglichkeiten geschaffen, Mindestlöhne branchenbezogen für verbindlich zu erklären, wenn sich eine Mehrheit von Arbeitgebern und Gewerkschaften dafür aussprechen. Darüber hinaus regelt das Mindestarbeitsbedingungsgesetz Mindeststandards. Außerdem gibt es ergänzende Sozialleistungen.
Diese Beispiele zeigen, wie sich die Unionsparteien modernisieren, aber dennoch ein - wenn Sie so wollen - konservatives Profil haben. Selbstverständlich wird darüber in einer demokratischen Partei viel diskutiert. Das gilt gerade für eine Volkspartei wie die CDU, die gleichermaßen konservative, christlich-soziale wie auch liberale Strömungen vereint.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger