Frage an Claudia Schmidtke von Hans C. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Dr. Schmidtke,
Besteht für Sie persönlich eine Schutzpflicht des Staates vor einem qualvollen Tod von Menschen?
Am 16. und 17. April verhandelte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts über sechs Verfassungsbeschwerden gegen Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs, der seit Ende 2015 die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt.
Das Recht auf Sterben, die Bitte um Hilfe, ist bei sorgfältiger Abwägung stärker zu gewichten als die Befürchtung von der Beeinflussung von außen. Eine persönliche Entscheidung kann daher in einer so wichtigen Frage respektiert werden.
Schwerstkranke wollen mit dem Antrag auf Zuteilung von Natrium-Pentobarbital für die Selbsttötung bereit sein.
"Das Leben mit einer unheilbaren Krankheit auszuhalten - von "meistern" kann schon gar keine Rede sein -, ist für die Betroffenen schwerer als für Angehörige und andere Helfende."
"Die Order vom Gesundheitsministerium, Anträge abschlägig zu bescheiden, soll auch verhindern, dass die erste Herausgabe des Mittels eine Lawine von weiteren Anträgen auslöst. Noch mögen es knapp über hundert Menschen sein, dann könnten Tausende folgen, so die Argumentation." https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/sterbehilfe-warum-ich-gern-natrium-pentobarbital-haette-a-1262914.html
Sehr geehrter Herr C.,
vielen Dank für Ihre Frage zum §217 Strafgesetzbuch.
Die Selbsttötung und die nicht geschäftsmäßige Beihilfe hierzu sind straffrei, was dem verfassungsmäßig verbürgten Selbstbestimmungsrecht entspricht. Zugleich ist rechtlich klargestellt, dass der Patientenwille, wie er etwa über eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht oder eine Versorgungssplanung ausgedrückt ist, zu beachten ist, auch wenn dies die Ablehnung oder Beschränkung oder den Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen bedeutet. Etwas anderes ist es aber, von einer staatlichen Stelle eine aktive Mithandlung für die Verschaffung des Selbsttötungsmittels zu verlangen. Der Staat und seine Vertreter sollten nicht den Wert des Lebens beurteilen (z.B. die Unerträglichkeit von Leiden). Die starke Lebensschutzorientierung des Grundgesetzes steht dem entgegen.
Darüber hinaus ist der Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), Az. 3 C 19.15, grundsätzlich nicht erlaubnisfähig.
Das Bundesverfassungsgericht wird in den nächsten Wochen über anhängige Verfahrensbeschwerden zu § 217 StGB entscheiden, dieses Urteil gilt es unbedingt abzuwarten.
Um die Versorgung von Menschen am Lebensende zu bessern und Schmerzen zu lindern, hat der Gesetzgeber nach intensiven Diskussionen im Jahr 2015 zu Fragender palliativen und hospizlichen Versorgung gesetzliche Regelungen beschlossen, mit denen diese Hilfen ausgebaut werden.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Claudia Schmidtke, MBA