Frage an Clemens Binninger von Lars S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Binninger,
die CDU/CSU befürwortet ohne jeglich Änderung die gesetzliche Verankerung der Regierungsübereinkunft zur Weitergabe sensibler personenbezogener Informationen über Deutsche an die USA. Sie sprachen im Namen der CDU/CSU davon, daß dieses Abkomen (so wie es jetzt ist) erforderlich sei.
Dazu folgende Fragen:
1. Warum werden die folgenden besonders sensible Daten wie über Rasse oder ethnische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse Überzeugungen, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften oder die Gesundheit und das Sexualleben mitübermittelt? Viele dieser Informationen sind doch eigentlich für die Verhinderung terroristischer Straftaten nicht von Bedeutung!? Ich möchte fast jetzt direkt sagen "es geht niemand etwas an was ich im Bett mache oder welcher Religion ich angehöre"!
2. Warum fehlen in dem Übereinkommen die verbindlichen Löschungs- oder Prüffristen? Damit ist doch Mißbrauch, "Datensammelwut", Profilerstellung einzelner Personen etc. seitens der USA Tor und Tür geöffnet und die Gefahr besteht z.B. in 20 Jahren nicht in die USA einreisen zu dürfen weil man als jüngere Mensch eine andere politische Anschauung hatte als in der Zukunft. Ich weiß sehr theoretisch aber gut möglich!
Vielen Dank für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Schäfer
Sehr geehrter Herr Schäfer,
haben Sie vielen Dank für Ihren Beitrag zum sog. Prüm-ähnlichen Abkommen zwischen Deutschland und den USA. Ich möchte gerne etwas ausführlicher darauf eingehen, weil ich den Eindruck habe, dass wichtige Fakten in der öffentlichen Diskussion ausgeblendet werden.
Zunächst einmal: Es handelt sich bei dem von Ihnen angesprochenen "Abkommen vom 1. Oktober 2008 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität" um einen völkerrechtlich geschlossenen Vertrag, der in Deutschland vom Parlament ratifiziert werden muss. Das ist ein normaler Vorgang. Ich unterstütze den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf.
Zu Ihrer ersten Frage:
Artikel 12 des Abkommens lautet: "Personenbezogene Daten, aus denen die Rasse oder ethnische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse oder sonstige Überzeugungen oder die Mitgliedschaft in Gewerkschaften hervorgeht oder die die Gesundheit und das Sexualleben betreffen, dürfen nur zur Verfügung gestellt werden, wenn sie für die Zwecke dieses Abkommens besonders relevant sind."
Dazu möchte ich zwei Anmerkungen machen: (1) Die hier angesprochenen, besonders sensiblen Daten sind weder neu noch zufällig so genannt. Es handelt sich dabei um einen Standardkatalog wie er in vielen Fällen so oder ähnlich verwandt wird. Unter anderem findet er sich in § 3 Abs. 9 des Bundesdatenschutzgesetzes oder in Artikel 6 des Übereinkommens des Europarats vom 28. Januar 1981 über den Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten. Insbesondere findet sich dieser Katalog aber gerade in Vorschriften, die sich auf die grenzüberschreitende Bekämpfung terroristischer Straftaten beziehen - so in Artikel 11 des USA/Eurojust-Abkommens oder in Artikel 6 des USA/Europol-Abkommens. Diese Formulierung ist also an andere Regelungen, die schon lange Gültigkeit haben, angelehnt und daher nichts Außergewöhnliches. (2) Weil diese Daten besonders sensibel sind, schützt der zitierte Artikel 12 diese Daten besonders stark. Es dürfte die absolute Ausnahme sein, dass überhaupt solche sensiblen Daten vorliegen. Sie dürfen dann - sofern sie überhaupt vorliegen - nur weitergegeben werden, wenn sie zur Terrorismusbekämpfung besonders relevant sind. Dies dürfte wiederum nur sehr selten der Fall sein. Dennoch ist es nicht völlig auszuschließen, dass die oben genannten Daten von Bedeutung sein könnten.
Das könnte etwa der Fall sein, wenn z. B. Anschlagsplanungen vorliegen, über den betroffenen Terrorverdächtigen aber nur sehr wenig Informationen, so dass er nur durch einen Abgleich solcher Daten ermittelt werden kann. Deshalb halte ich es für wichtig, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, diese Daten in Ausnahmefällen weiterzugeben.
Zu Ihrer zweiten Frage:
Auch Ihre zweite Frage greift einen Kritikpunkt des Bundesrates auf. Für die Übermittlung von Daten nach Artikel 10 des Abkommens sieht Artikel 11 Abs. 2 ausdrücklich vor, dass das innerstaatliche Recht der Vertragspartei gilt. In Deutschland wird die übermittelnde Behörde das Bundeskriminalamt (BKA) sein. Demnach gilt für die Übermittlung auch § 14 Abs. 7 des BKA-Gesetzes. Daher hat das BKA dem Empfänger in den USA auch den beim BKA vorgesehenen Löschungszeitpunkt für die übermittelten Daten mitzuteilen. Außerdem kann das BKA nach Artikel 10 Abs. 4 des Abkommens eine Löschfrist für die übermittelten Daten vorgeben. Darüber hinaus sieht das Abkommen vor, dass die übermittelnden Daten verhältnismäßig zum Zweck - also der Terrorismusbekämpfung - sein müssen und nur so lange aufbewahrt werden dürfen, wie es dazu notwendig ist.
Eines ist mir besonders wichtig: Man sollte sich bei dem angesprochenen Abkommen immer vor Augen halten, um was es eigentlich geht. Es geht um die Übermittlung von Daten über Terrorverdächtige und um das Ziel, Anschläge zu verhindern. Es kann auch nicht im Interesse der Allgemeinheit sein, Daten von Terroristen zu schützen, die schwerste Straftaten vorbereiten. Hier wegzusehen und auf wichtige Kooperationselemente bei der Terrorismusbekämpfung zu verzichten, wäre der falsche Weg.
Ihre Frage vermittelt im Gegensatz dazu den Eindruck, dass von einer Datenweitergabe jeder betroffen ist. Genau das ist aber falsch und trägt nicht zur Sachlichkeit der Debatte bei. Das Abkommen ist wichtig für die Kooperation bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und ist auf diesen Bereich begrenzt. Für die Weitergabe von Daten sieht das Abkommen enge Voraussetzungen vor.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Binninger