Frage an Claudia Schmidtke von Jutta A. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Dr. Schmidtke,
Bundesminister Spahn fordert die gesetzliche Verpflichtung zur Körperspende (Widerspruchlösung) https://www.welt.de/politik/deutschland/video191169209/Jens-Spahn-Es-ist-ein-Stueck-Eingriff-in-die-Freiheit-aber-gerechtfertigt.html jedes Deutschen Bürgers, der nicht nachweisen kann, daß er "Nein" gesagt hat. Er sagt im Interview, wer davon profitieren würde.
Weiterhin fordert er nunmehr eine gesetzliche Verpflichtung zur Impfung gegen Masern: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/jens-spahn-legt-gesetz-zur-impfpflicht-gegen-masern-vor-a-1265812.html.
Er wird mit den Worten zitiert "Wir wollen alle Kinder davor schützen, sich mit Masern zu infizieren" und weiter "Ich bin jetzt sogar gegen Zeckenbisse geimpft. Gerade bin ich dabei, meinen Mann zu überzeugen, noch ein, zwei Impfungen mehr zu machen."
Eine großangelegte Studie mit homosexuellen Paaren belegt, dass die Einnahme bestimmter HIV-Medikamente die Übertragung des Virus auf Sexualpartner verhindern kann, trotz ungeschützten Geschlechtsverkehrs https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/schlaglichter_nt/article192957077/Studie-Medikamente-stoppen-HIV-Uebertragung-bei-Gay-Paaren.html. Für die Studie wurden rund 780 schwule Paare aus 14 europäischen Ländern mit jeweils einem HIV-infizierten Partner im Mittel zwei Jahre lang begleitet.
Wird er Ihrer Ansicht nach jetzt auch eine gesetzliche Verpflichtung zur Medikamenteneinnahme für Homosexuelle fordern.
Der Musiker Hans Söllner ruft seine Fans auf, den Gesundheitsminister „wegen fahrlässiger und versuchter Körperverletzung in manchen Fällen mit Todesfolge“ anzuzeigen: https://www.merkur.de/bayern/masern-impfung-soll-pflicht-werden-hans-soellner-ruft-fans-auf-jens-spahn-anzuzeigen-12254566.html
Glauben Sie, dass Handlungen von Politikern in Gesundheitsfragen verstärkt zu (straf-)rechtlichen Folgen führen werden?
Welche Meinung haben Sie zu genannten Verpflichtungen und zu gesetzlichen Verpflichtungen generell?
Danke.
Sehr geehrte Frau A.,
vielen Dank für Ihre Anmerkungen zur Widerspruchslösung in der Organspende und gesetzlichen Verpflichtungen im allgemeinen.
Ich sehe das Leid der fast 10.000 Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Auch heute sterben wieder drei von ihnen. Als Ärztin und Politikerin ist es meine Pflicht, diesen Menschen zu helfen. Zudem halte ich es für unethisch, die Angehörigen in einer höchst belastenden Situation dieser Entscheidung auszusetzen. Es ist ebenso unethisch, Organe aus Ländern zu importieren, in denen die Widerspruchslösung gilt, aber eine solche Regelung bei uns abzulehnen. Jeder hat hierzulande im Ernstfall gleichberechtigt Zugang zu einem Organ, die meisten würden dieses auch annehmen. Es ist also nur logisch, von einer allgemeinen Organspendebereitschaft auszugehen und unser System dem anzupassen. Umfragen bestätigen mit 84% die positive Haltung in der Bevölkerung gegenüber der Organspende. Bei dem aktuellen Vorschlag zur doppelten Widerspruchslösung wird die Freiwilligkeit gewahrt. Sie und Ihre Angehörigen können jederzeit und ohne Angaben von Gründen widersprechen. Von einer Verpflichtung kann also nicht die Rede sein.
Das Recht auf Selbstbestimmung, Solidarität und soziale Verantwortung sind zentrale Güter unserer Gesellschaft und werden neben vielen anderen Aspekten bei jeder gesetzlichen Neureglung individuell und intensiv abgewogen. Eine generelle Antwort zu gesetzlichen Verpflichtungen ist nicht möglich.
Ihre Fragen an den Bundesgesundheitsminister kann ich Ihnen selbstverständlich nicht beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Claudia Schmidtke, MBA