Frage an Claudia Schmidtke von Dr. Lienhard W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag, liebe Frau Schmidke!
Alle Parteien machen sich stark für den Mittelstand. Besonders die CDU. Das ist gut so. Aber wie kommt es dann, daß der Mittelstand trotzdem seit Jahrzenten schrumpft wie Eis in der Sonne?
Meine Frage an Sie als Medizinerin bezieht sich auf AMBULANTE ARZTPRAXEN. Offenbar ist eine mächtige Lobby der Medizinkonzerne dabei, unser Gesundheitssystem in aller Stille radikal umzubauen.
Ich zitiere aus einem Stellenangebot, in dem ein Konzern für den „GESCHÄFTSBEREICH AMBULANTE MEDIZIN“ einen Vertriebsmanager sucht. Seine Aufgabe: die „AKQUISE UND INTEGRATION NEUER PRAXEN“ in die Konzernstruktur. Mit anderen Worten: der neue Mann soll unabhängige Arztpraxen aufkaufen und in den Konzern integrieren.
Das Aufkaufen von freien Arztpraxen durch Medizinkonzerne hat schwerwiegende Folgen. Aus selbständigen Ärzten werden Angestellte, die den Anweisungen des Konzerns (z. B. Helios mit allein in Deutschland 80 Kliniken und einem Konzernumsatz von 6 Milliarden Euro) gehorchen müssen.
Mit der Unabhängigkeit der Ärzte geht wieder ein Stück Mittelstand verloren. Die Ärzte, die ihre Unabhängigkeit verloren haben, werden laut Stellenanzeige herangezogen zur regelmäßigen „BESPRECHUNG DER MONATSABSCHLÜSSE UND DER WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG“. In QUARTALS-/MONATSGESPRÄCHEN müssen die Ärzte jede Entscheidung rechtfertigen, ob sie im Sinne der Konzerns ist.
Die Folgen für Deutschland sind: Die freien Arztpraxen werden wirtschaftlich ausgebremst, viele werden Pleite gehen. Mit den unabhängigen Ärzten verschwindet nicht nur die medizinische Vielfalt und Wahlfreiheit.
Die konzerneigenen Ärzte sind auch angewiesen, ihre Patienten in konzerneigene Kliniken zu überweisen. So höhlen die Medizinkonzerne schleichend auch die freie Arztwahl aus.
Daher meine Frage als Patient an Sie: Wie steht die CDU zu dieser Tendenz? Was tut sie praktisch, um die freie Ärzteschaft zu stützen?
Beste Grüße
Lienhard Wawrzyn
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie Ihre Sorgen zum Erhalt der mittelständigen Ärzteschaft äußern.
Das deutsche Gesundheitswesen stützt sich auf eine starke und gut funktionierende Selbstverwaltung, in der die Kassenärztlichen Vereinigungen auf Landesebene für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und die Verteilung der Arztsitze zuständig sind.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung engagiert sich intensiv für die Aufrechterhaltung und Stärkung der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und für gute Rahmenbedingungen zur Ausübung und Förderung des freien ärztlichen Berufes. Auf bundespolitischer Ebene beobachten wir den Monopolisierungstrend und den Aufkauf von Arztpraxen äußerst kritisch. Diesbezügliche Hinweise der Selbstverwaltung nehmen wir sehr ernst und schreiten bei Bedarf gesetzgeberisch ein.
Im Kontext des Terminservice- und Versorgungsgesetzes hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion beispielsweise den Einfluss von reinen Kapitalinvestoren auf medizinische Versorgungszentren (MVZ) bewusst beschränkt, um derartigen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.
Die Freiberuflichkeit der Ärzteschaft und die freie Arztwahl für Patientinnen und Patienten sind hohe Güter unseres Gesundheitssystems, die Politik und Selbstverwaltung in jedem Fall erhalten werden.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Claudia Schmidtke